# taz.de -- Karl Lauterbach übers Gesundheitssystem: „Ich habe die Leute nicht belogen“
       
       > Vom Arbeiterkind zum Spitzenpolitiker: Karl Lauterbach wollte unbedingt
       > Gesundheitsminister werden. Nun zieht er Bilanz.
       
 (IMG) Bild: „Ich bin, wenn man so will, ein Workaholic und muss mit dieser Last leben“: Karl Lauterbach in Berlin
       
       taz: Herr Lauterbach, werden Sie der erste deutsche Politiker im All? 
       
       Karl Lauterbach: Sie meinen, weil ich jetzt den Ausschuss für Forschung und
       Raumfahrt leite?
       
       taz: Die CDU hat schließlich angekündigt, dass sich die neue Regierung in
       Sachen Raumfahrt wieder mehr engagieren will. 
       
       Lauterbach: Raumfahrt interessiert mich tatsächlich. Ich wollte mal Physik
       studieren, auch Astronomie finde ich spannend, die Entstehung der Planeten
       und die Möglichkeiten, Exoplaneten zu untersuchen. Ich bin in diesem Gebiet
       auch etwas eingelesen, da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel
       getan. Aber die praktische bemannte Raumfahrt, das ist jetzt nicht so mein
       Schwerpunkt. Dass wir die Probleme auf unserem Planeten lösen, das ist für
       mich doch wichtiger als die Frage, ob wir fünf oder zehn Jahre früher auf
       dem Mars sind.
       
       taz: Wäre es nicht viel naheliegender gewesen, den Vorsitz im
       Gesundheitsausschuss des Bundestags zu übernehmen? 
       
       Lauterbach: Das gehört sich nicht. Wenn man als Minister ausscheidet, ist
       es nicht fair, wenn man der neuen Ministerin ständig in die Arbeit
       hineinpfuscht. Ich werde mich weiter zu gesundheitlichen Themen äußern,
       weil ich ja wissenschaftlich in diesem Bereich weiterarbeite. Aber ich
       werde mich jetzt nicht in die Tagespolitik des Gesundheitsministeriums
       einmischen.
       
       taz: Es galt als Ihr großer Traum, Gesundheitsminister zu werden. 
       
       Lauterbach: Das klingt kitschig, aber ich hatte schon als Schüler das Ziel,
       die Gesundheitsversorgung der Menschen besser zu machen. Das war der Grund,
       warum ich eben nicht Physik oder Mathematik, sondern Medizin studiert habe.
       Ich habe erst die Politik beraten, dann bin ich Gesundheitspolitiker
       geworden, dann Sprecher der SPD, dann stellvertretender
       Fraktionsvorsitzender, und die nächsthöhere Stufe war halt die des
       Ministers. Rückblickend habe ich zumindest formal alles erreicht, was man
       als Mediziner in der Gesundheitspolitik erreichen kann.
       
       taz: Ist denn die Gestaltungsmacht tatsächlich so viel größer als Minister? 
       
       Lauterbach: Mit jeder Stufe steigt der Gestaltungsspielraum, man muss ihn
       aber auch nutzen können. Die Tätigkeiten, die ich vorher gemacht habe,
       haben dabei auf jeden Fall geholfen. Ich hatte in der verkürzten
       Legislaturperiode nicht viel Zeit und habe mit unserem Team im
       Gesundheitsministerium trotzdem 20 Gesetze gemacht und über 100
       Verordnungen.
       
       taz: Ist das die Währung für Ihre Zeit als Minister– wie viele Gesetze Sie
       gemacht haben? 
       
       Lauterbach: Da geht es nicht um Masse, das sind auch sehr grundsätzliche
       Gesetze. Ich habe mich sofort konzentriert auf Dinge, von denen ich dachte,
       sie würden langfristig Einfluss haben. Diese Gesetze wären mir nicht
       möglich gewesen ohne die viele Vorerfahrung.
       
       taz: Und jetzt haben wir mit [1][Nina Warken eine Gesundheitsministerin],
       die so gar nicht aus diesem Feld kommt. 
       
