# taz.de -- U-Boot-Deals in Kanada: Strategische Partnerschaft als Verkaufsargument
> In Kanada wirbt Verteidigungsminister Pistorius für U-Boote von TKMS.
> Dabei geht es um mehr als ein Millardengeschäft für die heimische
> Industrie.
(IMG) Bild: Bundes-verteidigungs-minister Boris Pistorius auf dem Weg zur Pressekonferenz in Ottawa am Dienstag
Ottawa taz | Der Verteidigungsminister scheut keine Mühen, um die Kanadier
im wahrsten Sinne des Wortes an Bord zu bekommen. Das Land möchte seine
veraltete U-Boot-Flotte modernisieren, und Boris Pistorius (SPD) lässt an
zwei Tagen in Ottawa kein Gespräch ungenutzt, um für ein Modell des
deutschen Herstellers Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) zu werben. Dafür
eilt er am Dienstag von einem Termin mit seinem Amtskollegen David McGuinty
und Rohstoffminister Tim Hodgson ins Parlament, wo er sich Abgeordneten des
Finanzausschusses stellt. Auch im kanadischen Fernsehen spricht er, um
seine Botschaft zu überbringen: Es geht hier nicht nur um U-Boote, sondern
um ein Mittel für eine strategische Partnerschaft.
Es sind entscheidende Wochen in einem milliardenschweren Rüstungsgeschäft.
U-Boote sind die teuersten Waffensysteme, die es gibt, und Kanada möchte in
den kommenden Jahren bis zu 12 neue kaufen. Etwa 16 Milliarden Euro nimmt
die Regierung in Ottawa dafür in die Hand. Als mögliche Hersteller hat die
Royal Canadian Navy neben TKMS das südkoreanische Unternehmen Hanwha
identifiziert. In wenigen Tagen reist Kanadas Premierminister Mark Carney
deshalb nach Südkorea. Doch bevor er das tut, bekommt er doppelten Besuch
aus Europa.
Für seine Überzeugungsarbeit in Kanada hat Pistorius einen Werbepartner
dabei. Es ist der norwegische Verteidigungsminister Tore Sandvik, dessen
Land sowohl an der Entwicklung des neuen U-Boots der Klasse 212 CD
beteiligt ist, als auch deren erster Abnehmer sein soll. „Norwegen ist ein
stolzer Partner beim Bau und ein glücklicher Kunde beim Kauf der U-Boote“,
sagte Sandvik bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Pistorius in
Ottawa.
Pistorius und Sandvik hoffen, die kanadische Seite mit dem Argument einer
trilateralen Rüstungskooperation zu einem Einstieg in das Projekt zu
überzeugen. Bereits seit 2017 arbeiten Deutschland und Norwegen gemeinsam
an dem U-Boot. Das Gerät sieht in beiden Ländern identisch aus. So sollen
die Kosten von Produktion, Wartung und Betrieb reduziert werden. Ein Teil
für die Waffensteuerung des U-Boots stammt aus Norwegen, womit auch die
dortige Rüstungsindustrie an dem Bau mitverdient.
## Morgens Börsengang, abends ein Buffet mit Austern
Mit diesem Punkt versuchen Deutschland und Norwegen auch Kanada für das
Projekt zu gewinnen – und dürften damit wohl auf offene Ohren stoßen. Denn
die neuen Zölle von Donald Trump treffen die fast vollständig auf den
US-Markt ausgerichtete kanadische Industrie hart. Die heimische Aluminium-
und Stahlindustrie fürchtet einen massiven Jobverlust. Die nationale
Beschaffungsagentur nannte Vorteile für die heimische Industrie, den
Auslieferungszeitpunkt und den Preis als den entscheidenden Dreiklang
dafür, welche Firma am Ende den Zuschlag für den U-Boot-Bau erhält.
Pistorius sagte, dass TKMS bereit sei, möglichst viele aus dem Auftrag
resultierende Jobs in Kanada anzusiedeln. Die Firma könne hier einzelne
Teile bauen oder ab einem bestimmten Zeitpunkt auch ganze U-Boote fertigen.
Auch der Betrieb einer eigenen Werft an der kanadischen Küste ist im
Gespräch. Gleichzeitig kündigte Pistorius einen Milliarden-Einkauf in
Kanada an: „Wir werden ein exzellentes Gefechtsmanagementsystem aus Kanada
für unsere gesamte Marine erwerben“, [1][sagte er in einem Interview mit
dem Sender CTV.]
Vor dem Hintergrund von Russlands Krieg gegen die Ukraine und der weltweit
angespannten Konjunkturlage ist die Waffenindustrie längst im Fokus
nationaler Industriepolitik – [2][und ein lukratives Betätigungsfeld].
Nachdem TKMS-Chef Oliver Burkhard noch am Montagmorgen in Frankfurt am Main
die Glocke zu einem fulminanten Börsenstart seines Unternehmens geläutet
hatte, tummelte er sich abends in Ottawa in der deutschen Botschaft unter
den Gästen eines Empfangs bei Austern und Roastbeef. Alle Gespräche
zwischen den hier versammelten Politiker*innen, Industrieleuten und
Militärangehörigen drehten sich um ein Thema: das mögliche U-Boot-Geschäft.
Dabei kann sich TKMS derzeit ohnehin kaum vor Aufträgen retten. Im Dezember
hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags den Bau von vier zusätzlichen
U-Booten der Klasse 212 CD für die deutsche Marine bewilligt. Damit stehen
bei TKMS bereits zehn Aufträge für den Bau dieser Kriegsgeräte in den
Büchern, sechs davon sind für Deutschland und vier für Norwegen geplant.
