# taz.de -- Rituale bei der EM der Frauen: Die heilige Liturgie der Uefa
       
       > Das Gedenken an den verstorbenen Profi Diogo Jota gehört zum festen
       > Ritual in den EM-Stadien. Auch ein Bernhardinerwelpe darf nicht fehlen.
       
 (IMG) Bild: Ritualisierte Trauer: Gedenkminute für den verunglückten Profi Diogo Jota vor dem Anpfiff des Spiels Norwegen gegen Finnland
       
       Fünf Tage in Folge habe ich mir nun jeden Abend ein EM-Spiel irgendwo in
       einem Schweizer Stadion angeschaut. Und viermal in Folge bin ich nun schon
       nach dem obligatorischen Abspielen der Nationalhymnen für eine Gedenkminute
       aufgestanden. Zu Ehren des bei einem Autounfall verstorbenen
       [1][portugiesischen Fußballprofis Diogo Jota] und seines Bruders, der dabei
       ebenfalls ums Leben kam.
       
       Eigentlich hätte ich schon laut Stadionansage bei den Nationalhymnen
       aufstehen müssen, aber weil ich ansonsten auch nicht zu Ehren einer Melodie
       oder einer Nation mich erhebe und die Hände andächtig zusammenführe, lasse
       ich das hier lieber bleiben.
       
       Bei Menschen ist das natürlich etwas anderes. Aber selbst die anrührendste
       Geste des Gedenkens verliert durch Ritualisierung an Kraft. So habe ich nun
       schon vier Minuten im Stehen an Diogo Jota und seinen Bruder gedacht.
       Mittlerweile frage ich mich, wie viele Minuten beim Turnier noch dazukommen
       werden. Ich muss zugeben, die Gedanken schweifen von Mal zu Mal etwas mehr
       ab – wie früher beim Gottesdienst.
       
       Die heiligen Uefa-Spiele haben ihre eigene Liturgie. Sie ist jedes Turnier
       leicht verändert, aber die aktuelle ist mir unterdessen in Fleisch und Blut
       übergegangen. In der Halbzeitpause etwa wird jedes Mal aufs Neue das
       EM-Maskottchen Maddli vorgestellt. Es tänzelt dann mit leicht
       ausgebreiteten Armen vor den Zuschauern auf und ab, als könne es fliegen.
       
       ## Das Herz des Hundes
       
       Es handelt sich aber nicht nur dem Augenschein nach, sondern [2][auch durch
       Uefa-Dokumente belegt], um einen Bernhardinerwelpen, benannt nach der
       ersten lizensierten Fußballerin der Schweiz, [3][Madeleine Boll]. Und
       während das Hündchen tänzelt, erklärt die Stadionsprecherin jedes Mal,
       Maddli sei sehr verspielt und der Ansicht, dass der Fußball für alle da
       sei, und sie habe ein Herz so groß wie die Schweiz. In den Uefa-Unterlagen
       kann man nachlesen, dass Maddlis Träume noch größer als ihr Herz wären,
       womit sie ja dann auch größer als die Schweiz ausfallen würden. Aber
       darüber sprechen die Stadionsprecherinnen offenbar lieber nicht.
       
       Dafür weisen sie bei allen Spielen regelmäßig auf die im Stadion
       ausgehängten QR-Codes hin. Wer sich in den Stadien bedroht oder
       diskriminiert fühlt, kann diese Codes einscannen und so Verbindung mit dem
       „Awareness-Team“ vor Ort aufnehmen. Bei der Männer-EM 2024 wurde das
       Verfahren eingeführt und brachte vor allem Beschwerden zu etwa
       nationalistischen und rechtsgerichtete Aussagen ans Licht. Mal sehen, was
       die Auswertung bei der Frauen-EM ergeben wird.
       
       Die Uefa ist im modernen Zeitalter angekommen. Auf der Anzeigetafel, auch
       das gehört zur Stadionliturgie dieser EM dazu, kann man sich zudem den
       QR-Code einscannen, um an die jeweilige Teamaufstellung zu gelangen. Früher
       wurden die Aufstellungen einfach nur ständig auf der Anzeigetafel
       aufgelistet. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.
       
       7 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.uefa.com/news-media/news/029b-1e25d1a4317b-3b2f41f8a4c4-1000--im-gedenken-an-diogo-jota-und-andre-silva/
 (DIR) [2] https://de.uefa.com/womenseuro/news/0293-1c7307e89bdc-4db05f4095d2-1000--vorstellung-des-maskottchens-der-uefa-women-s-euro-2025-m/
 (DIR) [3] /Geschichte-des-Frauenfussballs/!6093159
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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