# taz.de -- Waffen für die Ukraine jetzt!: Deutschland wieder mal zu spät – aber mit gutem Gewissen
       
       > Im vierten Jahr des Vernichtungskriegs verrät nicht nur Trump die
       > Ukraine. Auch Deutschland ist nicht der Musterschüler, als den es sich
       > gern sieht.
       
 (IMG) Bild: Rettungskräfte räumen die Trümmer eines durch einen russischen Angriff zerstörten Wohngebäudes in Kiew am 23. Juni 2025
       
       Neulich träumte ich, ich sei in Moldau. Ich besuchte Verwandte,
       [1][irgendwo zwischen Chișinău und Tiraspol]. Wir rannten in den Keller
       meiner Großmutter, draußen flogen Flugzeuge, Raketen schlugen ein. Ich war
       wieder Kind und wusste doch: Der Krieg war jetzt.
       
       Putins Truppen feuerten in der Nacht auf Freitag 539 Drohnen und elf
       Raketen auf ukrainische Städte – nach ukrainischen Angaben der größte
       Drohnenangriff seit Beginn des Krieges. Die ukrainische Flugabwehr ist
       durch die schiere Masse überfordert, Menschen sterben, Infrastruktur
       zerfällt. Und die westlichen Unterstützer? Schaffen es kaum noch, Nachschub
       für Abwehrraketen zu liefern.
       
       Wir befinden uns im vierten Jahr eines Vernichtungskrieges. Doch noch immer
       wird Öl und Gas aus Russland in die EU importiert, teils sogar über Umwege
       als Flüssigerdgas (LNG), verschifft mit Hilfe europäischer Unternehmen.
       [2][Laut einer SWR-Recherche] soll allein 2025 eine deutsche Firma LNG im
       Wert von mindestens zwei Milliarden Euro erhalten.
       
       Bombengeschäft für Putin, im wahrsten Sinne: Russlands Kassen klingeln, der
       Krieg kann weitergehen – vom Westen [3][mitfinanziert]. Dass die EU noch
       immer keine Sanktionen auf russisches LNG verhängt hat, ist eine Schande.
       Wenn es der Bundesregierung mit ihrer Solidarität ernst ist, muss sie
       handeln. Andere wie die USA oder Großbritannien haben es längst getan.
       
       Auch bei der militärischen Unterstützung bleibt vieles zögerlich,
       schleppend. Wenn Menschen in Charkiw, Kyiw, Odesa und Dnipro jede Nacht
       Schutz suchen müssen, ist es vielleicht zu viel verlangt, ihnen zu
       erklären, warum wir [4][das mit dem Taurus] noch mal durchrechnen müssen.
       Und die deutsch-ukrainische Waffenproduktion? Klingt wie ein Fortschritt.
       Aber sie hilft nicht jetzt. Deutschland ist mal wieder zu spät. Aber dafür
       mit gutem Gewissen.
       
       ## Kein Impuls, der der Ukraine jetzt hilft
       
       Beim Nato-Gipfel vergangene Woche wurde ein neues Rüstungsprogramm
       beschlossen. Ein wichtiges Signal. Die europäischen Armeen wurden über
       Jahrzehnte vernachlässigt, wie der Zustand der Bundeswehr zeigt. Aber:
       Während Europa seine Lager füllt und Produktionslinien plant, reiste
       Präsident Wolodymyr Selenskyj mit leeren Händen ab. Keine neue Perspektive
       auf einen Nato-Beitritt. Kein Impuls, der der Ukraine jetzt hilft.
       
       Man hätte ja sagen können: Lasst uns erst mal die ausrüsten, die sich
       gerade mit einem imperialen Angriffskrieg herumschlagen. Dann schauen wir,
       wie viel Munition für uns übrig bleibt. Oder wir machen beides
       gleichzeitig.
       
       Jetzt, da sich die USA weiter aus der Ukraine-Unterstützung
       [5][zurückziehen], wächst die Verantwortung Europas und vor allem
       Deutschlands. An Kanzler Friedrich Merz liegt es nun, Partner zu
       überzeugen, Abwehrsysteme zu liefern. Die Ukraine braucht zumindest die
       Chance, sich in der Luft verteidigen zu können. Um Leben zu retten.
       
       Die Aufmerksamkeit für den Krieg schwindet. Ich verstehe Entfremdung von
       der zigsten Debatte über Waffenlieferungen, auch Nachrichtenmüdigkeit. Aber
       viel müder sind die Ukrainer selbst. Sie würden gerne wieder durchschlafen,
       unbeschwert leben. Ohne Verzweiflung, Todesangst.
       
       Eine Freundin beginnt fast jeden Morgen mit der Frage an ihren Cousin in
       Charkiw: Lebst du noch? Ich frage mich oft, wie sie beide diese
       Unerträglichkeit aushalten.
       
       Eine Anekdote geht so: Eine Russin ruft ihre ukrainischen Verwandten an.
       Die sitzen im Keller, Bomben über ihnen. „Was habt ihr denn?“, sagt die
       Russin. „Im Fernsehen heißt es, bei euch ist alles ruhig.“ „Wir hören die
       Raketen!“, rufen die Ukrainer. Die Russin: „Dann sind das wohl die
       Deutschen. Die wollen eskalieren.“ Die Ukrainer seufzen: „Unwahrscheinlich.
       Die liefern nichts vor Sonntag.“ Darauf die Russin: „Na dann. Kommen wir
       eben selbst. Um euch von den Nazis zu befreien.“
       
       6 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Winter-in-Transnistrien/!6059590
 (DIR) [2] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/lng-russland-sanktionen-duh-gazprom-novatek-100.html?utm_source=firefox-newtab-de-de
 (DIR) [3] /Wie-Deutschland-den-russischen-Krieg-finanzierte/!6081569
 (DIR) [4] https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-krieg-merz-taurus-marschflugkoerper-lieferung-100.html
 (DIR) [5] /USA-setzen-Waffenlieferungen-aus/!6094761
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
       
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