Das entsprechende Auftragsvolumen liegt bei etwa 18,5 Milliarden Euro, was
ein Stückpreis pro U-Boot von etwa 1,85 Milliarden Euro ergibt.
Doch diese Zahlen spiegeln nur einen Bruchteil dessen wider, wie viel Geld
ein U-Boot-Verkauf in die Kassen des Unternehmens spült. Die Einsatzdauer
der Geräte beträgt oft mehrere Jahrzehnte, womit die Werft einen großen
Teil ihrer Einkünfte über die Instandhaltung und Weiterentwicklung erzielt.
In Kiel arbeitet TKMS gerade an der Druckkammer für das erste U-Boot, das
2029 an Norwegen ausgeliefert werden soll.
## Auch Strategie hat ihren Preis
In Kanada sind diese Planungen für einige zu vage. Für Beunruhigung sorgt,
dass die ersten U-Boote der hoch angepriesenen neuen Klasse noch gar nicht
vom Stapel gelaufen sind. Die kanadische Unterwasserflotte ist so veraltet,
dass das Land aktuell nur über ein einsatzfähiges U-Boot verfügt. Kanada
besteht deshalb darauf, dass die ersten Geräte ab Mitte der 2030er Jahre
einsatzfähig sein müssen.
Pistorius bemühte sich auf Nachfrage von kanadischen Journalist*innen
bei der Pressekonferenz, die Bedenken darüber zu zerstreuen, dass Südkorea
schneller liefern könnte als KTMS. Die Pläne in Deutschland „liegen im
Zeitplan“, sagt er. „Wir können ein sehr gutes U-Boot liefern,
einschließlich einer Tarnkappen-Funktion, die das südkoreanische Modell
nicht bietet.“
Dabei könnte das südkoreanische Modell zwar günstiger sein. Doch die
Minister aus Deutschland und Norwegen wurden nicht müde, die strategischen
Vorteile einer Rüstungskooperation zu betonen, die Kanada aus einem
gemeinsamen Geschäft ziehen würde.
Hierbei setzten Deutschland, Norwegen und Kanada gemeinsam mit Dänemark auf
eine maritime Partnerschaft, die auch das strategische Fundament für das
Lobbying für das Rüstungsprojekt bietet. Ziel dieser Partnerschaft soll
sein, in der Arktis die Präsenz zu erhöhen, etwa mit gemeinsamen Übungen.
„Wir können die U-Boote gemeinsam instand halten“, sagte Norwegens
Verteidigungsminister Sandvik in Ottawa. „Aber wir können auch gemeinsam
trainieren und gemeinsame Besatzungen stellen.“
Kanada sieht sich in der Arktis mit einer russischen und zunehmenden
chinesischen Präsenz konfrontiert. Es ist nicht lange her, dass Trump im
Weißen Haus zudem die Eigenständigkeit des Landes infrage stellte. Da
könnte das Angebot, das nicht nur eine Waffe, sondern auch eine tiefere
militärische Partnerschaft in Aussicht stellt, genau zur richtigen Zeit
kommen. Es heißt, dass schon bis Ende des Jahres eine Entscheidung fallen
könnte.
22 Oct 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.ctvnews.ca/video/2025/10/21/german-and-norwegian-defence-ministers-say-submarine-project-better-if-canada-is-on-board/
(DIR) [2] /Boersenstart-der-Marinesparte-von-Thyssen/!6121880
## AUTOREN
(DIR) Cem-Odos Gueler
## TAGS
(DIR) Boris Pistorius
(DIR) Rüstungsexporte
(DIR) Kanada
(DIR) Rüstungsexporte
(DIR) GNS
(DIR) ThyssenKrupp
(DIR) Bundeswehr
(DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
(DIR) Israel
(DIR) Rüstung
(DIR) Rüstungsexporte
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Rüstungsindustrie im Aufwind: U-Boot-Boom füllt Auftragsbücher
Der von Thyssenkrupp abgespaltene Marineschiffbauer TKMS profitiert von der
Aufrüstung: Der Auftragseingang ist sechsmal so hoch wie im Vorjahr.
(DIR) Neuer Wehrdienst: Losverfahren steht vor dem Aus
In der Union rücken Verteidigungspolitiker*innen von der
Wehrdienstlotterie ab. Zuvor hatte auch Deutschlands oberster General
Einspruch erhoben.
(DIR) +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Tote bei Angriff auf Ukraine
Die Ukraine kämpft mit Stromausfällen nach russischen Angriffen. Ein
mögliches Treffen zwischen Trump und Putin ist wohl auf Eis gelegt.
(DIR) Neue Genehmigungen: Rüstungsexporte für knapp 2,5 Millionen nach Israel
Im August hatte Kanzler Merz die Ausfuhren teilweise gestoppt. Inzwischen
werden wieder Genehmigungen erteilt.
(DIR) Genehmigungen der Bundesregierung: Rekord bei Rüstungsausfuhren
2024 hat der Bund laut „Politico“ Rüstungsexporte im Wert von fast 13
Milliarden Euro erlaubt. Zuwächse gibt es vor allem bei Ländern wie der
Ukraine.
(DIR) Rüstungsexporte nach Israel: Eine lange Liste an Lieferungen
Deutschland hat seit dem 7. Oktober Waffenexporte im Wert von 485 Millionen
Euro nach Israel genehmigt. Die Ausfuhren betreffen fast alle Gattungen.