# taz.de -- Aus Pressemitteilungen werden Reels: Moderne Medienarbeit hat ihre Tücken
       
       > Meist vermisst man ja Dinge erst, wenn sie plötzlich fehlen. Die
       > Pressemitteilungen der Hamburger Linksfraktion zum Beispiel.
       
 (IMG) Bild: „Viele Wähler unter 30 konsumieren politische Inhalte fast nur noch über Kurzvideos (TikTok, Reels, YouTube, Shorts)“, behauptet Chat-GPT
       
       Meist vermisst man Dinge erst, wenn sie plötzlich fehlen. Die
       Pressemitteilungen der Hamburger Linksfraktion zum Beispiel. Stetig liefert
       deren Pressestelle Meldungen mit Inhalt, die die [1][Vorgänge in der Stadt
       beleuchten]. Sie bestehen aus einer Überschrift, einem kurzen Text mit dem
       Sachverhalt und dem Zitat eines Abgeordneten. Meist sind parlamentarische
       Anfragen an die Stadt und deren Antworten angefügt, das sind gute Quellen
       für Journalisten.
       
       Tja und nun, als kurz vor den Ferien die Schulbehörde [2][die Essenspreise
       auf fünf Euro] anhob, fand sich dazu keine Pressemitteilung der Linken im
       Mail-Postfach der taz. Man habe doch dazu etwas auf Facebook gemacht, hören
       wir aus der Pressestelle. In der Tat: Dort findet sich ein [3][kurzer
       Video-Clip]. Zwei Mädchen tanzen zu einem Song und halten Teller.
       
       Nächste Sequenz: Die [4][Fraktionschefin Heike Sudmann] sitzt an einem
       Tisch vor leeren Tellern und blickt in die Kamera. Dann sagt sie, dass die
       Schulbehörde die Essenspreise erhöht und die Eltern gleich 30 Cent mehr
       zahlen müssen, weil die Stadt die Zuschüsse senkte. Dass die Erhöhung 20
       Prozent in drei Jahren beträgt. Dass die Elternkammer fordert, … Ja, was?
       Ich kann nicht so schnell mitschreiben.
       
       Tschupp, ist der Clip vorbei, die Mädchen tanzen noch kurz. Zurückspulen
       geht nicht, denn sofort spielt der Algorithmus das nächste Video ein. Zwei
       Männer sprechen über Sex in langen Partnerschaften. Dann spricht Iris
       Berben über Schönheitsbegriffe. Dann redet Richard David Precht mit großen
       Kopfhörern auf den Ohren. Ich suche wieder die Facebook-Seite der
       Abgeordneten. Stolpere über andere Clips von Linken-Politikern, die
       energisch in ihre kleinen Headset-Mikros sprechen, bevor ich die Sudmann
       wiederfinde. Drücke auf Play. Aber der Clip ist wieder zu schnell vorbei
       für meine langsamen Mitschreibfinger.
       
       ## Bei Social Media müsse man auf den Punkt kommen
       
       Ich bin „lost“, um es mit der Jugendsprache zu sagen. Das heißt laut
       Chat-GPT „verloren, orientierungslos“. Diese hilfreiche App spielte mir
       gerade meine Tochter aufs Handy für all meine Fragen in Mediendingen. Diese
       Filmchen heißen „Reels“, das sind kurze, vertikale Videos zwischen 15 und
       90 Sekunden.
       
       Frage an Chat-GPT: „Warum machen Politiker Reels?“ Antwort: „Politiker
       machen Reels aus ziemlich strategischen Gründen – nicht nur, weil sie
       plötzlich Lust auf Tanz-Challenges haben.“ Sie erreichten damit Menschen,
       die sonst nie auf ihr Profil klickten. Denn „viele Wähler unter 30
       konsumieren politische Inhalte fast nur noch über Kurzvideos (TikTok,
       Reels, YouTube, Shorts)“.
       
       Tja, aber ich nicht. Nächster Tag, nächstes Thema. Uns erreicht ein
       Hilfeanruf. Die Stadt zahlt nach 20 Jahren kein Geld mehr fürs „Zentrum für
       Disability-Studies“, der Forschung für Behindertenrechte. Dazu könnte die
       Linke was zu sagen haben. Also ein Anruf bei der Pressestelle. Nein, dazu
       sei keine Pressemitteilung geplant, aber was auf Facebock mit Zitat ihrer
       Wissenschaftspolitikerin. Dieses sei nicht lang, bei Social Media müsse man
       auf den Punkt kommen, werde ich vorgewarnt.
       
       Dort finde ich auf einer grünblauen Kachel das Gesicht von Sabine Ritter
       und den Satz: „Wer Inklusion und Teilhabe ernst meint, muss das Zentrum für
       Disability-Studies erhalten!“ Darüber werden der Facebook-Gemeinde noch ein
       paar Facts und Forderungen mitgeteilt. Es sei, so noch ein Tipp der
       Pressestelle, sehr empfehlenswert, auf Facebook, Insta & Co zu schauen.
       
       Hm, aber da sind keine Pressemitteilungen mit Quellen. Offenbar meint man,
       uns Journalisten nicht mehr so zu brauchen. Es sei aber der Vollständigkeit
       halber gesagt, dass man uns noch eine ältere Pressemitteilung aus dem Juni
       schickte und auch auf zwei Anfragen aus Juni und Juli hinwies, denn die
       Linksfraktion hatte das Thema längst am Wickel. Also alles gut.
       
       16 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wahlkampf-in-Hamburg/!5659445
 (DIR) [2] /Hamburger-Schulessen-wird-wieder-teurer/!6102035
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/reel/DMxktk8Nhh5/
 (DIR) [4] /Linkspartei-so-gut-wie-nie-in-Hamburg/!6072638
       
       ## AUTOREN
       
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