# taz.de -- Es ging eigentlich nur um einige Bäume: Grüne rütteln in Kiel an der Brandmauer
       
       > Im Bauausschuss haben die Grünen einen Antrag eingebracht, der nur mit
       > AfD-Stimmen eine Mehrheit fand. CDU und SPD sind empört, den Grünen tut’s
       > leid.
       
 (IMG) Bild: Grüne müssen sich auf Demos vom Bündnis „Wir sind die Brandmauer“ fortan erklären: Im Neuen Kieler Rathaus stimmten sie mit der AfD
       
       Eigentlich ging es um ein paar Bäume und ein bisschen Rasen an einer
       Straße. Jetzt steht der Vorwurf im Raum, dass die Kieler Grünen die
       Brandmauer zur AfD eingerissen hätten. Die CDU ist empört,
       Koalitionspartner SPD auch, die Grünen haben sich inzwischen entschuldigt.
       Es ist ganz schön was los in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt, und das
       nur eine Woche vor der [1][Oberbürgermeisterwahl] am kommenden Wochenende.
       
       Anstoß für die Aufregung gab eine Abstimmung im Bauausschuss am Donnerstag
       vergangener Woche. Dabei ging es um die geplante Sanierung der
       Esmarchstraße, gegen die sich seit mehreren Jahren eine Bürgerinitiative
       von Anwohnenden wehrt. Der Grund: Die Pläne sehen unter anderem vor, dass
       ein kleiner Park mit alten Bäumen, der „Blumenpflückerpark“, plattgemacht
       wird.
       
       [2][Die Grünen reichten einen Antrag ein], darauf, dass ein entsprechender
       Ratsbeschluss von 2024, der die Abholzung vorsieht, geändert wird.
       Überraschend wurde der mit sieben zu sechs Stimmen angenommen. Die sechs
       Bauausschussmitglieder von SPD und CDU stimmten dagegen. Die sieben
       Ja-Stimmen setzten sich aus vier von den Grünen und je einer Stimme vom
       SSW, der Fraktion Die Linke/Die Partei und der AfD zusammen.
       
       ## Gefundenes Fressen für die CDU
       
       Die AfD war also das Zünglein an der Waage – ein gefundenes Fressen für die
       CDU, Opposition im Kieler Stadtrat, die den Grünen Scheinheiligkeit
       vorwirft. Ihr Fraktionschef Carsten Rockstein hält den Grünen vor, die
       [3][Brandmauer] eingerissen zu haben, deren Einhaltung sie sonst selbst
       ständig von der CDU forderten. „Das ist dann tatsächlich ein Stück weit
       scheinheilig“, [4][sagte er der Zeitung Die Welt].
       
       Aber auch die [5][SPD, die in Kiel den Bürgermeister stellt] und mit den
       Grünen eine Kooperationsvereinbarung unterhält, ist richtig sauer. Enrico
       Tokar, Co-Vorsitzender der SPD Kiel, schreibt in einer Pressemitteilung,
       die Grünen hätten „eine rote Linie nicht versehentlich überschritten“,
       sondern „eingerissen“.
       
       Die Grünen geben sich zerknirscht und verstehen den Ärger. „Das war
       eindeutig ein Fehler. Das darf nicht passieren. Das darf uns nie wieder
       passieren. Das wird uns auch nie wieder passieren“, sagt Anke Oetken,
       Fraktionschefin der Grünen im Kieler Stadtrat, gegenüber der Welt. Oetken
       beteuert, man habe nicht damit gerechnet, dass die AfD dem Grünen-Antrag
       zustimmt. Es habe vorher keine Gespräche gegeben, man schließe jede
       Zusammenarbeit mit der AfD aus.
       
       Warum aber haben die Grünen einen Antrag eingebracht, von dem sie glaubten,
       dass er ohnehin nicht angenommen würde, und den ihre Koalitionspartnerin
       SPD ablehnt?
       