       Lauterbach: Sie wird es definitiv mit einem anderen Zugang machen als ich.
       Aber das kann auch sehr erfolgreich sein. Es gibt Minister, die fachfremd
       in einen Bereich gekommen sind und dann sehr gute Minister waren.
       
       taz: Im Umgang mit Lobbyisten ist Fachwissen aber sicher hilfreich. Wie
       stark ist denn deren Druck auf den Gesundheitsminister? 
       
       Lauterbach: Das entscheidet der Minister selbst. Wenn Sie Lobbyisten nicht
       viel Einfluss geben wollen, müssen Sie es auch nicht.
       
       taz: Dann geben die der Presse böse Interviews. 
       
       Lauterbach: Ja, dann ist das eben so. Ich gelte deshalb für viele als
       Lobbyistenschreck. Mir wird vorgeworfen, ich habe Lobbyisten nicht gut
       behandelt, man müsse mehr im Dialog mit Lobbyisten entscheiden. Ich habe
       Lobbyisten eher auf Distanz gehalten. Ich habe deren Argumente zwar gehört,
       aber nicht mit ihnen über die Gesetze verhandelt.
       
       taz: Weil Sie es selbst am besten wissen? 
       
       Lauterbach: Manchmal sicher auch das. Wenn man selbst als Wissenschaftler
       gearbeitet hat, kann man tatsächlich Studien gut einschätzen und zwischen
       Studienergebnissen und dem Missbrauch von Studienergebnissen für
       Interessenpolitik sehr gut unterscheiden. Aber auch ich habe natürlich sehr
       viele Dialoge geführt und mich beraten lassen. Nur eben häufiger von
       Wissenschaftlern, anderen Gesundheitspolitikern, Leuten, die kein
       wirtschaftliches Interesse an den Gesetzen hatten.
       
       taz: Ich lese Ihnen mal ein Zitat aus Ihrem Buch „Der Zweiklassenstaat“ von
       2012 vor: „Das Gesundheitssystem ist nicht nur mittelmäßig, was Leistungen
       angeht, sondern auch höchst ungerecht.“ Da schreiben Sie auch, dass der
       Staat selbst die Fiktion aufrechterhält, wir hätten ein gerechtes
       Gesundheitssystem und dass das eine Schande sei. Haben Sie sich als
       Minister daran beteiligt? 
       
       Lauterbach: Diese Unehrlichkeit, dass man ein System besser darstellt, als
       es in Wirklichkeit ist, habe ich nie mitgemacht. Ich habe auch als Minister
       immer betont, dass unser Gesundheitssystem teuer, aber mittelmäßig ist,
       dass wir erhebliche Qualitätsdefizite haben. Ich habe die Leute nicht
       belogen. Wir liegen unter dem westeuropäischen Durchschnitt bei der
       Lebenserwartung, weil wir die ärmeren Menschen so versorgen, dass sie sehr
       viel früher sterben. Nirgendwo in Westeuropa sind die Unterschiede in der
       Lebenserwartung so groß wie in Deutschland.
       
       taz: Das zu betonen, bedeutet aber noch nicht, etwas dagegen zu tun. Haben
       Sie das deutsche Gesundheitssystem gerechter gemacht? 
       
       Lauterbach: Wir haben Gesetze gemacht, die davon ganz klar motiviert sind.
       Mit dem „Gesundes-Herz-Gesetz“ wollten wir zum Beispiel ausdrücklich den
       großen Unterschied zwischen Arm und Reich bei den
       Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern.
       
       taz: Gerade bei diesem Gesetz haben Sie nicht mehr geschafft, es durch den
       Bundestag zu bekommen. 
       
