# taz.de -- Politologe über Politik in Tschechien: „Keine prorussische Wende“
       
       > Die Wähler von Andrej Babiš in Tschechien handelten nicht aus EU-Skepsis,
       > sagt Vít Dostál. Im Gespräch verrät er, welche Sorgen er trotzdem hat.
       
 (IMG) Bild: Der Vorsitzende der ANO-Partei, Andrej Babiš, feiert in Prag, am 4. Oktober 2025
       
       taz: Herr Dostál, [1][Andrej Babiš hat mit seiner rechtspopulistischen ANO
       die Parlamentswahlen in Tschechien klar gewonnen.] Warum? 
       
       Vít Dostál: Seine Wähler trieben sozioökonomische Motive an, nicht
       EU-Skepsis. In den letzten vier Jahren stagnierten die Reallöhne im Land
       bei gleichzeitig hoher Inflation, steigenden Energiepreisen und einer
       Wohnungskrise. Viele Menschen erinnerten sich vor der Wahl, dass es ihnen
       unter Babiš’ erster Amtszeit von 2017 bis 2021 wirtschaftlich besser ging.
       Besonders Wechselwähler und Beschäftigte im öffentlichen Dienst – Lehrer,
       Polizisten, Ärzte – kamen zu dem Schluss, dass sie mit ihm besser fahren.
       
       taz: Wie beurteilen Sie das Abschneiden der Links- und Rechtsradikalen? 
       
       Dostál: Die Parteien an den Rändern haben viel schlechter abgeschnitten als
       erwartet. Zusammen kommen sie auf weniger als 20 Prozent. Mit Blick auf
       andere Länder, auch Deutschland, ist das ein guter Wert. Die
       kommunistisch-nationalistische Stačilo!, die einen Austritt aus EU und Nato
       fordert, verfehlte gar den Einzug ins Parlament. ANO ist zwar eine
       populistische Partei, aber sie will nicht das System sprengen.
       
       taz: Wie könnte die neue Regierung aussehen? 
       
       Dostál: Klar ist: ANO wird definitiv regieren. Babiš kündigte bereits eine
       Minderheitsregierung mit Unterstützung der rechtsradikalen SPD und der
       Motoristen-Partei an. Die Motoristen müssen überlegen, ob sie ihre
       Protestattraktion bewahren oder riskieren wollen, von Babiš vereinnahmt zu
       werden. Denn bisher endeten alle Koalitionspartner entweder außerhalb des
       Parlaments oder stark geschwächt.
       
       taz: Welche Rolle spielt [2][Präsident Petr Pavel] nun? 
       
       Dostál: Eine sehr wichtige. Er signalisierte, dass er niemanden ernennt,
       der gegen Nato oder EU ist. Gegen Babiš hegt er zudem weitere Vorbehalte.
       Die starke Fragmentierung des Parlaments erschwert stabile
       Regierungsarbeit. Deshalb werden Präsident und Senat mehr Einfluss
       gewinnen. Scheitert die Regierung, könnten vorgezogene Neuwahlen folgen.
       
       taz: Was ist von Babiš außenpolitisch zu erwarten? 
       
       Dostál: Er ist kein prinzipieller EU-Gegner und hat nicht vor, sie
       absichtlich zu sabotieren. Bei der Klimapolitik könnte er aus
       innenpolitischen Gründen Widerstand leisten. Entscheidend werden jene sein,
       die mit ihm zusammenarbeiten: Eine Kooperation mit Rechtsradikalen würde
       westeuropäische Staatschefs abschrecken. Eine mit Mainstream-Parteien wäre
       handhabbarer.
       
       taz: Was ist seine Position bezüglich [3][der Ukraine]? 
       
       Dostál: ANO ist zwar eine populistische Partei, aber Teil des Systems. Sie
       ist keine Partei, die alles auf den Kopf stellen will. Ich würde keine
       prorussische Wende erwarten. Auch die Motoristen haben in einer der
       Wahldebatten klar die tschechische Munitionsinitiative für die Ukraine
       unterstützt.
       
       taz: Wie blicken Sie auf die langfristige Zukunft? 
       
       Dostál: Meine Sorge ist fehlende inhaltliche Kompetenz, wenn die Populisten
       regieren. Die bisherige Koalition war außenpolitisch solide, aber
       innenpolitisch schwach. Viele fühlten sich zurückgelassen. Wenn die neue
       Regierung bei den großen Krisen unserer Zeit, von Wettbewerbsfähigkeit bis
       Sicherheit, scheitert, könnten viele zu den Extremisten wechseln. Das ist
       meine größte Befürchtung.
       
       5 Oct 2025
       
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