# taz.de -- Militärische Forschung an Unis: Ein „Hunter-Killer“-U-Boot trotz Zivilklausel
       
       > Die TU Berlin hat sich rüstungsrelevante Forschung verboten. Doch ein
       > Waffenkonzern wirbt offen mit der Kriegsanwendung eines gemeinsamen
       > Projektes.
       
 (IMG) Bild: Ein von Thyssenkrupp gebautes U-Boot im Fjord von Kiel
       
       In der TU Berlin ist man stolz auf die eigene Zivilklausel, ein
       selbstauferlegtes Verbot von Forschung für militärische Zwecke. Als kurz
       nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine Olaf Scholz die
       „Zeitenwende“ ausruft, war TU-Präsidentin Geraldine Rauch eine der wenigen,
       die sich gegen den Militarisierungsrausch auch an den Hochschulen stellte.
       „Mir scheint, wir lassen etwas zu schnell von moralischen Werten ab“,
       schrieb Rauch [1][damals in der Fachzeitschrift Forschung & Lehre]. „Die
       Rolle von Hochschulen ist es, Forschung und Lehre im Sinne einer
       stabileren, sozialeren und nachhaltigeren Welt zu betreiben“, bekräftigte
       sie.
       
       Doch wo die Grenzen zwischen militärischer und ziviler Nutzung von
       Technologien verlaufen, ist nicht immer eindeutig. [2][„Dual Use“ nennt man
       dieses Phänomen]: dass Technologien sowohl zivil als auch militärisch
       nutzbar sind. Solche Technologien bewegen sich oft in einer rechtlichen
       Grauzone und können für Unternehmen eine Art Einstieg in die
       Rüstungsproduktion sein. Und auch an den Hochschulen drohen solche
       Technologien, die Grenze zwischen ziviler und militärischer Forschung zu
       vermischen.
       
       Ein Beispiel ist das [3][Projekt Modifiable Underwater Mothership (MUM)],
       das Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) entwickelt, die Marinesparte des
       Rüstungskonzerns ThyssenKrupp – unter aktiver Beteiligung der TU Berlin.
       Sie wollen ein autonom operierendes, modular aufgebautes U-Boot entwickeln,
       dessen einzelne Komponenten je nach Einsatzzweck flexibel ausgetauscht
       werden können. Weil das MUM vollständig unbemannt fahren soll, könnte es
       theoretisch ganzjährig, also 365 Tage im Einsatz sein. [4][Die
       Fachzeitschrift European Security & Defense spricht] von einem
       „Durchbruch“, der „neue Standards“ setzen werde. Gefördert wird das Projekt
       vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
       
       ## Unbemannte U-Boot-Waffe
       
       Gerade die modulare Bauweise des MUM macht die Forschung allerdings heikel.
       Zwar wird das Projekt mit dem hehren Ziel der „Erkundung und
       ressourcenschonenden Nutzung der Weltmeere“ beworben, und tatsächlich sind
       zivile oder wirtschaftliche Anwendungen durchaus denkbar. [5][Die
       Fachzeitschrift Naval News] nennt etwa den Transport von Nutzlasten zu
       Offshore-Wind-, Öl- und Gasanlagen oder Forschungsmissionen in arktischen
       Eisregionen als mögliche Einsatzfelder.
       
       Doch dabei bleibt es nicht, wie ThyssenKrupp selbst offen einräumt. Bereits
       2019 warb der Konzern auf einer Verteidigungsmesse in Rotterdam damit,
       [6][dass MUMs auch im „Hunter-Killer“-Modus operieren und zum Legen von
       Unterwasserminen eingesetzt werden können]. Auch von Spähmissionen war die
       Rede. Auf der Messe Undersea Defence Technology 2023 in Rostock stellte
       ThyssenKrupp die bewaffnete „Hunter-Killer“-Version erneut vor. Ein Bericht
       spricht von [7][einem „neuen Flaggschiff“ und einer „unbemannten
       U-Boot-Waffe“].
       
       Aufgedeckt wurde diese Form der Projektbewerbung [8][von der
       Studierendengruppe „Not in Our Name“] an der TU Berlin. Bereits im April
       veröffentlichte die Gruppe einen ausführlichen Bericht, dem zufolge die TU
       Berlin seit 2017 maßgeblich an dem Projekt beteiligt ist. Demnach wirkte
       die Universität sowohl [9][an der ersten Designphase] mit, in der das
       Modulsystem konzipiert und mögliche Einsatzfelder definiert wurden, als
       auch [10][am Folgeprojekt „MUM2simulate“], in dem ein Funktionsmodell
       getestet und validiert wurde. Auch die Universität Rostock und das
       Fraunhofer-Institut sind in das Projekt involviert.
       
