# taz.de -- Gaza-Krieg: Netanjahu bekommt Druck von allen Seiten
       
       > Die geplante militärische Besetzung des gesamten nördlichen Gazastreifens
       > führt zu Protesten. Angehörige der Geiseln rufen zu einem Generalstreik
       > auf.
       
 (IMG) Bild: In Tel Aviv geraten am Samstag Demonstrierende und die Polizei aneinander
       
       Jerusalem taz/dpa | Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
       hat die Ausweitung der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen
       verteidigt. Sein Land habe keine andere Wahl, „als den Job zu Ende zu
       bringen und die Hamas vollständig zu besiegen“, erklärte er am Sonntag im
       Gespräch mit Auslandsjournalisten. „Unser Ziel ist nicht, Gaza zu besetzen,
       unser Ziel ist, Gaza zu befreien“, sagte er. Für die nächsten Schritte gebe
       es einen „ziemlich engen Zeitplan“. Zu den Zielen gehöre die
       Entmilitarisierung des Gazastreifens, eine „übergeordnete
       Sicherheitskontrolle“ des israelischen Militärs und eine nicht-israelische
       Zivilverwaltung. Mit Blick auf die Kritik am israelischen Vorgehen beklagte
       er eine „globale Lügenkampagne“. Er habe das Militär in den vergangenen
       Tagen angewiesen, „mehr ausländische Journalisten“ in das
       Palästinensergebiet zu lassen.
       
       Netanjahu steht seit einigen Tagen zunehmend unter Druck. Die Entscheidung
       der israelischen Regierung, vergangenen Freitag, [1][den gesamten
       nördlichen Gazastreifen zu erobern] und die rund eine Million Bewohner zur
       Flucht in den Süden zu zwingen, sorgt seither für massiven Protest, sowohl
       in Israel als auch international.
       
       Bereits am Samstagabend zur Hauptsendezeit stürmten mehrere
       Friedensaktivisten der [2][jüdisch-palästinensischen Organisation „Standing
       Together“] die Bühne der live übertragenen TV-Show „Big Brother“. Auf einem
       der meistgesehenen TV-Sender des Landes, wo das Leid im nur wenige
       Kilometer entfernten Gazastreifen sonst kaum zu sehen ist, steht der Krieg
       plötzlich im Mittelpunkt. [3][„Stellt das Feuer ein“, ruft eine Aktivistin,
       bevor Sicherheitsleute sie von der Bühne tragen.] Der „Vernichtungs- und
       Aushungerungsfeldzug im Namen eines messianischen Traums von Eroberung und
       Besiedlung“ müsse gestoppt werden, schreibt die Organisation in einer
       Stellungnahme.
       
       Doch während international vor allem die zunehmend drastischen Auswirkungen
       der maßgeblich durch Israels Blockade verursachten Hungersnot für Empörung
       sorgen, blicken viele Israelis anders auf Gaza. 79 Prozent der jüdischen
       Israelis unter den Teilnehmern einer Umfrage des Israelischen Instituts für
       Demokratie gaben an, „nicht sehr besorgt“ oder „gar nicht besorgt“ von
       Berichten über Hunger in Gaza zu sein.
       
       In einer Befragung der politisch rechts ausgerichteten Tageszeitung Israel
       Hayom gaben 52 Prozent an, eine jüdische Wiederbesiedlung des Gazastreifens
       zu unterstützen und auch gegen eine mögliche Annexion Gazas spricht sich
       nur noch eine knappe Mehrheit von 53 Prozent aus.
       
       ## Netanjahu dementiert Hungersnot
       
       Das Leid und der Hunger in Gaza finden nur langsam Eingang in die
       Berichterstattung der israelischen Medien. Netanjahu selbst behauptete noch
       vor Wochen, es gebe keine Hungersnot in Gaza. Hinter der nun geplanten
       Ausweitung des Krieges steht dennoch nur eine Minderheit der Israelis. Seit
       Monaten sind in Umfragen konstant mehr als zwei Drittel der Befragten für
       ein Ende des Krieges, wenn dadurch alle israelischen Geiseln frei kämen.
       
       In Tel Aviv protestierten am Samstagabend Zehntausende gegen die Ausweitung
       der Kämpfe. Angehörige der noch in Gaza festgehaltenen Geiseln und
       gefallener Soldaten riefen für kommenden Sonntag zu einem Generalstreik
       auf. Shai Moses, der Neffe der [4][freigelassenen Hamas-Geisel Gadi Moses],
       forderte Reservisten auf, ihren Dienst zu verweigern.
       
       Von der wachsenden internationalen Kritik, wie der [5][Ankündigung
       Deutschlands], künftig keine Waffen mehr nach Israel zu liefern, die im
       Gazastreifen zum Einsatz kommen könnten, zeigte sich die israelische
       Führung zunächst wenig beeindruckt. Netanjahu reagierte in einem Telefonat
       mit Bundeskanzler Friedrich Merz mit dem Vorwurf, die Entscheidung „belohne
       den Terror der Hamas.“
       
       Doch die Entscheidung hat Gewicht: Aus der Bundesrepublik kamen laut dem
       Stockholmer Institut für internationale Friedensforschung SIPRI zuletzt
       rund ein Drittel der israelischen Waffenimporte, vor allem Kriegsschiffe
       und Panzergetriebe, die beide in Gaza eingesetzt werden.
       
       ## Finanzminister fordert vollständige Besetzung
       
       Druck bekommt Netanjahu zudem aus den eigenen Reihen. Den rechtsextremen
       Koalitionspartnern geht der Plan nicht weit genug. Finanzminister Bezalel
       Smotrich, selbst ein Anführer der Siedlerbewegung, forderte eine sofortige
       und vollständige Besetzung des gesamten Gazastreifens. Er soll laut
       israelischen Medienberichten gedroht haben, andernfalls die
       Regierungskoalition zu stürzen und damit Netanjahus politische Zukunft
       infrage zu stellen.
       
       10 Aug 2025
       
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