# taz.de -- Barrierefreiheit im Berliner ÖPNV: Dann fahrt halt mit der Taxe
> Die Beförderungsalternative Muva wird gut genutzt, aus Sicht des Senats
> möglicherweise zu gut. Zum Jahresende scheint für die Kleinbusse Schluss
> zu sein.
(IMG) Bild: Berliner Logik: Der Muva-Service funktioniert gut – und wird deshalb eventuell bald abgeschafft
Berlin taz | Was passiert, wenn in Berlin einmal etwas gut läuft? Klar: Es
wird abgeschafft. Das mag jetzt ein bisschen zugespitzt sein. Die These
drängt sich aber gerade wieder auf angesichts der Pläne des schwarz-roten
Senats für das Beförderungsangebot Muva.
In einer der taz vorliegenden, noch unveröffentlichten Antwort auf eine
parlamentarische Anfrage hat die Senatsverkehrsverwaltung angedeutet, dass
es schon in einem halben Jahr vorbei sein dürfte mit den [1][im Auftrag der
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)] fahrenden Kleinbussen. Dabei war deren
Einsatzbereich gerade erst ausgeweitet worden, was offenbar auch gut
angenommen wurde.
[2][Muva ist ein Dienst, der 2022 dem längst verblichenen „Berlkönig“
nachfolgte.] In einer ersten Phase ging es nur darum,
mobilitätseingeschränkte Fahrgäste zum nächstgelegenen barrierefreien U-
oder S-Bahnhof zu bringen, wenn am eigentlichen Einstiegshalt der Fahrstuhl
nicht funktionierte.
Damit erfüllten der Senat und die BVG die im Mobilitätsgesetz enthaltene
Pflicht, für Alternativen zu sorgen, wo das ÖPNV-Angebot noch – oder
zeitweilig – nicht barrierefrei ist. Hinzu kam ein Service namens „Flexible
Fahrt“, der in „unterversorgten“ Gebieten im Osten der Stadt angefordert
werden konnte.
## Stadtweite Alternative
Die „Flexible Fahrt“ ist Geschichte, aber seit März dieses Jahres sind die
40 Muva-Vans, die allesamt auch Menschen mit größeren Rollstühlen befördern
können, als Mobilitätsalternative im gesamten Stadtgebiet unterwegs. Wer
sie anfordert, kann sich auf Strecken bis zu 5 Kilometern direkt ans Ziel
oder aber zu einer Bushaltestelle oder einem Bahnhof bringen lassen.
Voraussetzung ist dabei nicht ausschließlich ein Schwerbehinderungsgrad:
Personen in hohem Alter, mit Gipsfuß oder Kind im Kinderwagen haben genauso
einen Anspruch darauf.
Auf die Fragen der Grünen-Abgeordneten Antje Kapek und Catrin Wahlen teilt
Verkehrsstaatssekretär Arne Herz (CDU) mit, zu Mitteln für die „Alternative
Barrierefreie Beförderung“ im Haushaltsplan 2026/27 könne noch keine
Auskunft gegeben werden. Allerdings habe sich das bisherige Konzept, diese
Beförderung „über einen Anbieter zu gewährleisten, der neben der
Buchungsapp auch eine eigene Fahrzeugflotte mit Fahrpersonal vorhält, als
sehr kostenintensiv erwiesen“. Sprich: Muva ist dem Senat schlicht zu
teuer.
## Dienstleister Via nicht mit am Tisch
Ein „im Ergebnis wirtschaftlicheres Angebot“, so Herz, solle daher durch
„Konzentration auf die im Gesetz benannte Zielgruppe und den dort
benannten, konkreten Zweck erreicht werden“, außerdem durch die
„erfolgreiche Einbindung bereits vorhandener Beförderungsunternehmen mit
geeigneten Fahrzeugen – insbesondere des Berliner Taxigewerbes mit seinen
aktuell 151 Inklusionstaxen“.
