# taz.de -- Göttinger Zukunftswerkstatt gekündigt: Agentur des Bundes killt Haus der Kulturen
       
       > Immobiliengesellschaft kündigt Trägerverein fristlos und verweist auf
       > Bau- und Bandschutzmängel. Heute Demo bei der Schlüsselübergabe.
       
 (IMG) Bild: Mit Graffiti verschönert: Haus der Kulturen in Göttingen
       
       Das Göttinger Haus der Kulturen steht vor dem Aus. Der Besitzer des
       Gebäudes, die [1][Bundesanstalt für Immobilienaufgaben] (Bima), hat dem
       Trägerverein Zukunftswerkstatt fristlos gekündigt. Das Haus sollte bis zum
       heutigen Montag geräumt, alle Mitnutzer sollten ausgezogen sein, heißt es
       in dem Kündigungsschreiben vom 30. September.
       
       Das Haus der Kulturen (HdK) ist in der migrantischen und alternativen Szene
       Göttingens die Top-Adresse. 1996 mieteten einige Engagierte aus
       Flüchtlingsinitiativen eine leerstehende Halle in der Weststadt von der
       BRD.
       
       Seit nunmehr fast 30 Jahren laufen im HdK Sprach- und
       [2][Integrationskurse], teils werden sie vom Bundesamt für Migration und
       Flüchtlinge gefördert. Rechtsberatungen und Workshops werden angeboten,
       Ferienprogramme für Jugendliche und Konzerte. Es gibt eine
       Fahrradwerkstatt, Internet, Tischtennisplatten, einen Kicker und
       kostengünstige Getränke.
       
       Mehrere Initiativen haben hier Büros und der große Saal im Erdgeschoss ist
       eine beliebte Location für Partys und andere Veranstaltungen. „Wir schaffen
       Freiräume für Menschen, die Ideen haben und einen Ort dafür brauchen“, sagt
       der HdK-Trägerverein. Im Haus der Kulturen träfen sich viele Gruppen, die
       keine eigenen Räume haben.
       
       ## Angeblich unerlaubte Umbauten
       
       Die dem Bundesfinanzministerium unterstellte Bima soll bundeseigene
       Liegenschaften möglichst wirtschaftlich verwalten, verwerten und auch
       veräußern. Sie begründet die Kündigung mit angeblich nicht eingehaltenen
       Vorgaben für ein Brandschutzkonzept und vermeintlich eigenmächtig
       vorgenommenen Änderungen an der Inneneinrichtung. Zudem sollen Fluchtwege
       teils zu schmal und zu unsicher sein.
       
       Die Mieter hätten „durch von Ihnen durchgeführten Maßnahmen einen Zustand
       des Gebäudes geschaffen, der bauordnungsrechtlich rechtswidrig ist“,
       moniert die Bima, und durch das Unterlassen, etwaige Mängel zu beseitigen,
       gegen Ihre Verpflichtung zur Instandhaltung der Immobilie verstoßen.
       
       Die Zukunftswerkstatt widerspricht: Der Verein habe alle Auflagen
       eingehalten, regelmäßig in das Gebäude investiert und es instandgehalten.
       Auch die im Kündigungsschreiben angemahnten Maßnahmen würden bereits
       umgesetzt. Ein unabhängiges Brandgutachten sei in Auftrag gegeben, und der
       Verein habe Angebote für zusätzliche Feuermelder eingeholt.
       
       „Jetzt eine sofortige Räumung innerhalb weniger Tage zu verlangen, ist
       sachlich nicht begründbar und steht in keinem Verhältnis zu den bestehenden
       Gegebenheiten“, sagt Vereinsvorstand Khosrow Djahangiri. Die Kündigung sei
       „schwer nachvollziehbar und nicht gerechtfertigt“.
       
       Zahlreiche Initiativen, Künstler:innen und Politiker:innen stellten
       sich hinter das Projekt. „Die fristlose Kündigung ist für alle ein Schock,
       die sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Haus der Kulturen engagieren“,
       erklärte Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt. „Für die
       Migrations- und Integrationsarbeit in der ganzen Region wäre das eine echte
       Katastrophe.“ Die Kündigung bedrohe den Verein Zukunftswerkstatt in seiner
       Existenz.
       
       Broistedt fügte an, sie habe die Bima „dringlichst gebeten, von der
       ausgesprochenen Kündigung abzusehen und eine Lösung im Sinne des Vereins zu
       suchen oder ihm und allen in dem Haus tätigen Initiativen alternative
       Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen“.
       
       Die Linke im Kreis Göttingen bezweifelt, dass es der Bima nur um
       Brandschutz geht. „Wir fragen uns, was mit dem Gelände wirklich geplant ist
       und stellen uns mit den Betroffenen zusammen gegen die Räumung“, erklärte
       Kreis-Sprecherin Lisa Zumbrock.
       
       Die Göttinger Grünen thematisieren das drohende Aus für das Haus der
       Kulturen auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken: Die fristlose
       Kündigung bedrohe die Existenz eines der wichtigsten Orte [3][kultureller
       Vielfalt] in Göttingen – eines Ortes, „an dem Begegnung, Austausch und
       Zusammenhalt gelebt und vermittelt werden“. Viele Initiativen und
       Einzelpersonen haben angekündigt, sich an diesem Montagvormittag [4][vor
       dem Haus der Kulturen] zu versammeln und für dessen Erhaltung zu
       demonstrieren.
       
       19 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neuer-Wohnraum-fuer-Azubis-in-Hamburg/!6078072
 (DIR) [2] /So-koennte-eine-humane-Fluchtpolitik-aussehen/!6104483
 (DIR) [3] /Singapurs-Integrationskonzept-/!6112566
 (DIR) [4] https://www.hausderkulturen.org/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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