# taz.de -- CSD in Berlin: Werden wir das Pinkwashing noch vermissen?
       
       > Zum CSD hissen viele Unternehmen die Pride-Flagge – und werden dafür
       > kritisiert. Aber was, wenn sie sich nicht mal mehr bemühen, progressiv zu
       > wirken?
       
 (IMG) Bild: Der Berliner Bürgermeister hat im letzten Jahr den CSD eröffnet
       
       Die [1][BVG] läutet schon Mitte der Woche das Pride-Wochenende ein. „Also
       UNSER Bundestag ist dann jetzt bereit für den CSD“, schreiben Berlins
       Verkehrsbetriebe auf Instagram. Das Foto zeigt den Eingang des U-Bahnhofes
       am Bundestag – geschmückt in der Pride-Flagge. Darüber steht in gelben
       Schriftzug: „Wir helfen gerne beim Flagge zeigen.“
       
       Es ist ein Seitenhieb gegen die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU),
       der queere Liebe wohl zu politisch ist. Sie entschied, dass an diesem CSD
       keine Pride-Flagge über dem Bundestag wehen wird. Seit Wochen sorgt sie
       damit für heftige Empörung.
       
       Selbst aus ihrer eigenen Partei gab es Widerspruch. Berlins Senatschef Kai
       Wegner hisst trotzdem die LGBTQIA+-Flagge über dem Roten Rathaus und stellt
       sich damit klar gegen Klöckner: „Ich bin auch der Regierende Bürgermeister
       der Regenbogenhauptstadt“.
       
       Tatsächlich hat Wegner aber auch nicht wirklich eine Wahl. Berlin ist die
       queere Hauptstadt Europas. Die Stadt wirbt international mit diesem Image.
       Selbst ein CDU-Regierender kann sich dem nicht entziehen. Wegners
       Glaubwürdigkeit leidet, wenn sein [2][Parteivorsitzender Friedrich Merz die
       queere Flagge mit einem Zirkuszelt] vergleicht. Gleichzeitig gehen seine
       eigenen Bekenntnisse auch nicht allzu tief, wenn seine Regierung etwa bei
       queeren Jugendprojekten und der queeren Bildungsarbeit kürzt.
       
       ## Die Community will keine leeren Worte, sondern Taten
       
       Nicht nur in der Politik werden Dinge vornerum beworben, die hintenrum
       nicht eingehalten werden. Jedes Jahr im Pride Month ändern Unternehmen ihr
       Sortiment – je mehr Regenbogen, desto besser. Was gut gemeint sein mag,
       kommt jedoch bei Teilen der LGTBQIA+ Community gar nicht gut an.
       
       Im Gespräch mit der taz sagt [3][Marcel Voges, Vorstandsmitglied des
       Berliner CSD e.V.]: „Symbole müssen immer auch mit politischen Handlungen
       verbunden sein.“ Die Community will keine leeren Worte, sondern Taten. Der
       Vorwurf, der den Unternehmen und der Politik gemacht wird, hat einen Namen:
       Pinkwashing. Denn während Konzerne wie BMW in den vergangenen Jahren
       hierzulande Regenbogenflaggen hissten, taten sie es in Ländern wie Russland
       nicht, wo es tatsächlich ein wichtiges politisches Statement wäre. Viele
       finden deshalb, dass es Unternehmen nicht um gleiche Rechte ginge, sondern
       nur um eins: Profit.
       
       Und auch für die BVG gibt es neben vielen freudigen Kommentaren für die
       Pride-Flagge auch Kritik. Der Account „springer_raus“ kommentierte unter
       dem Post: „Vorm Hohen Haus Flagge zeigen und im Untergrund den
       queerfeindlichen Springer-Medien eine Plattform bieten.“ Es ist eine
       Anspielung auf das Berliner Fenster in U-Bahnen, in dem Nachrichten der
       Welt und B.Z. zu lesen sind.
       
       Diese Kritik an Pinkwashing zeigt Wirkung. In Zeiten des Rechtsruck geht
       sie mitunter auch nach hinten los. Statt sich ernsthafter zu positionieren,
       ziehen sich Unternehmen zurück. In den sozialen Medien tauscht kaum noch
       eine Marke ihr Profilbild mit dem Regenbogen-Logo aus. Sponsoren ziehen
       ihre Gelder ab. Der Berliner CSD etwa bekam in diesem Jahr 200.000 Euro
       weniger Sponsorengelder als im vergangenen. Die Gründe dafür sind
       vielschichtig, viele haben auch Angst vor einem Rufverlust in den USA.
       
       ## Es braucht mehr Akzeptanz von Gleichzeitigkeiten
       
       Aber was passiert, wenn sogar die Fassade wegfällt, wenn Firmen sich nicht
       mal mehr bemühen, den Anschein zu erwecken, dass ihnen etwas an der queeren
       Community liegt? Die Sichtbarkeit geht verloren. Was es braucht, ist mehr
       Akzeptanz von Gleichzeitigkeiten. Man kann sich über eine Pride-Flagge der
       BVG vorm Bundestag freuen und dennoch zur selben Zeit mehr strukturelle
       Unterstützung für queere Menschen fordern.
       
       Kritik ist wichtig und Missstände müssen auch weiterhin benannt werden.
       Aber die Konsequenz der Pinkwashing-Debatte sollte nicht sein, dass die
       Unterstützung wegfällt. Wenn jemand Queerness unterstützt, ist das erst mal
       gut und ein Pride-Logo ist ein erster Schritt. In Jugendsprache sagt man:
       „A win is a win“, frei übersetzt heißt das: Besser als nichts.
       
       24 Jul 2025
       
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