# taz.de -- Musikhören in Zeiten von KI: Algorithmen, die Ohrwürmer schreiben
       
       > Musik, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz produziert wurde – das
       > geht heute schon in Sekunden. Unsere Autorin hat deshalb Vorurteile.
       
 (IMG) Bild: Eher mit Prompts experimentieren, als mit Drumset und Gitarre
       
       Seit einiger Zeit habe ich einen fiesen Ohrwurm. Er ist nicht immer da, zum
       Glück. Manchmal taucht er ab und dann wieder auf, wie ein sporadischer
       Albtraum. Dabei mag ich den Song nicht einmal. Wobei – das so zu behaupten,
       ist unfair. Ich habe ihm nie eine Chance gegeben, von mir gemocht zu
       werden.
       
       Ich habe nur deshalb reingehört, weil es ein mit [1][Künstlicher
       Intelligenz] (KI) generierter Song ist, um den ein Hype läuft, und der beim
       Streamingdienst Spotify mittlerweile Abrufe im Millionenbereich hat. Aber
       ich habe lange genug selbst Musik gemacht, um eine Ahnung von dem Zauber zu
       bekommen. Und daher immer zu wollen, dass Menschen davon leben können und
       weiter auf neue, spannende musikalische Ideen kommen.
       
       Unfair ist meine Haltung aber noch aus einem anderen Grund: Denn natürlich
       stecken auch hinter der KI-Musik Menschen und ihre Arbeit. Die werden zwar
       eher mit Prompts experimentieren, den Anweisungen für die Algorithmen, als
       mit Drumset und Gitarre. Aber schon bei der Vermarktung auf Social Media
       ist der Unterschied zwischen menschlichem und KI-generiertem Werk dahin.
       Ohnehin läuft auf Spotify wohl schon Diverses an algorithmisch produziertem
       Content – mal in Playlists zum Aufwachen oder Entspannen reingehört?
       
       Also: Mag ich den KI-Song nicht, weil ich nichts mit
       70er-Jahre-Rock-Folk-Country-Klängen anfangen kann? Oder weil ich möchte,
       dass Musik von Menschen gemacht wird? Die Frage wird uns noch alle
       beschäftigen, schließlich brauchen KI-Dienste wie Suno oder Udio nur einige
       Schlagworte und Sekunden, um einen Song zu generieren.
       
       ## Und die Literatur?
       
       Und es ist nicht nur Musik. Literatur zum Beispiel. Ich bin Fan des Werks
       der spanischen Autorin Almudena Grandes. Als sie vor dreieinhalb Jahren
       starb, war klar, dass – wenn nicht noch irgendwo ein unveröffentlichtes
       Skript liegt – keine neuen Bücher dazu kommen werden.
       
       Wenn es nun möglich wäre, einen Algorithmus mit ihren Werken zu trainieren,
       sich einen groben Plot auszudenken und danach einen neuen 400-Seiten-Wälzer
       in Grandes’ Stil zu erhalten, in dem vielleicht eine starke Frauenfigur
       inmitten des spanischen Bürgerkrieges in eine Dreiecksgeschichte zwischen
       den Fronten verwickelt wird – würde ich dieses Buch genauso gefesselt lesen
       wie ihre eigenen? Oder immer denken: Näh, das sind ja nur von einem
       Algorithmus anhand von Wahrscheinlichkeiten zusammengestoppelte Wörter? Die
       Frage ist derzeit hypothetisch, denn so weit ist KI noch nicht. Aber was,
       wenn?
       
       Erstmal arbeite ich am Ohrwurm-Loswerden. Dafür gibt es natürlich längst
       eine Anti-Ohrwurm-Playlist auf Spotify – eine Art Best-of der nervigsten
       Kreationen aus den vergangenen Jahrzehnten. Und es gibt einen Tipp aus der
       Wissenschaft: Ohrwürmer entstehen demnach häufig, wenn unvollständige
       Melodieschnipsel im Gehirn bleiben. Es fehlt also das rettende Ende und
       daher wird der Teil davor immer wieder abgespult. Die Lösung ist leider
       eine unangenehme: Das Lied noch mal hören. Ganz.
       
       1 Aug 2025
       
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