       Lauterbach: Leider nicht, das hätte ich mehr priorisieren müssen. Es ist
       das wichtigste der Gesetze, die fertig waren und nicht mehr gekommen sind
       [2][wegen des Ampelbruchs]. Aber auch die Krankenhausreform ist so
       motiviert. Häufig machen Krankenhäuser Eingriffe, für die sie nicht gut
       qualifiziert sind. In der Regel trifft das die ärmeren und bildungsferneren
       Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu informieren
       und in den besseren Kliniken behandeln zu lassen. Diese Ungerechtigkeit
       habe ich immer bei der Begründung und Durchführung meiner Gesetze beachtet.
       
       taz: Auch nach Gesundheitsminister Karl Lauterbach leben wir in einem
       System, in dem Privatversicherte sofort einen Termin bekommen und
       gesetzlich Versicherte nicht einmal einen Arzt finden, der sie überhaupt
       noch aufnimmt. Wollten Sie nicht auch diese Ungerechtigkeit abschaffen? 
       
       Lauterbach: Eine [3][gemeinsame Bürgerversicherung] für alle halte ich nach
       wie vor für richtig. Aber solange die Unionsparteien oder die FDP
       mitregieren, ist das wahrscheinlich nicht durchsetzbar. CDU, CSU und FDP
       bestehen darauf, dass die Unterschiede zwischen privat und gesetzlich
       Versicherten weiter bestehen sollen. Manchmal behaupten sie, es gebe diese
       Unterschiede gar nicht, und manchmal behaupten sie, die Unterschiede wären
       nicht gravierend oder die Ärzte bräuchten das Geld der Zweiklassenmedizin.
       Aber das Ergebnis ist immer das Gleiche: keine Bereitschaft zur Diskussion.
       Daher muss man jetzt versuchen, pragmatisch innerhalb des bestehenden
       Systems die Gesundheitsversorgung der gesetzlich Versicherten zu
       verbessern.
       
       taz: Überlagert der Pragmatismus den Idealismus, je länger man im
       politischen System Karriere macht? Weil die Möglichkeiten, Dinge
       grundlegend zu verändern, dann doch gering sind? 
       
       Lauterbach: Ich finde nicht, dass die Gestaltungsspielräume gering sind,
       sondern immens. Ich kenne ehrlich gesagt in ganz Europa kein anderes
       politisches System, in dem Minister so viel Macht haben wie in Deutschland.
       
       taz: Sagen Sie das, weil Sie gern noch einmal Gesundheitsminister werden
       wollen? 
       
       Lauterbach: Nein, weil das System so funktioniert. Nehmen Sie [4][die
       Krankenhausreform]: weg von den Fallpauschalen, mehr Spezialisierung,
       komplizierte Eingriffe werden nur in den Kliniken gemacht, die dafür auch
       geeignet sind. Das ist eine fantastische Grundidee, an die ich schon seit
       vielen Jahren glaube und die ich als Minister tatsächlich umsetzen konnte.
       Das muss man sich mal vorstellen.
       
       taz: Das ist zwar angestoßen, aber die Erfolge sehen wir noch nicht.
       Vielleicht nimmt die neue Regierung Teile davon auch wieder zurück. 
       
       Lauterbach: An der Krankenhausreform wird sich hoffentlich nichts
       Grundsätzliches mehr ändern, ich habe den neuen Koalitionsvertrag ja
       mitverhandelt.
       
       taz: Es soll mehr Ausnahmen geben, längere Übergangsfristen. 
       
       Lauterbach: Das werden wir erst noch sehen. Die Grundzüge der Reform müssen
       auf jeden Fall überleben. Weitere Beispiele sind die elektronische
       Patientenakte und das Medizinforschungsgesetz. Auch das konnte ich so
       umsetzen, wie es mir wichtig war. Nein, an Einfluss hat es mir nicht
       gemangelt. Das Einzige, was am Ende fehlte, war Zeit.
       
       taz: Und die Gleichbehandlung von Privat- und Kassenpatient*innen, die
       verbuchen wir jetzt als Utopie? 
       
