# taz.de -- Sinnsuche der Sozialdemokraten: „Ein Programm, das wirklich gelesen wird“
       
       > Die SPD macht sich auf den Weg, um ein neues Grundsatzprogramm zu
       > erarbeiten. Sie setzt sich erst einmal bescheidene Ziele.
       
 (IMG) Bild: Tim Klüssendorf nach der Klausur des SPD-Parteivorstandes im Willy-Brandt-Haus
       
       Berlin taz | Nach ihrem [1][historisch schwachen Abschneiden] bei der
       Bundestagswahl und drohender Erniedrigung bei den Kommunalwahlen in
       Nordrhein-Westfalen am Wochenende hängt die SPD die Latte für sich selbst
       niedrig. Der Parteivorstand traf sich am Sonntag und Montag, um über das
       neue Grundsatzprogramm und den Weg dorthin zu reden. Der Anspruch sei, so
       Generalsekretär Tim Klüssendorf am Montag, dass Mitte 2027 ein
       Programmentwurf vorliege, „der auch wirklich gelesen wird“. Ein spannendes
       Produkt, das die Menschen gern in die Hand nähmen.
       
       Das kann man als absolutes Minimalziel eines zwei Jahre währenden
       Diskussionsprozesses mit der Basis und Expert:innen bezeichnen. Ins
       Zentrum ihrer Sinnsuche wollen die Sozialdemokrat:innen die Themen
       künstliche Intelligenz, gesellschaftliche Verschiebungen und
       Machtverhältnisse und die Erneuerung des Aufstiegsversprechens stellen.
       Klüssendorf kritisierte insbesondere die ungleiche Verteilung und Vererbung
       von Vermögen: „Wir haben uns weit weg bewegt von einer
       Leistungsgesellschaft.“
       
       Doch wie soll das funktionieren, wenn Lars Klingbeil und Bärbel Bas als
       Parteivorsitzende engagiert Erbschafts- und Vermögensteuern einfordern,
       während sie als Minister:innen Haushaltsdisziplin und Sozialkürzungen
       praktizieren? Und ziehen beide tatsächlich an einem Strang? Klingbeil lobte
       in der Zeit Gerhard Schröder als mutigen Reformer, betonte die
       Notwendigkeit von umfassenden Reformen, damit der Sozialstaat stark und
       bezahlbar bleibe. Bas sieht ebenfalls Reformbedarf, hält die Debatte über
       den zu teuren Sozialstaat aber für „Bullshit“.
       
       Die Agenda-Reformen der nuller Jahre unter dem damaligen
       sozialdemokratischen Kanzler Schröder gelten vielen Genoss:innen heute
       noch als wichtigste Ursache für den seitdem anhaltenden Abstieg der SPD in
       der Gunst der Wähler:innen.
       
       ## Kein Widerspruch zwischen Bas und Klingbeil
       
       Generalsekretär Klüssendorf sieht jedoch keine Konflikte, weder zwischen
       den Parteivorsitzenden noch in ihren unterschiedlichen Rollen. Klingbeil
       wolle ja nicht die Agendapolitik des Altkanzlers wiederholen, sondern die
       Gesellschaft einen. Und bereits jetzt fordere die SPD eine Reaktivierung
       der Vermögensteuer – und sei trotzdem mit der Union in einer Koalition. „Es
       muss uns möglich sein als politische Parteien, die gerade in der
       Verantwortung sind, für größere Entwicklungen neue Antworten zu entwerfen,
       ohne dass man uns gleich daran misst, diese morgen umzusetzen“, so der
       Generalsekretär. Ergo soll die Programmdebatte möglichst nicht mit der
       aktuellen Politik verzahnt werden.
       
       Das passiert jedoch im Tagesgeschäft ständig. Als Kanzler Merz als
       CDU-Parteivorsitzender auf dem Landesparteitag der niedersächsischen CDU
       harte Sozialstaatsreformen ankündigte, die es dem Koalitionspartner nicht
       leicht machen würden, reagierten viele in der SPD verschnupft.
       
       Ob die SPD am Ende ihres Grundsatzprozesses 2027 wieder mehr Agendapartei
       wird oder stärker nach links rückt, ist ebenfalls offen. „Es geht darum,
       die richtigen Antworten auf die richtigen Fragen zu geben“, unterstrich
       Klüssendorf am Montag. Bei seinem [2][Amtsantritt im Frühjahr hatte der
       Parteilinke] als Anspruch an sich selbst übrigens formuliert, eine
       möglichst floskelfreie Sprache zu verwenden. Auch da ist noch „Luft nach
       oben“.
       
       8 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Anna Lehmann
       
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