       ## Bruch der Zivilklausel?
       
       Verletzt die TU Berlin also ihre Zivilklausel, die sie öffentlich so
       couragiert verteidigt? [11][Die Klausel], 1991 beschlossen und entstanden
       als Lehre aus der Rolle der Universität im Zweiten Weltkrieg, untersagt
       nicht nur die direkte Entwicklung von Waffensystemen, sondern generell jede
       „rüstungsrelevante“ Forschung. Begründet wird dies damit, dass
       wissenschaftliche Ergebnisse grundsätzlich nicht davor geschützt werden
       können, „für militärische Zwecke von Dritten missbraucht zu werden“.
       
       Zudem heißt es ausdrücklich: „Können bestehende Zweifel nicht ausgeräumt
       werden“, soll die TU Berlin keine Aufträge oder Mittel für ein solches
       Projekt annehmen oder verwalten. Auch sollen keine Arbeitsverträge mit
       Mitarbeiter:innen geschlossen werden, die in rüstungsrelevanten
       Vorhaben beschäftigt sind. Rechtlich bindend sind Zivilklauseln nicht.
       
       Eine Sprecherin der TU Berlin verweist auf taz-Nachfrage darauf, dass es
       bei ThyssenKrupp „zwei parallel laufende Projekte“ gebe: ein ziviles, an
       dem die TU beteiligt ist, sowie ein militärisches. Zwischen beiden gebe es
       „keine Überschneidungen“. Ferner sagte die Sprecherin, das militärische
       Projekt sei „dem Fachgebiet nach eigenen Angaben nicht bekannt“ gewesen,
       bis die studentische Gruppe die „Hunter-Killer“-Werbung publik gemacht
       habe. Eine Prüfung des Projektes vom vorherigen Präsidium 2016 habe eine
       Einstufung als zivilklauselkonform vorgenommen.
       
       ## Enttäuschte Studierende
       
       Die Aktivist:innen überzeugt das nicht. „Die doppelte Anwendbarkeit
       wird als Schlupfloch genutzt, um sich aus der Affäre zu ziehen“, sagt der
       Aktivist Islam Müller zur taz, der nicht unter seinem echten Namen
       auftreten möchte. Auch könne die Universität nicht behaupten, ihrer
       Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung der Zivilklausel nachgekommen zu sein.
       „Unsere gesamte Nachforschung bestand darin, die Worte „Modifiable
       Underwater Mothership (MUM)“ und „Militär“ zu googeln – und sofort haben
       wir alle Beweise gefunden“, sagt Müller. Die TU schreibt, das Fachgebiet
       habe „während der gesamten Projektlaufzeit“ streng auf die Einhaltung der
       Zivilklausel geachtet.
       
       Tatsächlich wirft der Umgang mit den Vorwürfen Fragen auf. So sei TKMS laut
       der Sprecherin der Universität nach Bekanntwerden der
       „Hunter-Killer“-Werbung zwar ermahnt worden. Doch nach einer Bestätigung
       des Konzerns, dass die Forschungsergebnisse der TU nur für zivile Zwecke
       genutzt würden, sieht man in der Universität offenbar keinen weiteren
       Handlungsbedarf. Die TU habe die eigene Ethik-Kommission dazu beauftragt,
       deren Bericht werde aber keine Auswirkungen auf das Projekt haben. Da das
       Projekt kurz vor dem Abschluss stehe – geplantes Ende ist 2026 – dienten
       die Prüfungen „nur noch der Aufklärung und der Prozessoptimierung für die
       Zukunft“, schreibt die Unisprecherin auf eine Nachfrage der taz.
       
       Bei den Studierenden bleibt da Frust zurück. „Wir wollten die Universität
       mit unserer Recherche gar nicht angreifen. Wir wollten ihnen die Beweise an
       die Hand geben, um zu zeigen, dass die Forschung der TU Berlin für
       militärische Zwecke genutzt wird, damit die TU was dagegen tun kann“, sagt
       Müller zur taz. Doch die Uni habe die Studierenden nur hingehalten und
       ignoriert. „Ich bin enttäuscht und verbittert von meiner eigenen
       Universität“, so der Student.
       
       18 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/sollten-deutsche-hochschulen-auch-zu-militaerischen-zwecken-forschen-duerfen-5093
 (DIR) [2] /Die-Zeitenwende-in-der-Wirtschaft/!6121552
 (DIR) [3] https://mum-project.com/
 (DIR) [4] https://euro-sd.com/2023/04/articles/30719/seabed-warfare-nato-and-eu-member-state-responses/
 (DIR) [5] https://www.navalnews.com/naval-news/2020/06/tkms-presents-the-results-of-its-mum-modular-xluuv-study/
 (DIR) [6] https://www.navalnews.com/naval-news/2020/06/tkms-presents-the-results-of-its-mum-modular-xluuv-study/
 (DIR) [7] https://www.zlv.lu/db/1/1494461787072/0
 (DIR) [8] https://www.notinourname-tu.org/civil-clause-breach
 (DIR) [9] https://www.tu.berlin/ebms/forschung/abgeschlossene-projekte/design-mum
 (DIR) [10] https://www.tu.berlin/ebms/forschung/aktuelle-projekte/mum2simulate
 (DIR) [11] https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/organisation/rechtliches/richtlinien-leitlinien/zivilklausel
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
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