       „Es gab eine gewisse Atmosphäre“, sagt Finn Pridat, Sprecher des
       Kreisvorstands der Grünen. Die Bauauschusssitzung hatte Publikum: Rund 20
       Menschen von der „Interessengemeinschaft Blumenpflücker“, der
       Bürgerinitiative gegen die Abholzung des Parks, waren anwesend. „Das war
       ausschlaggebend, den Antrag einzubringen, um klar zu machen, dass wir
       Anliegen der Anwohner*innen gehört haben“, sagt Pridat der taz.
       
       Als klar wurde, dass die AfD dem Antrag zustimmen würde, sei alles zu
       schnell gegangen, um reagieren zu können. Zukünftig werde man in solchen
       Fällen eine Sitzung vertagen oder abbrechen. „Wir werden klare Schritte
       eingehen, wenn wir nicht sicherstellen können, dass es demokratische
       Mehrheiten gibt“, sagt Pridat.
       
       ## Ungewöhnlicher Grünen-Antrag gegen die SPD
       
       Tatsächlich ist es allein schon ungewöhnlich, dass die Grünen einen Antrag
       gegen die SPD eingebracht und dann noch gegen sie abstimmt haben. Das ist
       im Kieler Bauausschuss bisher nicht vorgekommen und liegt daran, dass die
       Parteien schon länger nicht auf einen Nenner kommen, was die Frage der
       Sanierung der Esmarchstraße angeht.
       
       Jetzt haben die Grünen sich durchgesetzt, aber zu welchem Preis? Auch die
       Mitglieder der Bürgerinitiative Blumenpflücker sind trotz des erfolgreichen
       Antrags alles andere als begeistert. Mit „sehr gemischten Gefühlen“ hätten
       sie das Ergebnis der Abstimmung aufgenommen, schreiben sie in einer
       Stellungnahme. Sie betonen, dass sie als Initiative bewusst nicht mit der
       AfD gesprochen haben. Das Abstimmungsverhalten sei „ein Versagen der
       demokratischen Parteien“.
       
       ## Bisher keine vergleichbare Abstimmung mit AfD-Stimmen
       
       In Kiel hat es eine vergleichbare Abstimmung mit AfD-Stimmen bisher nicht
       gegeben. Anders als in vielen anderen Kommunalparlamenten in Deutschland –
       gerade die CDU arbeitet im Kommunalen immer wieder mit der AfD zusammen,
       [6][wie eine Auflistung der Heinrich-Boell-Stiftung zeigt]. Aber auch die
       Grünen haben bereits mit der AfD gestimmt, wie 2023 im Wahlkreis von
       Ricarda Lang in Backnang in Baden-Württemberg über die Finanzierung eines
       Theaters.
       
       In Kiel kommt die Abstimmung zu einem kritischen Zeitpunkt. Am 16. November
       sind Oberbürgermeisterwahlen. Für die Grünen tritt [7][Samet Yilmaz] an. Ob
       die Abstimmung mit der AfD im Bauausschuss ihm bei der Wahl schaden wird,
       wird sich zeigen.
       
       10 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Oberbuergermeisterwahl-in-Kiel/!6124362
 (DIR) [2] https://gruene-kiel.de/2025/11/06/presse-gruene-hoeren-zu-und-handeln-kompromiss-fuer-eine-lebenswerte-esmarchstrasse-entsteht-aus-buergerinnenbeteiligung/
 (DIR) [3] /CDU-und-AfD/!6121356
 (DIR) [4] https://www.welt.de/politik/deutschland/video6911b3200580923d0998cc39/gruene-und-afd-in-kiel-die-brandmauer-steht-fuer-haltung-und-werte-das-war-hier-nicht-sichtbar.html
 (DIR) [5] /Schleswig-Holsteins-SPD-im-Vorwahlkampf/!60986
 (DIR) [6] https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Beispiele_kommunaler_Zusammenarbeit_zwischen_CDU_und_AfD
 (DIR) [7] /Kandidat-der-Gruenen-fuer-OB-Wahl-in-Kiel/!6088645
       
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 (DIR) Amira Klute
       
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