# taz.de -- Debatte um Prostitutionsgesetz: Staatlich geschützte Vergewaltigungskultur
       
       > Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat die Debatte wieder angestoßen:
       > Deutschland unterstützt männliche Freier beim Zugriff auf Frauenkörper.
       
 (IMG) Bild: Symbolfigur für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt geworden: Gisèle Pelicot
       
       Ein Teil der Täter im [1][Pelicot-Prozess] gab an, regelmäßig Prostituierte
       aufgesucht zu haben. Entsprechend waren diese Männer, auch wenn sie
       Dominique Pelicot nicht bezahlten, mit dem Ablauf vertraut: Ein männlicher
       Vormund, ein Zuhälter, gibt ihnen Zugang zu dem Körper einer Frau, sie
       denken, sie haben einen Anspruch auf diesen Körper, und verüben sexuelle
       Akte daran.
       
       Dass dieser Körper zu einer Person gehört, die in Gisèle Pelicots Fall
       betäubt und somit nicht in der Lage ist, ihre Zustimmung abzugeben,
       interessierte sie nicht. Genau wie es Freier nicht interessiert, ob die
       Prostituierten, die sie aufsuchen, Gewalt erleben, durch einen Zuhälter zu
       der Arbeit [2][gezwungen werden], ob sie minderjährig, Opfer von
       Menschenhandel oder anderen ausbeuterischen Umständen sind. Dass
       Prostitution unter diesen Umständen in Deutschland stattfinden kann und
       Männer dieses Angebot trotzdem wahrnehmen, ist Ausdruck einer tief
       verankerten Vergewaltigungskultur.
       
       Ob und wie Prostitution hierzulande stattfinden darf, ist derzeit wieder
       Subjekt einer Debatte, nachdem sich die Bundestagspräsidentin Julia
       Klöckner (CDU) für die [3][Umsetzung des sogenannten Nordischen Modells in
       Deutschland] aussprach. Das würde Sexkauf – jedoch nicht den Verkauf –
       kriminalisieren. [4][Bordelle müssten schließen]. Prostituierten würden
       unter diesem Modell Unterstützung angeboten, auch um aus dem Job
       auszusteigen. Genau so wird es bereits in Schweden, Kanada oder Norwegen
       umgesetzt.
       
       Als Freier kann man auf der Welt nur selten auf Prostituierte treffen, die
       ihre Körper freiwillig verkaufen. [5][Laut einer Studie] üben weltweit
       [6][lediglich rund zehn Prozent ihre Tätigkeit freiwillig] aus. Dass
       männliche Gewalt und weibliche Unterdrückung Prostitution innewohnt, ist
       somit unumstritten.
       
       ## Um zu überleben
       
       Einige Aussteigerinnen sagen, dass sie sich an die vermeintliche eigene
       Freiwilligkeit klammern mussten, um in dem Job zu überleben. Ob und wie
       freiwillig diese Arbeit selbst in den besten Fällen stattfindet, kann man
       nur den Frauen glauben, die sich als frei bezeichnen.
       
       Dennoch muss die Frage folgen: Sind wir für diese Freiwilligen bereit, in
       Kauf zu nehmen, dass andere Frauen unfreiwillig in der Prostitution landen?
       Die Frauen, die das derzeitige System immer noch nicht zu schützen weiß und
       die somit täglich dutzendfach Opfer von männlicher sexualisierter Gewalt
       werden?
       
       Von schätzungsweise 400.000 Prostituierten in Deutschland sind nur 32.300
       offiziell gemeldet. Unter dem nordischen Modell würde sich Prostitution
       somit kaum in einen unsichtbaren illegalen Bereich verschieben, wie
       Kritiker_innen sagen, weil sie dort längst stattfindet.
       
       Ob Frauen unter diesem Modell allerdings besser geschützt sind? Es gibt
       Studien, die belegen, dass der [7][Menschenhandel zurückginge],
       Prostituierte aber schlechtere Arbeitsbedingungen haben.
       
       Sicher ist allerdings: Männer in Deutschland, die einen anderen
       menschlichen Körper kaufen wollen, werden derzeit vom Staat dabei
       geschützt, also unterstützt.
       
       Man sagt ihnen damit: Ihr habt – wenn ihr zahlen könnt – immer das Recht
       und den Zugang zu weiblichen Körpern. Das Geld aus dieser Gleichung zu
       nehmen, ist gedanklich nicht schwer. Die Täter von Gisèle Pelicot
       funktionierten genau nach diesem Prinzip.
       
       7 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Frankreich-beschliesst-Ja-heisst-Ja/!6123396
 (DIR) [2] /ZDF-Doku-ueber-Zwangsprostitution/!5879474
 (DIR) [3] https://www.tagesschau.de/inland/warken-verbot-sexkauf-100.html
 (DIR) [4] /Ex-Polizeipraesidentin-ueber-Prostitution/!6075269
 (DIR) [5] https://www.researchgate.net/publication/254381847_Prostitution_and_Trafficking_in_Nine_Countries
 (DIR) [6] https://www.zeit.de/arbeit/2023-04/prostitution-sexarbeit-verbot-freier-sex/seite-2?state=JeHazpXMZOVr5nsx&session_state=9dac0090-d9e4-4cd7-80de-013e8aa2b6e2&iss=https%3A%2F%2Flogin.zeit.de%2Frealms%2Fzeit-online-public&code=96ea92fe-50d8-4b14-89ce-80dbd825399a.9dac0090-d9e4-4cd7-80de-013e8aa2b6e2.0b7ad105-8f18-4ecf-9e7d-0c0615835a2a
 (DIR) [7] https://link.springer.com/article/10.1007/s10657-011-9232-0
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
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