# taz.de -- Linker Aktivist über Schlager: „Es geht darum, sich als arbeitende Klasse zu feiern“
       
       > Erstmals gibt es am Samstag in Hamburg einen Alternativen Schlagermove.
       > Die Musik hat utopisches Potenzial, sagt Ansgar Ridder von „Wer hat, der
       > gibt“.
       
 (IMG) Bild: Erfolgreich die Massen mobilisiert: Schlagermove in Hamburg im Jahr 2019
       
       taz: Herr Ridder, die extreme Rechte sitzt in Parlamenten, Europa schottet
       sich ab, die Welt brennt. Jetzt sollen Linke Schlager hören und dazu
       tanzen? 
       
       Ansgar Ridder: Ja! Schlager hat utopisches Potenzial. Er besingt das schöne
       Leben. Es geht oft um Freizeit und Liebe, Sachen, die nicht gerade Arbeit
       sind. Dieses Dolce Vita wird gerade massiv angegriffen, vor allem von der
       sogenannten Volkspartei CDU. Wir sollen länger und mehr arbeiten, weniger
       Urlaub und mehr Überstunden machen. Das Leben fängt nicht mehr mit 66 an,
       sondern mit 70 plus. Das will der Schlager gerade nicht.
       
       taz: Aber viele Schlager sind auch heteronormativ, heimattümelig, hier und
       da rassistisch. 
       
       Ridder: Ja, stimmt, aber wir wollen zeigen, dass Schlager viel mehr ist als
       das. Es gibt stabile Schlagerstars wie [1][Roland Kaiser, der sich gegen
       die AfD ausgesprochen hat.] Einige Schlagerstars werden in der queeren
       Community gefeiert wie Marianne Rosenberg. Die Tochter eines
       Auschwitz-Überlebenden setzt sich für die Rechte von Sinti und Roma ein.
       Und im Schlager werden auch oft Klassenthemen verhandelt.
       
       taz: Trotzdem hat die Junge Union Berlin vor einigen Jahren zu „Schlager
       gegen links“ eingeladen. 
       
       Ridder: Wusste ich gar nicht. Egal. Schlager gehört allen. Wir nehmen ihn
       der CDU weg!
       
       taz: Nach Hamburg kommen seit 1997 jedes Jahr im Juli Hunderttausende
       Besucher*innen zum originalen Schlagermove. Das ist deutschlandweit die
       größte Schlagerparade. Warum machen Sie da nicht einfach mit? 
       
       Ridder: Wir waren da! Wir haben auch nichts gegen Leute, die dahingehen.
       Wir wollen nur eine andere Veranstaltung machen, nicht so kommerziell, ohne
       Werbung, mit politischem Ausdruck und außerhalb von St. Pauli. Deswegen
       laden wir in diesem Jahr zum ersten Mal zum Alternativen Schlagermove.
       
       taz: Die Route verläuft durch Villenviertel ganz im Hamburger Westen.
       Warum? 
       
       Ridder: Zum normalen Schlagermove in Hamburg fahren viele Leute von
       außerhalb in die Innenstadt. Wir dachten, wir drehen das mal um. Außerdem
       ist das Motto „Wir lieben das Leben ohne Milliardäre“. Wir finden, die
       Kritik ist in den sehr reichen Vierteln ganz gut aufgehoben.
       
       taz: In den Elbvororten Blankenese und Nienstedten wohnen die Menschen mit
       den höchsten mittleren Einkommen in Hamburg, weit über dem städtischen
       Durchschnitt. 
       
       Ridder: Das sieht man gut in Hochkamp, wo wir starten. Das ist ein
       Villenviertel aus der Gründerzeit, das zu Nienstedten gehört. Vor Kurzem
       haben [2][Anwohner*innen da eine geplante Unterkunft für Geflüchtete
       verhindert, um ihre Ruhe zu haben.] Dazu haben sie sich auf eine
       Sonderklausel aus dem 19. Jahrhundert berufen, die festlegt, dass
       Eigentümer*innen in Hochkamp nur repräsentative Villen bauen dürfen.
       
       taz: Was denken Sie, wie werden die Anwohner*innen reagieren? 
       
       Ridder: Mmh, jeder ist willkommen.
       
       taz: Was raten Sie interessierten Menschen zum Alternativen Schlagermove
       mitzubringen? 
       
       Ridder: Auf jeden Fall gute Laune. Vorher sollte man sich mit seinen Leuten
       [3][ein bisschen textsicher machen.] Dazu werden wir eine Playlist auf
       Spotify raushauen. Ansonsten können Menschen sich gern verkleiden und
       politische Botschaften auf Schildern mitbringen, aber auch was Leckeres zu
       trinken. Das Ganze wird Demo-Charakter haben, aber vor allem geht es darum,
       das Leben zu feiern und sich selber als arbeitende Klasse.
       
       23 Jul 2025
       
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