# taz.de -- Ode an die Bomberjacke: Breiter Rücken gegen Rechts
> Die Bomberjacke ist gerade wieder sehr beliebt. Für unsere Kolumnistin
> ist sie kein Modetrend, sondern ein Zeichen antifaschistischen
> Widerstands.
(IMG) Bild: Die Bomberjacke ist mehr als eine Jacke, sie ist schon immer Ausdruck von Zugehörigkeit für die unterschiedlichsten Gruppen
Als ich das erste Mal eine Bomberjacke anhatte, musste ich laut auflachen.
Meine Schultern waren breit, der restliche Körper verschwand unter den
puffigen Ärmeln. Kurz dachte ich: Ich bin jetzt eine von euch! Und dann:
Aber von wem genau?
In Berlin ist die Bomberjacke – schwarzer, glänzender Stoff, orangenes
Innenfutter und dicker Reißverschluss – innerhalb der letzten Jahre zur
Uniform geworden. Das sehe ich nicht nur, wenn ich samstags am überfüllten
Maybachufer die Flohmarktstände abklappere. Sondern auch auf den zig
Meme-Pages, die sich darüber lustig machen, dass man nur einen Bomber
überziehen muss, um als Berliner zu gelten.
Dass Kleidung nicht nur ein Trend ist, sondern politisch (oder in ihrer
Geschichte politisiert werden kann), wissen wir spätestens seit [1][Sydney
Sweeneys My Jeans are blue-Werbung], für die die US-amerikanische
Schauspielerin einen Shitstorm von links und Zuspruch von rechts erhielt.
Kleidung ist Ausdruck von Zugehörigkeit, sagt Christina Threuter,
Professorin für Designgeschichte und Mitautorin des Buchs „Protestkleider“.
Dass die Codes, auf die man sich mit dem Tragen einigt, stark variieren
können, zeigt die Bomberjacke vielleicht besser als jedes andere Beispiel.
Das ursprüngliche MA-1-Fliegerjacken-Modell des US-Militärs, von Alpha
Industries massenhaft produziert, durchwanderte mehrere Subkulturen. Für
uns, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, flimmern die Bilder im Kopf
von Springerstiefeln und Bomberjacken der Neonazis aus den späten 80ern bis
Nullerjahren.
Für die UK-Punks der 70er war das Aneignen der militärischen Jacke Ausdruck
von Protest. Und für die französischen „Red Warriors“ oder „Ducky Boys“,
ihrerzeit die Nazijäger, ein Zeichen von Widerstand gegen die extreme
Rechte.
## Bei Orange Angriff
Die „Red Warriors“ kommen aus den Banlieues um Paris und organisieren sich
1986 als Antwort auf die Angriffe rechtsextremer Neonazis, die durch die
Straßen der französischen Hauptstadt patrouillieren. Radikaler
Antifaschismus, so nennt ein ehemaliger Warrior deren Überzeugung. Sie
bieten Schutz auf Punk-Konzerten, sind präsent auf den Straßen.
Um sich von den rechten Gruppen zu unterscheiden, drehen sie die Bomber auf
Orange, wenn sie angreifen. Dabei sind die „Ducky Boys“ die erste Gruppe,
die den rassistischen Gangs im Viertel Les Halles den Kampf ansagt und
vorgibt, Verbindungen zu den Black Panthers zu haben. Sie tragen die
amerikanische Flagge auf dem Bomber, darunter ein gebrochenes keltisches
Kreuz.
Es sind auch Schwarze, migrantische und jüdische Personen, die sich Anfang
der 80er den Gruppen anschließen. Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm
„ANTIFA: Chasseurs de skins“ zeigen, wie die „Ducky Boys“ auf Flohmärkten
entlanglaufen: Sie stoppen Passanten, fordern sie auf, rechte Aufnäher zu
entfernen. Viele rechte Skinheads ziehen sich daraufhin zurück.
Heute hat der Bomber in den Berliner Secondhand-Läden eine eigene Sektion.
Die Vogue nannte ihn kürzlich [2][the most versatile jacket you can buy
this autumn], die vielseitigste Jacke, die man diesen Herbst kaufen kann.
Dabei ist die Jacke kein kapitalistisches Fashion-Accessoire – sie erzählt
eine Geschichte von Widerstand.
## Kein Raum für Neonazis
In Zeiten eines [3][Rekordhochs rechter Gewalt] und von hohem Zuspruch für
die AfD und [4][ihre radikale Jugendorganisation] wünsche ich mir
Rückbesinnung auf den antifaschistischen Bomber. Einer, der von
rassifizierten Personen aus Schutz und Zusammenhalt getragen wird, um sich
gegenseitig daran zu erinnern, dass man den Raum nicht Neonazis überlässt.
Ich trage meine Jacke als Ode an die Nazijäger von Paris. Mir gefällt der
breite Rücken, den sie suggeriert, und wenn ich nach dem Gym die Anspannung
meiner Muskeln fühle, kann ich mir zumindest kurz einbilden, dass mir
niemand was kann.
8 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Jeanswerbung-mit-Sydney-Sweeney/!6099423
(DIR) [2] https://www.vogue.co.uk/gallery/best-bomber-jackets-for-women
(DIR) [3] /Rekord-rechtsextremer-Straftaten/!6069380
(DIR) [4] /AfD-Jugend-Generation-Deutschland/!6132388
## AUTOREN
(DIR) Yasemin Said
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