# taz.de -- Debatte über Machtstrukturen gefordert: Kunst in Osnabrück streng begrenzt
       
       > Kulturschaffende aus ganz Deutschland wollen Absetzung des Stücks „Ödipus
       > Exzellenz“ an Osnabrücks Theater nicht hinnehmen und appellieren an
       > Politik.
       
 (IMG) Bild: Aus einer Probe zur Inszenierung „Ödipus Exzellenz“: Kam nicht zur Aufführung
       
       Osnabrück taz | Mit einem Offenen Brief haben 600 Kulturschaffende aus ganz
       Deutschland eine politische Debatte über die Entscheidungs- und
       Arbeitsstrukturen am Osnabrücker Theater gefordert. „Nur so lässt sich
       weiterer Schaden vom Theater und dem Kulturstandort Osnabrück abwenden“,
       heißt es in dem Schreiben, das am Montagabend veröffentlicht wurde. Damit
       erreicht die Auseinandersetzung um den Intendanten Ulrich Mokrusch eine
       neue Stufe – und weist zugleich politisch über den Auslöser hinaus.
       
       Ende August [1][hätte die Inszenierung „Ödipus Exzellenz“ die Spielzeit des
       Hauses eröffnen sollen]. Aber das Team um Regisseur Lorenz Nolting und
       Dramaturgin Sofie Boiten wollte in seiner Adaption des antiken
       Schuld-Stoffs auch die sexualisierte Gewalt thematisieren, vor der das
       Bistum Osnabrück jahrzehntelang die Augen verschlossen hatte. [2][Erst
       2024] hatte die Universität Osnabrück den [3][Abschlussbericht ihres
       Forschungsprojekts] „Betroffene, Beschuldigte, Kirchenleitung.
       Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen sowie schutz- und hilfebedürftigen
       Erwachsenen durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945“ vorgelegt.
       
       Auch die Reinszenierung eines Gottesdienstes hatten Nolting und Boiten
       vorgesehen. Sie wollten zeigen, wie die Liturgie von den Tätern missbraucht
       wurde, um ihre Taten zu rechtfertigen. Doch das fand Mokrusch
       problematisch. Er entließ das Team, cancelte das Projekt wegen
       „unüberbrückbarer Differenzen“, ließ das Bühnenbild entsorgen. Osnabrücks
       Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) unterstützte ihn dabei: „Kunst
       darf zur Diskussion anregen, aber es hat eben auch alles seine Grenzen“,
       sagte sie in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“. Die Stadt ist Eigentümerin des
       Theaters.
       
       ## Intendant stoppt die Inszenierung
       
       Es folgten Proteste, inklusive einer Demo und Diskussion auf dem
       Theatervorplatz. Banner wie „Kunstfreiheit statt Kirchenlobbyismus!“ waren
       zu sehen, Plakate wie „Kein Publikum braucht Schutz vor der Kunst“. Auch
       [4][Karl Haucke, Betroffener sexualisierter Klerikal-Gewalt] und beteiligt
       an „Ödipus Exzellenz“, kam zu Wort.
       
       Montag hat dann die lokale „Arbeitsgruppe Strukturwandel Kunst und Kultur“
       einen Brief an Pötter, die Vorsitzenden der Fraktionen des Osnabrücker Rats
       und alle Ratsmitglieder veröffentlicht, unterzeichnet von 617 Kunst- und
       Kulturschaffenden. Auch Ensemblemitglieder des Theaters Osnabrück sind
       darunter und riskieren damit ihren Job.
       
       Sie sprechen in dem Brief von einem „Skandal“ und gehen hart mit dem
       Theater ins Gericht: „Eine Demokratisierung dieser Institution ist dringend
       notwendig.“ Das Theater gehöre „nicht der Intendanz allein“. Sie sei zwar
       die künstlerische Leitung, aber „ebenso für die Bewahrung der Kunstfreiheit
       verantwortlich“.
       
       ## Appell an die politisch Verantwortlichen
       
       Man wolle eine „ernsthafte Auseinandersetzung mit den Strukturen, die hier
       versagt haben“ und „ein Gespräch anstoßen über neue Formen der
       Zusammenarbeit, der Beteiligung und Verantwortlichkeit“. Weiter heißt es an
       die politisch Verantwortlichen gerichtet: „Sie tragen Verantwortung dafür,
       dass die Integrität künstlerischer Vorhaben geschützt wird, potenziell
       kontroversen Themen in der Öffentlichkeit Raum gegeben wird und autoritäre
       Gesten nicht das letzte Wort behalten“.
       
       „Leider ist bisher von den Verantwortlichen wenig zurückgekommen“, sagt
       Elisabeth Lumme der taz, eine der Initiatorinnen der Arbeitsgruppe. Lummen
       ist Osnabrücker Künstlerin, Kulturmanagerin und Vorsitzende des Vereins
       „Kunstraum hase29 – Gesellschaft für zeitgenössische Kunst Osnabrück“. „Es
       geht ja nicht darum, Mokrusch zu feuern“, sagt sie. „Es geht um eine
       öffentliche Debatte.“ Mit „Ödipus Exzellenz“ sei die Chance vertan worden,
       das Thema Klerikal-Missbrauch einem breiten Publikum bewusst zu machen.
       „Einen Abschlussbericht wie den der Universität Osnabrück lesen ja nicht so
       viele.“ Es gehe darum, „das Schweigen zu brechen“, sagt Lumme. Das
       Gegenteil sei geschehen.
       
       In einer Stellungnahme von Osnabrücks Kulturdezernent Wolfgang Beckermann,
       Brigitte Neumann (CDU) und Heiko Schlatermund (SPD), Vorsitzende des
       Aufsichtsrates des Theaters, heißt es, nach der Absetzung des Stücks finde
       am Theater eine „interne Aufarbeitung“ statt. „Der Prozess ist in vollem
       Gange.“ Man sehe in der Absetzung „weder einen Skandal noch einen Eingriff
       in die Kunstfreiheit“. Durch immer neue Debattenanstöße werde das Theater
       „insgesamt in Misskredit gebracht“. Das Theater leiste unter Mokrusch
       „Großartiges“.
       
       „Das hört sich wie eine Gesprächsverweigerung an“, sagt Lumme. „Offenbar
       ist es nicht die Absetzung des Stücks, die dem Theater Schaden zufügt,
       sondern die Kritik daran? Seltsame Sicht.“
       
       7 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Keine-Inszenierung-zum-Thema-Missbrauch-/!6103110
 (DIR) [2] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5887089
 (DIR) [3] https://www.s-gewalt.uni-osnabrueck.de/fileadmin/documents/public/PDFs/Abschlussbericht/Abschlussbericht_Gesamtdokument.pdf
 (DIR) [4] /Sexualisierte-Gewalt-im-Bistum-Osnabrueck/!6037079
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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