# taz.de -- Fotografie aus dem Ruhrgebiet: Nostalgie in Krisenzeiten
       
       > Das „Pixelprojekt“ versteht sich als visuelles Gedächtnis des
       > Ruhrgebiets. Die neu aufgenommenen Arbeiten sind jetzt zu sehen.
       
 (IMG) Bild: „Nali“, Essen, 2024: In ihrer Serie „Erinnerungslücken hat die Fotografin Cordula Schulze die immer noch sichtbaren Lücken im Straßenbild festgehalten, die der Krieg im Ruhrgebiet gerissen hat. Die Serie ist neu ins „Pixelprojekt“ aufgenommen worden
       
       Als stetig wachsendes fotografisches Gedächtnis des Ruhrgebiets verstand
       sich das Pixelprojekt Ruhrgebiet bereits zu seiner Gründung vor rund 20
       Jahren. Die Idee: Die Aufnahmen professioneller Fotograf:innen
       archivieren und so im Internet auf Dauer zugänglich machen, was nach
       Ausstellungen und Projekten üblicherweise in irgendwelchen Kisten und
       Mappen verschwindet. Mit Erfolg, kann man heute sagen. Inzwischen umfasst
       die Sammlung 635 Fotoserien von insgesamt 381 Fotograf:innen – in mehr
       als 10.000 Einzelbildern. Die Neuzugänge, von denen auf diesen Seiten hier
       eine Auswahl zu sehen ist, werden dabei regelmäßig in eigenen Ausstellungen
       präsentiert.
       
       Kuratiert werden diese Arbeiten von einer Fachjury. Bewerben tun sich neben
       wenigen Amateur:innen und Studierenden immer wieder auch international
       bekannte Fotograf:innen, um ihren je eigenen Blick aufs Ruhrgebiet zur
       Diskussion zu stellen. Das wesentliche Stichwort hier lautet:
       Autor:innenfotografie. Bilderserien also, nach deren Motiven die
       Fotografierenden selbst gesucht haben – die statt bloß urbane Landschaften
       und Straßenzüge zu dokumentieren, immer auch eine subjektive Perspektive
       auf gesellschaftliche Zusammenhänge entwickeln. Und das ganz besonders in
       der Stadt. Zum Vergleich: Während die Rubrik „Landschaft und Ökologie“
       online 98 Serien umfasst, gibt es über „Stadt und Architektur“ 266.
       
       Bemerkenswert ist übrigens, dass Pixelprojekt-Initiator (und bis heute auch
       -juror) Peter Liedtke schon 2005 im taz-Interview beklagte, wie wenig
       Zukunft in den Bewerbungen stecke: dass Fotograf:innen also offenbar
       mehr Interesse an den finsteren Seiten des Strukturwandels entwickeln als
       an der regionalen Innovationskraft.
       
       Wirklich verwunderlich ist das nicht. Als die Pläne zum Pixelprojekt in
       2002 langsam konkret wurden, war der Zusammenbruch im Ruhrgebiet noch
       greifbarer und unmittelbarer als heute. Bergbau und Stahlindustrie hatten
       historische Tiefstände erreicht und anders als bei den Krisen früherer
       Jahrzehnte war kein Ersatz in Sicht. Tatsächlich geht der Bergbau im
       Ruhrgebiet seit hundert Jahren zurück, nur sprangen früher eben Elektronik,
       Chemie- und Automobilindustrie in die Bresche.
       
       Heute ist das Ruhrgebiet in Sachen Arbeitslosigkeit immer noch
       deutschlandweit vorne: 10 Prozent im regionalen Durchschnitt, in
       Gelsenkirchen sind es sogar 14,8. Das sind Zahlen, die sich auch in vielen
       Pixelprojekt-Serien niederschlagen: Stillgelegte Industriekolosse finden
       sich neben überwucherten Gleisen oder historischen Szenen aus Betrieben,
       die es längst nicht mehr gibt.
       
       Nur ist die Geschichte damit eben nicht vorbei. Denn tatsächlich sind in
       den jüngeren Jahrgängen inzwischen auch ganz andere Töne zu vernehmen.
       Insbesondere in der Porträtfotografie, die sich inzwischen zum
       Kontrastprogramm zu den ja tatsächlich zwar ebenfalls beeindruckenden, aber
       oft auch arg trostlosen Straßenbildern ausgewachsen hat. Das Leben geht
       weiter, könnte so eine Art (Zwischen-)Fazit sein nach zwei Jahrzehnten
       Pixelprojekt.
       
       14 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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