# taz.de -- Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: Kein Protest gegen Schwarz-Rot
       
       > Man sollte Kommunalwahlen nicht zu bundesweiten Stimmungstests
       > stilisieren, auch nicht dramatisieren. Fünf Überlegungen zur Kommunalwahl
       > in NRW.
       
 (IMG) Bild: Im Dauerlächelmodus: CDU-Ministerpäsident Hendrik Wüst
       
       Eine Kommunalwahl ist eine Kommunalwahl ist eine Kommunalwahl. Das Publikum
       wählt eher Personen als Parteien. Oft ist die Beteiligung geringer als bei
       nationalen Wahlen. Deshalb ist bei zackigen Großraumdeutungen wie „Die AfD
       siegt, weil die SPD zu woke geworden ist“ oder „Diese Kommunalwahl ist ein
       Desaster für Schwarz-Rot“ erst einmal Vorsicht angesagt.
       
       Bei der [1][Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen] am Sonntag gibt es aber
       ein paar Botschaften, die man entziffern kann.
       
       Erstens: Die Wahlbeteiligung war hoch, sogar ein paar Prozentpunkte mehr
       als bei der Landtagswahl 2022. Es gibt eine Politisierung von rechts. Die
       AfD hat im nördlichen Ruhrgebiet, wo sozialer Abstieg und Armutsmigration
       eine toxische Mischung ergeben, neue Hochburgen. Aber die AfD liegt auch in
       gutbürgerlichen Gegenden jetzt bei über zehn Prozent.
       
       Allerdings zeigt die hohe Wahlbeteiligung auch: Es gibt eine
       funktionierende Gegenmobilisierung. Das werden auch die Stichwahlen in
       Duisburg und Gelsenkirchen zeigen, wo die SPD-KandidatInnen die AfD
       höchstwahrscheinlich mit Unterstützung von CDU bis Linkspartei schlagen
       werden. Der [2][Erfolg der AfD] zeigt aber auch: Dämonisierung und
       Moralisierung, auf die vor allem die SPD gesetzt hat, sind unbrauchbare
       Mittel gegen die Rechten.
       
       Zweitens: Alle Jahre wieder wird das Lied vom Niedergang der Arbeiterpartei
       SPD in ihrer Herzkammer angestimmt. Das ist nicht ganz falsch, hat aber
       eine ideologische Schlagseite. Die SPD sei zu links, deshalb fern von den
       Arbeitern. Nun kann man mit Arbeitern (ungefähr 15 Prozent der
       Beschäftigten) eher keine Wahlen gewinnen. Essen, Mülheim und Gelsenkirchen
       wurden schon vor Jahrzehnten von der CDU regiert, weil den
       Stadtgesellschaften der rote Filz zu dicht war.
       
       Die Schwäche der SPD hat langwellige, strukturelle Gründe. Die einst
       stabile sozialdemokratische Lebenswelt im Ruhrgebiet von AWO,
       Stadtverwaltung, Gewerkschaften ist schon lange in Auflösung begriffen. Der
       Niedergang der SPD zwischen Duisburg und Unna ist ein Echo des weit
       fortgeschrittenen Niedergangs der Schwerindustrie.
       
       Hinzu kommt eine ziemlich trostlose Landespartei, die sich lange intensiv
       in kryptischen Personalquerelen verhakte, die mit dem Abgang von Thomas
       Kutschaty einen traurigen Tiefpunkt erreichten. Jetzt verwaltet ein blasses
       Spitzentrio die Partei. Dafür sind 22 Prozent gar nicht mal so übel.
       
       Drittens: Dass CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst den ganzen Wahlabend sein
       Grinsen nicht abstellen mochte, hat gute Gründe. Die [3][CDU ist stabil die
       führende Partei] zwischen Aachen und Münster. Schwarz-Grün ist
       zeitgeistmäßig nicht gerade die angesagte Koalition, schadet aber offenbar
       der CDU nicht. Wüst verkörpert die mittlere Mitte, pragmatisch und smart.
       Er ist kein Brausekopf wie Kanzler Friedrich Merz, der seine Tage damit
       verbringt, donnernde Ansagen wieder zurückzunehmen und mit seinem
       Wackelkurs die AfD groß gemacht hat. Wüst ist die Machtoption der Union,
       wenn Merz scheitert.
       
       Viertens: Die Linkspartei hat mit knapp sechs Prozent für ihre Verhältnisse
       sehr gut abgeschnitten, trotzdem weniger blendend als erwartet. Die
       Linkspartei hat (die SPD ist blass vor Neid) viele junge Aktive und viel
       junge WählerInnen. Aber es gibt leider nicht so viele junge WählerInnen.
       Und: Der Linkspartei ist es nicht gelungen, in den ärmeren Stadtvierteln im
       Ruhrgebiet als Protestkonkurrenz der AfD wahrgenommen zu werden.
       
       Fünftens: Ist das jetzt das viel beschworene Warnsignal nach Berlin?
       Vorbote des Kollapses der Regierung, gar des politischen Systems? Fast 75
       Prozent haben bei den klassischen Mitte-Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP
       ihr Kreuz gemacht. Die WählerInnen haben ziemlich ähnlich wie bei der
       Bundestagswahl votiert. Auch wenn es unspektakulär klingt: Diese Wahl war
       kein wütender Protest gegen Schwarz-Rot.
       
       15 Sep 2025
       
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