# taz.de -- Ermittlungen gegen Dachdecker beendet: Staatsanwaltschaft sieht keine Volksverhetzung
       
       > Wegen einer rassistischen Stellenanzeige in Sebnitz ermittelte die
       > Staatsanwaltschaft. Anklagen will sie aber nicht. Das erstaunt
       > Expert:innen.
       
 (IMG) Bild: Kundgebung in Sebnitz gegen Rassismus, am 21.4. 2025
       
       Leipzig taz | Der Dachdeckermeister Ronny W. aus dem sächsischen Sebnitz
       hätte gerne neue Azubis; der Fachkräftemangel betrifft auch den Freistaat.
       Darum rief W. in einer ganzseitigen Anzeige des Sebnitzer Amtsblatt dazu
       auf, sich bei ihm für eine Ausbildung zu bewerben.
       
       Allerdings ist W. offenbar wählerisch. Mit rassistischen und
       antisemitischen Begriffen schloss er Menschen von seinem Angebot aus. Im
       Folgenden nennt die taz diese diskriminierenden Begriffe. Wer das nicht
       lesen möchte, kann den nächsten Satz überspringen. In der [1][Anzeige von
       Ronny W]. stand: „Ausbildungsplatz ab 2026 aber: keine Hakennasen, Bimbos
       oder Zeppelträger“.
       
       Volksverhetzung? Nein, sagt die Dresdner Staatsanwaltschaft – und hat die
       Ermittlungen vergangene Woche eingestellt. Das Angebot sei „geschmacklos
       und moralisch anstößig“, aber strafrechtlich nicht zu beanstanden. „Die
       Äußerungen sind als von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit
       gedeckt anzusehen.“ W. rufe nicht zu „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ gegen
       Personengruppen auf und die drei Begriffe seien teils gar nicht bestimmten
       Personengruppen zuzuordnen.
       
       Auf Nachfrage der taz, welche Begriffe nicht eindeutig Personengruppen
       zuzuordnen seien, antwortet die Staatsanwaltschaft: „Zeppelträger“ und
       „Hakennasen“.
       
       ## Schon vor der NS-Zeit verbreitet
       
       Expert:innen, etwa [2][von der Recherche- und Informationsstelle
       Antisemitismus (Rias)], zeigen sich verwundert von dieser Begründung. „Wir
       halten die Einstellung für rechtlich fehlerhaft“, erklärt Rias Sachsen an
       diesem Freitag auf Anfrage der taz. Der Rias-Bundesverband prüfe
       juristische Schritte gegen die Einstellungsverfügung.
       
       Es sei irritierend, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft den Begriff
       „Hakennase“ keiner Gruppe zuordnen könne. „Belege für die ‚jüdische
       Hakennase‘ als antisemitisches Stereotyp“ ließen sich bereits im
       Mittelalter finden, erklärt die Informationsstelle. In der deutschen
       Nazi-Diktatur sei die Zuschreibung zudem in Propaganda- oder Schulmaterial
       verbreitet gewesen.
       
       Dass ein Dachdecker diese Bezeichnung im Jahr 2025 in einer Stellenanzeige
       verwende, zeige, „wie sich dieses antisemitische Stereotyp bis heute
       fortsetzt“. Er richte sich „ganz offensichtlich in einer die Menschenwürde
       verletzenden Weise an Jüdinnen:Juden“, findet Rias. Die NS-Wortwahl stelle
       Jüdinnen:Juden als „unterwertig dar und spricht ihnen letztlich das
       Lebensrecht in der Gemeinschaft ab“.
       
       Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei aber kein Einzelfall.
       „Antisemitismus wird immer noch [3][viel zu oft von der Justiz nicht ernst
       genommen]“, bemängelt Rias. Das erschüttere das Vertrauen der jüdischen
       Community.
       
       Auf eine weitere Perspektive des Falls weist Ferda Ataman hin. Die
       unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung betont, dass jede
       Diskriminierung am Arbeitsmarkt verboten sei – egal ob strafrechtlich
       relevant oder nicht. Ob eine Stellenanzeige diskriminiere, „kann nur ein
       Gericht in einem zivilrechtlichen Prozess entscheiden“.
       
       „Zivilrechtlich“ heißt jedoch: Nur Menschen, die sich bei Ronny W. auf eine
       Lehre zur Dachdecker:in hätten bewerben wollen, aber von seinem
       Ausschluss betroffen wären, könnten klagen. Ataman glaubt: „Den Mut, mit
       persönlicher Anschrift gegen mutmaßliche Rechtsradikale zu klagen, werden
       viele aber nicht aufbringen.“ Das zeige, weshalb „es ein Verbandsklagerecht
       und ein Klagerecht für Antidiskriminierungsstellen braucht.“
       
       ## Handwerkskammer prüft auch nicht mehr
       
       Als die Werbeanzeige im April öffentlich wurde, sorgte das bundesweit für
       Aufsehen. Bei der Dresdner Staatsanwaltschaft ging „eine Vielzahl“ an
       Strafanzeigen ein. Die Stadtverwaltung Sebnitz bezeichnete die Werbung als
       ausländerfeindlich. Der lokale Fußballverein, bei dem der Dachdecker Ronny
       W. über Jahre Sponsor war, löschte dessen Logo von der Website.
       
       Auch der Präsident des Sächsischen Handwerktages, Uwe Nostiz, betonte dazu
       in einem Statement: „Wir als sächsisches Handwerk stehen für Toleranz,
       Weltoffenheit und Miteinander.“ Es schien, als habe die rassistische
       Stellenanzeige Folgen für Ronny W.
       
       Laut der [4][Sächsischen Zeitung prüfte die Handwerkskammer] in der Folge,
       ob der Dachdecker – der einen von der Handwerkskammer zertifizierten
       Ausbildungsbetrieb führt – persönlich geeignet für Lehrlinge sei. Dann,
       kurz nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dresden, hieß es diese
       Woche: Es bestünden „keine hinreichenden Gründe mehr, die
       Ausbildungsberechtigung aufgrund mangelnder persönlicher Eignung zu
       entziehen“.
       
       Es wäre das erste Mal gewesen, dass die Handwerkskammer in Sachsen einem
       Betrieb die persönliche Eignung aberkannt hätte. Der Freistaat braucht halt
       Fachkräfte und jeden, der sie schaffen kann. Daran ändert offenbar auch der
       Antisemitismus und Rassismus eines Dachdeckers nichts.
       
       27 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://x.com/datt_thomas/status/1912568270408020304/photo/2
 (DIR) [2] /Rias-Bericht-zu-Antisemitismus/!6092257
 (DIR) [3] /Vorwurf-der-Volksverhetzung/!6093997
 (DIR) [4] https://www.saechsische.de/lokales/saechsische-schweiz-osterzgebirge/rassistische-anzeige-im-amtsblatt-sebnitz-ermittlungen-gegen-dachdecker-eingestellt-O34S5I75CZHZLDDXQLYCFEZB2U.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Muschenich
       
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