# taz.de -- Antisemitismus in der Linkspartei: Den Wahn mit Wirklichkeit füttern
       
       > Auf dem Bundeskongress der linken Jugendorganisation Solid kommt es zu
       > einem folgenreichen Beschluss gegen Israel. Ein Hauch stalinistischer
       > Praxis?
       
 (IMG) Bild: Großes Logeo, folgenreicher Beschluss gegen Israel Auf dem Bundeskongress: die Linkejugend Solid
       
       Manchmal wünschte ich, ich könnte Ereignisse wie durch ein Fernrohr
       betrachten: aus sicherer Distanz, um nicht berührt zu werden und die
       Hoffnung zu bewahren. Als ich von den jüngsten Vorfällen innerhalb der
       Linken und ihrer Jugendorganisation Solid las, kam mir dieser Gedanke
       wieder. Was sich dort abspielt, lässt sich kaum noch als Streit unter
       Genossen beschreiben: Eine Jugendorganisation, die sich einst zur
       Solidarität mit Israel bekannte, beschloss [1][auf ihrem Bundeskongress
       einen Antrag], in dem jüdische Selbstbestimmung als „rassistisch“
       bezeichnet wird.
       
       Der einzige jüdische Staat, gegründet, auch als Reaktion auf die
       industrielle Judenvernichtung, wird darin als Projekt mit „kolonialem
       Charakter“ beschrieben, von seinen „Anfängen bis heute“. Außerdem ruft der
       Antrag dazu auf, „die revolutionären Bewegungen in der Region“ zur
       „Befreiung Palästinas“ zu unterstützen. Ob damit auch die von manchen
       Linken gerne als „Widerstandskämpfer“ verklärte Hamas gemeint ist, bleibt
       offen. Was ich aber herauslese: Israel war schon immer böse, seine Gründung
       ein Fehler.
       
       „Nie wieder zu einem Völkermord schweigen“, so der Titel des Beschlusses.
       Dabei sollte es bei dieser Mahnung doch um Lehren aus der Geschichte gehen:
       darum, Antisemitismus und Rassismus zu erkennen, nicht zu relativieren.
       Doch hört man diesen Gaga-Linken zu, könnte man fast glauben, der 7.
       Oktober 2023 – das Massaker der Hamas – sei für sie ein nützliches Ereignis
       gewesen. Endlich ließ sich der alte Wahn mit einer Wirklichkeit füttern.
       Die israelische militärische Antwort auf Morde, Vergewaltigungen und
       Geiselnahmen diente fortan als Beweisstück: Jeder tote, zurecht zu
       beklagende palästinensische Zivilist, diente als vermeintliche Bestätigung
       der antisemitischen Fantasie vom rachsüchtigen Israeli, Zionisten, Juden.
       
       „Gegen jeden Antisemitismus“ hatte sich die Linksjugend 2015 noch auf die
       Fahne geschrieben. Davon ist nichts geblieben, eine größere Entfremdung vom
       eigenen moralischen Kern kaum denkbar. Immerhin hat sich die Parteispitze
       inzwischen kritisch geäußert, den Beschluss wie auch den Umgangston
       verurteilt. Gut so. Doch ein klarer Gegenbeschluss blieb aus. Es wirkt, als
       wolle man die Angelegenheit rasch begraben, bevor auf dem Berliner
       Landesparteitag die Spitzenkandidatin nominiert wird.
       
       Wer Antisemitismus bei Linken ausfindig machen will, muss nur die Wörter
       Apartheid, Siedlerkolonialismus, Genozid suchen. Oder beobachten, wie sie
       mit internen Kritikern umgehen. Die letzten noch aufrichtig gegen
       Antisemitismus kämpfenden jungen Genossen [2][sollen durch
       „Säuberungsaktionen“ herausgedrängt werden]: In Chatgruppen wird gegen jene
       gehetzt, die sich nicht klar genug von Israel distanzieren. Wer nicht auf
       Linie ist, wird zum „Verräter“ oder „Zionisten“ erklärt. Ein
       Kongressteilnehmer sprach gegenüber [3][dem Tagesspiegel von „Psychoterror
       aus den eigenen Reihen“]. Verwenden hier geistig verwirrte Linke
       stalinistische Methoden der Feindmarkierung und Verfolgung?
       
       Kritiker, die sich gegen linken Antisemitismus engagieren, gibt es
       innerhalb der Partei immer weniger. Mehrere Abgeordnete, darunter der
       [4][langjährige Berliner Landeschef Klaus Lederer,] haben die Linke im
       vergangenen Jahr verlassen – auch wegen des Umgangs mit Antisemitismus. Ihr
       Weggang hat eine große Lücke hinterlassen.
       
       Für jene, die noch zwischen Kritik und Hass unterschieden können, die ihre
       Vernunft nicht verloren haben und sich nicht mit pathetisch-hohlen Phrasen
       von „Befreiungskampf“ und „Widerstand“ zufriedengeben, wird es in dieser
       Linken zunehmend einsam. Seit dem 7. Oktober ist klarer denn je: Wer sich
       gegen jede Form des Antisemitismus engagiert, verliert seine politische
       Heimat.
       
       8 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/linksjugend-mitglieder-berichten-von-bedrohungen-nach-nahost-antrag-a-78213730-66d9-4612-a78c-e25ed26fa9f8
 (DIR) [2] /Jugendverband-der-Linkspartei/!6126944
 (DIR) [3] https://www.tagesspiegel.de/politik/in-chatgruppen-wird-zu-sauberungsaktionen-aufgerufen-mobbing-in-der-partei-die-linke-eskaliert-14735360.html
 (DIR) [4] /Linke-in-Berlin/!6044784
       
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 (DIR) Erica Zingher
       
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