# taz.de -- Erfolgreicher Volksentscheid in Hamburg: Klimaschutz doch nicht unpopulär
       
       > Die Hamburger haben am Sonntag entschieden, mit dem Klimaschutz früher
       > Ernst zu machen. Einen Modellversuch zum Grundeinkommen lehnten sie
       > dagegen ab.
       
 (IMG) Bild: Der Name der Party-Location ist Programm: Klima-Bewegte jubeln im Café „Schöne Aussichten“
       
       Hamburg taz | Die Hamburger Bevölkerung hat sich am Sonntag für einen
       ambitionierteren Kurs beim Klimaschutz ausgesprochen. 53 Prozent der
       abgegebenen Stimmen lauteten auf Ja für den sogenannten „Zukunftsentscheid,
       47 Prozent auf Nein – bei einer Abstimmungsbeteiligung von knapp 44
       Prozent.
       
       Bei der parallel stattfindenden Volksabstimmung für den Test eines
       bedingungslosen Grundeinkommens mussten die Initiatoren eine Niederlage
       einstecken: 62,5 Prozent der Stimmen lauteten auf Nein, 37,5 Prozent auf
       Ja.
       
       Beim Zukunftsentscheid ging es um eine [1][Verschärfung des geltenden
       Hamburger Klimaschutzgesetzes]. Der [2][Gesetzentwurf der Volksinitiative]
       sieht vor, das Zieldatum für Klimaneutralität um fünf Jahre vorzuziehen –
       von 2045 auf 2040.
       
       ## Verbindliche Zwischenziele
       
       Darüber hinaus soll ein linearer Reduktionspfad für CO2 mit jährlichen
       Zwischenzielen festgelegt werden. Diese werden überprüft, bei
       Nichteinhaltung muss der Senat handeln. Über- oder Untererfüllungen von
       Zwischenzielen können über fünf Jahre verrechnet werden. Im bestehenden
       Gesetz ist nur ein Zwischenziel – minus 70 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 –
       festgelegt.
       
       Der Gesetzentwurf der Initiative sieht überdies vor, den Klimaschutz
       verpflichtend sozialverträglich zu gestalten. Im heutigen Gesetz ist nur
       vom Prinzip der Sozialverträglichkeit die Rede.
       
       Gegen die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes [3][hatte im Vorfeld neben
       CDU und SPD eine ganze Riege von Verbänden argumentiert] – allen voran die
       Wohnungswirtschaft, die vor schneller steigenden und höheren Mieten warnte,
       während der Mieterverein zu Hamburg das als Panikmache bewertete.
       Industrievertreter warnten vor einer Überforderung – obwohl sich die
       Unternehmen via Handelskammer selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2040
       gesetzt hatten.
       
       „Hamburg ist ab jetzt das einzige Bundesland, dessen Menschen sich ihr
       Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben“, kommentierten die Initiatoren des
       Zukunftsentscheids ihren Erfolg. „Weil sie sich entschieden haben, nicht
       länger untätig zusehen zu wollen, sondern die notwendigen Maßnahmen
       anzugehen.“ Jetzt werde Hamburgs Klimapolitik sozial, planbar und
       verantwortungsbewusst.
       
       ## SPD warnt vor „erheblichen Anstregungen“
       
       Die SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland versicherten,
       sie respektierten das Ergebnis des Volksentscheides, warnten aber, „dass
       damit erhebliche Anstrengungen auf Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft
       und die Stadt zukommen werden“. Bei der Umsetzung müssten offene Fragen
       geklärt werden, „insbesondere, was unter einer sozialverträglichen
       Umsetzung zu verstehen ist“.
       
