# taz.de -- Streik bei Tiktok in Berlin: Alle Feeds stehen still
       
       > Künstliche Intelligenz ersetzt keine Arbeit, es lagert sie nur aus. Um
       > dem etwas entgegenzusetzen, braucht es mehr Arbeitskämpfe wie bei Tiktok
       > in Berlin.
       
 (IMG) Bild: Sand im Getriebe der Tech-Maschine: Tiktok-Angestellte bei ihrem ersten Streiktag am 23. Juli
       
       Es war eine kleine Sensation, als rund die rund sechzig
       Tiktok-Mitarbeiter:innen in der vergangenen Woche in Berlin mit lautem
       Jubel an der Spree anlegten. [1][Weltweit zum ersten Mal legten die
       Arbeiter:innen eines der großen Social-Media-Konzerne die Arbeit nieder
       – stilecht mit einer Streikkundgebung auf einem Ausflugsdampfer] vor der
       Konzernzentrale. Der Streik zeigt: In ihren KI-getriebenen Profitfantasien
       haben Techunternehmen wie Tiktok, Meta und X die Rechnung ohne die Menschen
       gemacht, die ihre Plattform am Laufen halten.
       
       Anlass für den Streik sind die Pläne von Tiktok, die gesamte „Trust and
       Safety“-Abteilung, die für die Moderation von Inhalten verantwortlich ist,
       in Deutschland aufzulösen. Übernehmen sollen die Aufgabe in Zukunft in
       verstärktem Maß [2][automatisierte KI-Lösungen] und externe Dienstleister.
       Betroffen sind rund 160 Mitarbeiter:innen.
       
       Bemerkenswert ist, dass es der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gelungen
       ist, die Belegschaft innerhalb kürzester Zeit zu organisieren. In dem
       Unternehmen arbeiten viele junge und migrantische Menschen, die wenig
       Erfahrung mit gewerkschaftlicher Organisierung und Arbeitsrecht haben.
       Zudem sind Beschäftigte, die keinen EU-Pass besitzen, auf einen
       Arbeitsvertrag angewiesen, der ihnen Bleiberecht ermöglicht.
       
       Dass es Verdi trotz dieser erschwerten Umstände gelungen ist, ist auch ein
       Ausdruck der Unzufriedenheit der Mitarbeiter:innen: Wertschätzung für
       die mental extrem belastende Arbeit, bei der sie tagtäglich mit Gewalt, Tod
       und Menschenhass konfrontiert sind, bekommen sie nicht. Stattdessen sollen
       sie durch einen Algorithmus ersetzt werden, den sie auch noch selbst
       trainiert haben.
       
       ## Outsourcing statt Ersetzen
       
       Tiktok ist dabei kein Einzelfall. Auch andere Tech-Riesen wie Amazon, Intel
       oder Meta entlassen weltweit Tausende Beschäftigte. Allein der
       Softwarehersteller Microsoft baute in diesem Jahr 15.000 Stellen ab. Ein
       Hauptgrund für die Entwicklung ist der zunehmende Einsatz von Künstlicher
       Intelligenz, etwa beim Schreiben von Programmcodes.
       
       Die Entlassungen nähren die Befürchtung, dass KI uns in naher Zukunft
       sämtliche Büro- und Kreativjobs überflüssig machen wird. Doch die Angst
       geht am eigentlichen Problem vorbei, denn auch Künstliche Intelligenz
       funktioniert nicht ohne menschliche Arbeit. Es sind und bleiben Menschen,
       die die Algorithmen trainieren, warten und optimieren – [3][meist von
       unterbezahlten Clickworkern in Ländern des globalen Südens.] Der Schritt,
       Stellen zu streichen und durch KI zu ersetzen, lagert die Arbeit im Grunde
       nur aus und macht sie dadurch unsichtbar.
       
       Dass sich nun die Tiktok-Angestellten in Berlin gegen ihr Outsourcing
       wehren, darf gern Modell für die gesamte Tech-Branche werden. Die im
       Vergleich zu anderen Branchen zunächst absurd hoch klingenden Forderungen
       nach einer Abfindung in Höhe von drei Jahresgehältern und einer
       Kündigungsfrist von einem Jahr sind gerechtfertigt. Denn wenn jemanden die
       Profite der durch KI ermöglichten Effizienzsteigerungen zustehen, dann den
       Arbeiter:innen, die sie entwickelt und trainiert haben.
       
       Wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Arbeitskampf bleibt jedoch
       die Solidarität unter den Tech-Arbeiter:innen. Es dürfte Tiktok wenig
       stören, wenn die ohnehin schon gekündigten Content-Moderator:innen
       streiken. Erst wenn auch der Rest der Belegschaft mit in den Ausstand tritt
       und das reibungslose Funktionieren der Plattform ernsthaft gefährdet wird,
       wird der Druck groß genug sein, damit die Unternehmensführung einlenkt. Es
       bleibt zu hoffen, dass der erste Streik in einem Social-Media-Unternehmen
       auch der erste erfolgreiche Streik wird.
       
       1 Aug 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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