# taz.de -- Von Rocklängen zu „Recession Brunette“: Was uns Mode über die Wirtschaftslage sagt
       
       > Fashion kann uns zeigen, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist. Und was
       > Menschen sich leisten können und was eben nicht.
       
 (IMG) Bild: Lieber kostensparend und pflegeleicht in dunkleren Brauntönen färben statt aufwendig blondieren
       
       Haare blond färben? Not in this economy! Denn wer hat heutzutage schon
       Geld, alle paar Wochen zum Friseur zu rennen und den Ansatz nachzufärben?
       Das ist zumindest die Annahme der Fashion Girlies, die ihre Haare diesen
       Winter lieber braun färben oder mit Verlauf hin zu dunkleren Spitzen
       (Balayage) tragen.
       
       „Recession Brunette“ nennt sich der Trend, bei dem man mit einem kurzen
       Blick in den Geldbeutel doch lieber very demure bleibt und kostensparend
       färbt. Die Rezession, also die Zeit des wirtschaftlichen Abstiegs, soll
       wohl auch nicht vor unserem Ansatz Halt machen. Noch hat sich die
       Wirtschaftswissenschaft nicht damit beschäftigt, ob es einen Zusammenhang
       zwischen Haarfarben und dem Zustand unserer Wirtschaft gibt, daher ist
       „Recession Brunette“ wohl eher kein zuverlässiger Konjunkturindikator.
       
       Solche Indikatoren sind die Glaskugel der Finance Bros. Denn sie sollen
       dabei helfen zu verstehen, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird oder
       bereits entwickelt hat. Dabei unterscheidet man zwischen Frühindikatoren,
       wie zum Beispiel Gewinnerwartungen von Unternehmen, Präsenzindikatoren, die
       die aktuelle Lage widerspiegeln, das BIP zum Beispiel und Spätindikatoren.
       
       Bei Letzteren blickt man in harten Zeiten nur betrübt in die Daten, um sich
       die Krise, die manchmal schon jahrelang wütet, bestätigen zu lassen: Ach,
       es wurden wirklich so viele Leute entlassen? Erstaunlich!
       
       ## Von Minirock zu Konjunktur
       
       Unter die eher lustigen Indikatoren fiel lange der „Hemline Index“, der
       einen Zusammenhang zwischen der Länge von Röcken und Kleidern und der
       Wirtschaft sah. Und wenn man sich so ein paar einzelne Daten aus dem
       vergangenen Jahrhundert rauspickt, scheint das gar nicht so weit hergeholt:
       In den 1960ern zum Beispiel trug zum ersten Mal eine Frau einen Minirock,
       es begann auch in der Mode eine Zeit des Umschwungs und der selbstbewussten
       Frau. Gleichzeitig boomte zum Beispiel in den USA die Wirtschaft,
       Arbeitslosigkeit sank und Löhne stiegen.
       
       Schaut man sich dagegen die [1][1990er Jahre mit ihren US-Rom-Coms] an,
       rocken die Frauen auch vermehrt wieder längere Kleider und Röcke, besonders
       zu Beginn der 1990er Jahre litt die US-Wirtschaft unter einer schlechten
       wirtschaftlichen Lage. Ein Zeichen, sich lieber bequem zu kleiden.
       
       Zwei Beispiele zementieren natürlich keinen Trend.
       Wissenschaftler*innen aus Rotterdam schauten sich die Rocklängen
       zwischen 1921 und 2009 an und verglichen sie mit Daten zur wirtschaftlichen
       Lage der USA. Sie sagen, die Rocklänge hängt drei Jahre hinter der
       wirtschaftlichen Stimmung, die sie beeinflusst. Was auch Sinn ergeben kann,
       denn bis Mode von den Designer*innen über den Laufsteg zu uns
       Shopping-Mäusen ankommt, dauert es eben eine Weile.
       
       In einer Welt der Micro Trends, wo Social Media gefühlt jede Woche die neue
       Rocklänge und Haarfarbe vorhersagt, sind solche Theorien natürlich
       hinfällig. Und trotzdem zeigen solche Beobachtungen, wie die Stimmung in
       der Bevölkerung ist und was Menschen sich leisten können und was eben
       nicht.
       
       Und das ist momentan in Deutschland nicht sehr viel. Obwohl viele Leute
       weiterhin einen Job haben und die Nachfrage nach Arbeitskraft noch hoch
       ist, sorgen sich viele um ihren Arbeitsplatz. Dazu kommen die weiterhin
       [2][hohen Preise für Lebensmittel und Miete] und ein Lohn, der nicht
       adäquat zu diesen Teuerungen steigt. Würde die Theorie des Rocksaums noch
       greifen, wir würden beim Treppensteigen stolpern.
       
       10 Feb 2025
       
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