       Rosa Domm vom Koalitionspartner, den Grünen, wollte mehr Chancen als
       Risiken im Ausgang des Zukunftsentscheids erkennen. „Die
       Hamburger*innen haben heute ein Zeichen gesetzt, das weit über die
       Stadtgrenzen hinausgeht“, kommentierte die Fachsprecherin und
       stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „In Zeiten, in denen Klimaschutz in
       vielen Teilen der Welt infrage gestellt wird, hat Hamburg gezeigt: Diese
       Stadt lässt nicht locker – sie will vorangehen.“
       
       CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach demgegenüber von einem bitteren Tag
       für Hamburg. Drastisch steigende Mieten, Jobverluste, Fahr- und
       Heizungsverbote würden die Folge sein. Die oppositionelle CDU habe
       frühzeitig davor gewarnt und versucht, die regierende SPD zu einem
       „gemeinsamen Kraftakt gegen diesen gefährlichen Vorschlag zu bewegen“. Doch
       das Angebot sei viel zu lang unbeantwortet geblieben. „Insbesondere
       Bürgermeister Peter Tschentscher und die SPD haben diesen Volksentscheid
       vollkommen unterschätzt.“
       
       ## Wirtschaft besorgt, aber „konstruktiv“
       
       Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen,
       der vor allem Genossenschaften und kommunale Unternehmen vertritt, zeigte
       sich enttäuscht vom Ergebnis des Zukunftsentscheids: „Ich habe Sorge, dass
       sich der Erfolg der Initiatoren als Scheinsieg herausstellen wird.“ Die im
       Verband organisierten Unternehmen würden jetzt prüfen und gegebenenfalls
       ihre Planungen überarbeiten.
       
       Das Vorziehen von Klimaneutralität werde vor allem für Menschen mit
       mittlerem und geringem Einkommen eine große finanzielle Belastung werden,
       warnte der VNW-Direktor. Zu glauben, dass die Stadt die immensen
       Mehrbelastungen einfach „Wegfördern“ könne oder dass am Ende die Vermieter
       diese allein tragen würden, sei ein Irrglaube.
       
       Handelskammer-Präses Norbert Aust versicherte, die Wirtschaft werde sich
       konstruktiv einbringen. Mit verschiedenen Initiativen zeige sie „bereits
       heute, wie ambitionierter, marktwirtschaftlich getragener Klimaschutz
       funktionieren kann“. Die nun beschlossenen starren Vorgaben, bürokratischen
       Gremien und jährlich drohenden Sofortprogramme außerhalb parlamentarischer
       Kontrolle seien aber der falsche Weg.
       
       ## Nur ein Drittel für das Grundeinkommen
       
       Die zweite Initiative, [4][Hamburg testet Grundeinkommen], setzte sich für
       einen Modellversuch ein. 2.000 repräsentativ ausgewählte Hamburger in einem
       oder mehreren Quartieren sollten ein bedingungsloses Grundeinkommen von
       1.346 Euro bekommen, dazu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die
       Summe sollte zu einem bestimmten Schlüssel mit dem jeweils verfügbaren
       Einkommen verrechnet werden – je höher das Einkommen, desto geringer der
       Zuschuss.
       
       Der Test sollte über drei Jahre laufen, verschiedene Modelle untersuchen
       und wissenschaftlich begleitet werden. Die Initiative begründete ihn mit
       positiven Erfahrungen bisheriger Versuche und damit, dass er der erste
       staatlich finanzierte und demokratisch beschlossene Test in Deutschland
       gewesen wäre.
       
       Laura Brämswig von [5][Hamburg testet Grundeinkommen] kommentierte, sie
       habe den Vorab-Umfragen zufolge mit einem knapperen Ergebnis gerechnet.
       Dass deutlich mehr als ein Drittel der Stimmen für das Grundeinkommen
       abgegeben wurden, betrachtet sie dennoch als ermutigend: „Das zeigt, dass
       das [6][Grundeinkommen kein Nischenthema mehr] ist.“
       
       Allein die Kampagne hatte ihrer Einschätzung nach jedoch schon große
       Strahlkraft. „Wir konnten sehr viel Bildungsarbeit zum Thema Grundeinkommen
       machen“, sagt Brämswig. Zugleich seien sie und ihre Mitstreiter froh, dazu
       beigetragen zu haben, dass der Zukunftsentscheid das notwendige
       Beteiligungsquorum erreichen konnte.
       
       „Wir halten die Entscheidung für richtig“, kommentierten die
       SPD-Vorsitzenden Leonhard und Weiland die Ablehnung des Modellversuchs.
       Hamburg stehe vor großen Zukunftsaufgaben und investiere Rekordsummen in
       Infrastruktur, Bildung, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. „Es ist
       daher vernünftig, auf ein teures Experiment ohne klaren Mehrwert zu
       verzichten“, finden die SPD-Chefs.
       
       12 Oct 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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