# taz.de -- Fotoausstellung über NSU-Morde: Mitten im Alltag ermordet
       
       > Jahrelang hat sich die Künstlerin Regina Schmeken mit dem NSU-Komplex
       > beschäftigt. „Blutiger Boden“ in Hamburg zeigt die verstörend normalen
       > Tatorte.
       
 (IMG) Bild: Hier wurde Halit Yozgat ermordet: die Holländische Straße in Kassel
       
       Der Raum ist dunkel und farblos, Licht fällt nur auf die großformatigen
       Fotos. Man könnte sie für Aufnahmen ganz gewöhnlicher Straßen halten, aber
       die Fotos zeigen Tatorte: Schauplätze von Morden, die zwischen 2000 und
       2007 von [1][Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)]
       begangen wurden. Regina Schmeken macht diese Orte in ihrer Ausstellung
       „Blutiger Boden“ im Altonaer Museum in Hamburg sichtbar, indem sie die
       verstörende Normalität dahinter zeigt.
       
       Auch in Hamburg hat der NSU einen Menschen ermordet. Süleyman Taşköprü
       wurde am 27. Juni 2001 in seinem Lebensmittelladen in der Schützenstraße im
       Stadtteil Altona von zwei Tätern ermordet – mutmaßlich von den
       NSU-Haupttätern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
       
       Insgesamt forderte die rassistische Gewalt des NSU neun Todesopfer. Neben
       Taşköprü waren dies Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Habil Kılıç, Mehmet
       Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit
       Yozgat. Alle wurden an Orten ermordet, die ihnen vertraut waren. Der bis
       heute unaufgeklärte Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April
       2007 markierte das Ende der Mordserie.
       
       ## Die Wirklichkeit verdichten
       
       Mit ihren Schwarz-Weiß-Fotos wolle sie [2][die Wirklichkeit nicht
       nachahmen, sondern verdichten], übersetzen und darüber eine Reflexion
       erreichen, sagt Schmeken. Schwarz und Weiß seien gleichwertige Zustände,
       dazwischen lägen viele Nuancen. Kunst spiele deshalb in der
       Erinnerungskultur eine wichtige Rolle. Sie könne das Unsagbare sichtbar
       machen und helfen, die Dimension der Taten besser zu verstehen.
       
       Die Tatorte hat Schmeken von unten, vom Boden aus fotografiert. So rückt
       das scheinbar Nebensächliche in den Mittelpunkt: der Asphalt, die
       Pflastersteine, die verstörende Normalität dieser Schauplätze in unseren
       Städten. Denn die Morde fanden nicht im Verborgenen, sondern mitten im
       Alltag statt.
       
       Jedem Tatort ist ein Triptychon gewidmet, ein Dreiklang aus drei Bildern,
       die jeweils im Abstand von zwei Jahren entstanden sind: 2013 und 2015/16.
       Einige Orte haben sich im Laufe der Zeit verändert, auf manchen sind
       Gedenktafeln zu sehen, andere wirken unverändert.
       
       Die Fotos sind wie ein Fries nahtlos aneinandergereiht. Damit will Schmeken
       auf die Gemeinsamkeiten der Morde aufmerksam machen. Alle Opfer wurden
       gezielt hingerichtet, meist aus nächster Nähe durch einen Schuss in den
       Kopf.
       
       Hier setzt auch der Titel der Ausstellung an. Einerseits verweist er
       darauf, dass die Getöteten in ihrem Blut gelegen haben, als sie gefunden
       wurden. Andererseits spielt er auf die nationalsozialistische
       Blut-und-Boden-Ideologie an, der zufolge Land und Lebensraum ausschließlich
       dem „eigenen Volk“ zustehen. Auf diese Ideologie berief sich der NSU bei
       seinen Taten und rechtfertigte so die gezielte Ermordung von Menschen.
       
       ## Brücke, um sich dem Thema anzunähern
       
       Neben der Ausstellung werden in einem Erinnerungsraum die Biografien der
       Opfer präsentiert. Gerade weil die Morde bereits einige Jahre zurückliegen,
       kann dieser Raum vor allem für junge Menschen eine wichtige Brücke sein,
       die Nähe schafft und hilft, sich dem Thema des Rechtsextremismus und seiner
       Opfer vorsichtig anzunähern.
       
       Jahrelang hat sich Schmeken intensiv mit dem NSU, seinen Opfern und der
       gesellschaftlichen Dimension dieser Taten auseinandergesetzt. Das macht die
       Ausstellung besonders glaubwürdig. Sie ist sachgerecht, die Bilder sind
       nicht überinszeniert, verfälschen die Tatorte nicht.
       
       Ein Foto von der Tür des Oberlandesgerichts München, durch die Beate
       Zschäpe in den Gerichtssaal geführt wurde, die „banale und missliche“ Tür,
       so Schmeken, beschließt die Ausstellung. Doch damit ist die Geschichte
       nicht abgeschlossen. Erst kürzlich wurde bekannt, [3][dass Zschäpe in ein
       Nazi-Aussteigerprogramm aufgenommen wurde].
       
       Angehörige der Opfer und Barbara John, die Ombudsfrau der
       NSU-Opfer-Hinterbliebenen, bezweifeln jedoch, dass Zschäpe die Taten
       bereut. Im Prozess habe sie keine Reue gezeigt und bis heute keine Einsicht
       in ihre Verantwortung erkennen lassen, sagt John gegenüber der taz. Sie
       sieht ein anderes Motiv: „Mit der Aufnahme in ein Aussteigerprogramm
       bereitet Beate Zschäpe ihre vorzeitige Haftentlassung vor.“
       
       Der NSU-Komplex ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Hamburger
       Ausstellung macht deutlich, dass Erinnerung ein Auftrag an die Gegenwart
       ist.
       
       31 Oct 2025
       
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