# taz.de -- Verteidigung der Soccer Mom: Vom Glück, am Wochenende an Spielfeldrändern rumzustehen
> Fußballplätze, Filterkaffee und Spaß dabei? Unsere Autorin hätte sich das
> früher auch nicht vorstellen können. Heute ist sie sehr gerne Soccer Mom.
(IMG) Bild: Fussballkinder in Berlin: Wer zu den Spielen kommt, wird mit einem Stück Himmel belohnt
Wenn ich erzähle, dass meine beiden Kinder [1][Fußball spielen], ernte ich
meist mitleidige Blicke: Eine Soccer Mom? Die Ärmste. Statt samstags
auszuschlafen muss sie Woche für Woche auf irgendwelchen Fußballplätzen
stehen, bei Wind und Wetter. Sie opfert ihre wenige Freizeit, nur damit die
Kinder ihrem Hobby nachgehen können. Ihre eigenen Interessen stellt sie
dafür selbstlos zurück. Wenn sie denn überhaupt noch eigene Hobbys hat.
Nun muss man wissen, dass die Kinder längst groß genug sind, um mit Rad,
Bus oder Bahn alleine zu ihren Spielen zu fahren, was sie auch tun.
Trotzdem stehe ich jetzt, zur neuen Saison, wieder regelmäßig am
Spielfeldrand. Hätte mir das jemand vor 15 Jahren erzählt, ich hätte es
wahrscheinlich selbst kaum glauben können, aber ja: Ich bin total gerne
Soccer Mom.
Die meisten Partien sind wirklich spannend. Ich habe viele der
Spieler*innen aufwachsen sehen, da fiebert man bei einer Chance
natürlich mit. Liegt das eigene Team vorne, zählen wir am Spielfeldrand die
Minuten bis zum Abpfiff. Liegt die Mannschaft zurück, hoffen wir auf einen
Befreiungsschlag.
Das ist so ein Elternding, werden jetzt manche denken. Stimmt sicherlich.
Aber ich mag auch das Drumherum. Wer zu den Spielen kommt, wird mit einem
Stück Himmel belohnt, und das ist ganz wörtlich gemeint. Fußballplätze sind
Lücken in der Stadt, über dem Rasen weitet sich der Blick. Da steht man
dann, verfolgt das Geschehen auf dem Feld, die Morgensonne im Gesicht.
Okay, manchmal auch Nieselregen oder Schnee. Aber man ist immer an der
frischen Luft. Und einen Plastikbecher mit Filterkaffee gibt es meistens
auch.
Das fühlt sich sehr lebendig an. Man kommt raus. Und rum. Warum sollte ich
in Stadtteile wie Kladow oder Mahlsdorf fahren, wenn nicht zu einem
Auswärtsspiel? Manche Ecken Berlins habe ich durch den Fußball überhaupt
erst kennengelernt.
Dann sind da noch die anderen Eltern. Man könnte meinen, in einer Großstadt
begegnet man automatisch den unterschiedlichsten Menschen, aber meistens
lebt man doch nur aneinander vorbei. Weder im Job noch im Freundeskreis
mischen sich die Milieus wirklich. Anders beim Fußball. Bildungsgrad?
Herkunft? Egal. Man muss sich nicht verabreden und trifft sich trotzdem
immer wieder. Nach all den Jahren kennt man sich, bei einigen weiß man von
Höhen und Tiefen. Im Zweifel stehen wir aber auch einfach nur nebeneinander
und unterhalten uns über das Spiel. Zwangloser können Smalltalks kaum sein.
Eines der schönsten Soccer-Mom-Erlebnisse hatte ich bei einem Heimspiel.
Das Team der Tochter trat gegen [2][Union Berlin] an, also gegen einen
Verein, der es wirklich ernst meint mit Training, Leistung, Ehrgeiz. Alles
ganz wichtig! Unsere Mannschaft schaffte ein 1:0, es fiel der Ausgleich.
Dann geschah das Unwahrscheinliche: Unser Team legte noch mal nach, 2:1
Endstand. Was für ein Triumph! Vollständig bekleidet liefen die Mädchen
unter die Dusche, dann mit Musikbox auf den Platz, pitschnass drehten sie
eine Ehrenrunde, und wieder ging es mit Klamotten unter die Dusche. Ein
Glücksmoment, für Kinder und Eltern.
Nur auf die Schreienden unter den Vätern würde ich gerne verzichten. Auch
eigentlich sanfte Charaktere und Menschen, die im normalen Leben als Lehrer
arbeiten, sind nicht davor gefeit. Beim Fußball verlieren manche einfach
die Nerven. Die Kinder stecken Niederlagen übrigens meistens viel lässiger
weg als diese Väter.
Nach zwei Stunden ist alles vorbei, der Rest des Wochenendes liegt vor
einem, viel Zeit für all die anderen Interessen, die man auch noch so hat.
Beschwingt geht es weiter, man hat schließlich schon richtig was erlebt.
Die Frage ist deshalb nicht: Warum gibt es Soccer Moms? Sondern umgekehrt:
Warum tauchen manche Eltern so selten bei den Spielen auf?
27 Sep 2025
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## AUTOREN
(DIR) Antje Lang-Lendorff
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