Es habe dazu auch schon einen „Workshop“ mit dem Taxigewerbe, dem
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der BVG und der
Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung gegeben, heißt es in der
Antwort auf die Anfrage. Der Dienstleister Via, der im Auftrag der BVG den
Muva-Service betreibt, war demnach nicht an den Gesprächen beteiligt.
Die Grünen bringt das auf die Palme: Sie kritisieren einerseits, dass der
Senat offenbar den anspruchsberechtigten Personenkreis wieder einschränken
will – wobei die Antwort des Staatssekretärs offen lässt, was mit
„Konzentration auf die im Gesetz benannte Zielgruppe“ eigentlich gemeint
ist. Schließlich fordert das Gesetz barrierefreie Mobilität für alle
Menschen, die sie benötigen, dauerhaft oder temporär.
Inklusionstaxis stünden einem deutlich kleineren Personenkreis zur
Verfügung, so Kapek und Wahlen, und im Gegensatz zum Muva könnten sie auch
nicht zentral bestellt werden, weder telefonisch noch digital. Tatsächlich
werden die vom Land geförderten rollstuhlgerechten Taxis von mehreren
Taxiunternehmen angeboten, aber nicht zentral vermittelt. Im Zweifel müssen
die Anbieter der Reihe nach abtelefoniert werden.
## Taxis stehen am BER herum
Weil ein Inklusionstaxi im Fuhrpark die TaxiunternehmerInnen nicht dazu
verpflichtet, es nur für mobilitätseingeschränkte Menschen vorzuhalten,
sind de facto auch viel weniger als die genannten 151 Fahrzeuge verfügbar.
Viele von ihnen werden aufgrund ihrer Geräumigkeit für Fahrten von und zum
BER eingesetzt und stehen so einen beträchtlichen Teil der Zeit am
Flughafen herum.
Für Antje Kapek, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, ist
damit „eine beunruhigende Entwicklung abzusehen“, die mit dem
voraussichtlichen Wechsel zum neuen Jahr „höchstwahrscheinlich im Chaos
münden wird und zudem eine erneute Verschlechterung des Angebots
darstellt“.
Fraktionskollegin Catrin Wahlen weist darauf hin, dass die Taxen „für die
NutzerInnen ungleich teurer und für die Unternehmen immer noch nicht
kostendeckend“ seien. Überhaupt: „Eigentlich gibt es Muva nur, [3][weil der
ÖPNV nicht barrierefrei ist]“, sagt die Sprecherin für Inklusion und
SeniorInnen. „Statt den ÖPNV und die Fahrstühle flott zu machen, macht
Berlin eben Muva – aber jetzt wollen sie das doch nicht mehr.“
Eine unbekannte Variable in Sachen Muva gibt es freilich: Wie ermittelt der
Dienst eigentlich, ob auf einer angeforderten Verbindung der ÖPNV
tatsächlich nicht barrierefrei ist? Nur dann besteht laut Gesetz der
Anspruch auf eine Alternative. Defekte Fahrstühle werden halbwegs zeitnah
gemeldet und dürften für den Algorithmus abrufbar sein. Bei der
Inanspruchnahme wegen „zu vollen Bussen und Bahnen“, wie es auf der
BVG-Website heißt, dürfte das schon schwieriger sein.
Buchbar ist eine Fahrt über die Muva-App offenbar auch ohne Prüfung solcher
äußeren Einschränkungen. Möglich also, dass aus Sicht der Senatsverwaltung
der Muva einfach zu oft fährt. Konkret benannt wird dieses Problem in der
Antwort aus der Verwaltung von CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde aber nicht.
25 Jul 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.bvg.de/de/verbindungen/bvg-muva
(DIR) [2] /Neue-Rufbusse-in-Berlin/!5881817
(DIR) [3] /Barrierefreier-Nahverkehr-in-Berlin/!6018766
## AUTOREN
(DIR) Claudius Prößer
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