# taz.de -- Südkoreas Beziehung zu den USA: Allianz auf dem Prüfstand
       
       > Südkorea fühlte sich den Vereinigten Staaten eng verbunden. Doch dann
       > stürmte Trumps Migrationsbehörde ICE ein Hyundai-Werksgelände im
       > Bundesstaat Georgia. Der Schock sitzt noch immer tief.
       
 (IMG) Bild: Die Stimmung ist gekippt: Protest gegen die Poltik Donald Trumps vor der US Botschaft in Seoul, Korea, 9. September
       
       Fast täglich entlädt sich die Wut am zentralen Gwanghwamun-Platz in Seoul,
       zwischen gläsernen Bürotürmen und dem historischen Gyeongbokgung-Palast,
       direkt gegenüber der US-amerikanischen Botschaft. An diesem
       frühherbstlichen Nachmittag haben sich hier Dutzende Demonstranten
       eingefunden, um ihren Frust gegenüber „Uncle Sam“ lautstark kundzutun.
       
       „Eine Allianz, die Menschenrechte missachtet, brauchen wir nicht“, sagt Ham
       Jae Kyu, Gewerkschaftsfunktionär der linksgerichteten KCTU. Die Wut richtet
       sich gegen die Trump-Regierung. Dabei verbindet Südkorea mit den USA eine
       jahrzehntelange Allianz.
       
       [1][Doch dann stürmten am Morgen des 4. Septembers Hunderte
       Sicherheitskräfte der Immigrationsbehörde ICE mit gehobenen Waffen auf ein
       Werksgelände im Bundesstaat Georgia.] Das war von den südkoreanischen
       Konglomeraten Hyundai und LG errichtet worden – auch, um Donald Trumps
       Investitionsforderungen zu erfüllen.
       
       Gedankt wurde es den Südkoreanern mit einer beispiellosen Razzia. Die
       ICE-Beamten nahmen 316 koreanische Arbeiter an Ort und Stelle fest. Die
       meisten von ihnen waren keineswegs illegal im Land, sondern auf sogenannten
       Kurzzeitvisa.
       
       ## Historische US-Panzer und Armeeshops in Seoul
       
       Dies ist zwar ein rechtlicher Graubereich, der aber von den US-Behörden
       lange geduldet und sogar gefördert wurde. Seit Trump gelten solche
       Abmachungen offensichtlich nicht mehr. Für die Südkoreaner sitzt der Schock
       noch immer tief.
       
       Dabei eint die zwei Staaten ein jahrzehntealtes Bündnis, das bis auf den
       Koreakrieg zurückgeht: Damals kämpften US-Soldaten an der Seite Südkoreas,
       später halfen die Sicherheitsgarantien und die Investitionen der
       Vereinigten Staaten, den Grundstein für Südkoreas Wirtschaftswunder zu
       legen. Gerade die Konservativen fühlten stets eine tiefe Verbundenheit mit
       den USA.
       
       Im Stadtbild Seouls ist die enge Verbindung mit bloßem Auge sichtbar:
       Mitten im Zentrum steht eine riesige, wenn auch mittlerweile weitgehend
       geräumte, US-Militärbasis. Im angrenzenden Kriegsmuseum werden historische
       US-Panzer ausgestellt. Und nur einen Steinwurf entfernt, im
       Vergnügungsviertel Itaewon, gibt es die in Ostasien vielleicht höchste
       Dichte an amerikanischen Pubs, Burgerläden und Armeeshops.
       
       Nun jedoch ist die Stimmung gekippt. [2][Die linksgerichtete Zeitung
       Hankyoreh] schrieb in einem Leitartikel, das koreanische Volk fühle sich,
       als hätte man ihm „in den Rücken geschlagen“. Auch die konservative Chosun
       Ilbo fragte rhetorisch, was die USA meinen, wenn sie von einer „eisernen
       Allianz“ sprechen? Sicherlich nicht, dass Südkoreas Staatspräsident Lee Jae
       Myung Investitionen in Höhe von 350 Milliarden US-Dollar verspricht, nur
       um wenige Monate später eine derartige Erniedrigung zu erdulden.
       
       ## Der Volkszorn ebbt nicht ab
       
       [3][Als die über 300 inhaftierten Südkoreaner nach einer guten Woche
       Untersuchungshaft – offiziell „freiwillig“ – in ihre Heimat ausgeflogen
       wurden], ebbte der Volkszorn nicht ab. Im Gegenteil: Nun nämlich
       schilderten die Betroffenen in den Medien ihre Erfahrungen.
       
       Ein Mann, der anonym bleiben wollte, sprach von Zellen, die derart klamm
       und kalt waren, dass man die zugewiesenen Handtücher in Mikrowellen erhitzt
       habe, um sich an ihnen aufzuwärmen. Die Matratzen der Etagenbetten
       schimmelten, die Zellen waren ohne Fenster, die Toiletten ohne Sichtschutz.
       
       Solche Schilderungen haben viele Südkoreaner desillusioniert: Jener Staat,
       der sich als Hüter der Menschenrechte versteht, sorgt nicht einmal für
       menschenwürdige Haftbedingungen im eigenen Land.
       
       Nur wenige Stunden bevor Südkoreas Staatspräsident Lee Jae Myung am 23.
       September seine Rede vor der UN-Generalversammlung hielt, traf er sich noch
       mit US-Abgeordneten. Dort sprach der Gast aus Fernost ein seltenes
       Machtwort: Die jüngste Inhaftierung südkoreanischer Arbeiter dürfe sich
       nicht wiederholen. Doch allen ist klar: Die USA sitzen am längeren Hebel.
       
       27 Sep 2025
       
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