       Lauterbach: Im Moment ja. Aber wissen Sie, früher war noch viel weniger
       Menschen klar, wie ungerecht das System ist. Auch bei der SPD und den
       Grünen hat das gedauert. Jetzt geht das Thema nicht mehr weg, daran werde
       ich auch weiter aktiv mitwirken. Langfristig werden wir eine
       Bürgerversicherung bekommen, da bin ich zuversichtlich.
       
       taz: Bis dahin reichen kleine Verbesserungen im ungerechten System? 
       
       Lauterbach: Es ist einfach falsch zu sagen, dass das, was ich als Minister
       und was wir als Team Bundesgesundheitsministerium gemacht haben, kleine
       Veränderungen sind. Selbst wenn wir jetzt eine Bürgerversicherung hätten:
       Ohne diese grundlegende Krankenhausreform würde das System trotzdem nicht
       automatisch gerechter. Dann würden nämlich auch innerhalb einer
       Bürgerversicherung häufiger ärmere und bildungsferne Menschen in den
       Krankenhäusern operiert, die weniger gute Behandlungsergebnisse haben.
       
       taz: Sie haben selbst eine sogenannte bildungsferne Herkunft. Spielt das
       nach so einer langen Karriere, mit über 60 Jahren, noch eine Rolle? 
       
       Lauterbach: Auf jeden Fall. Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie
       und gehöre zu den wenigen, die alle denkbaren Bildungsstufen durchlaufen
       haben, vom Arbeiterkind bis zum Harvard-Professor. Aber dass es für
       Menschen aus benachteiligten Schichten sehr viel schwerer ist, all diese
       Wege zu gehen, und dass man für Chancengleichheit im Bildungs- und
       Gesundheitsbereich Reformen braucht, das habe ich wirklich nie vergessen.
       Ich bleibe nah dran an den Menschen mit diesen Nachteilen.
       
       taz: Tatsächlich? Sie werden überall mit einem Fahrer hingebracht und sind
       vor allem von studierten Menschen umgeben, von Professor*innen,
       international anerkannten Wissenschaftler*innen, von Eliten. Das klingt
       nach maximaler Distanz zu Ihrer eigenen Herkunft. 
       
       Lauterbach: Ich überbrücke diese Distanz jede Woche, wenn ich in meinen
       Wahlkreis komme. Gerade in Köln-Mülheim gibt es sehr viele arme Menschen
       und Menschen mit Benachteiligungen. Denen geht es zum Teil noch sehr viel
       schlechter, als es mir in meiner Kindheit widerfahren ist. In meiner
       Familie gab es keine Arbeitslosigkeit, Suchtprobleme, Gewalt oder
       psychischen Erkrankungen. Ich sehe die Schicksale dieser Menschen sehr klar
       und bin nie auch nur in Gefahr gewesen, den Kontakt zu diesen Milieus zu
       verlieren.
       
       taz: Erleben Sie selbst noch Nachteile Ihrer Herkunft? 
       
       Lauterbach: Sie haben schon recht, ich bin sehr viel mit anderen
       Professoren und Intellektuellen zusammen. Und dass dort mein
       Arbeiterhintergrund eine Rolle spielen würde, das empfinde ich nicht so.
       Die meisten wüssten das auch gar nicht, wenn ich das nicht selbst ab und an
       betonen würde.
       
       taz: Finden Sie es wichtig, das zu betonen? 
       
       Lauterbach: Im politischen Umfeld ja. Erstens als Ermutigung für andere.
       Und zum Zweiten kann es auch eine gewisse Glaubwürdigkeit in der Diskussion
       bringen, wenn ich zum Beispiel über die Nachteile im Rahmen der
       Zweiklassenmedizin spreche.
       
       taz: Als inzwischen längst Privatversicherter. 
       
       Lauterbach: Trotzdem würden mir die Leute abkaufen, dass ich ziemlich genau
       weiß, wovon ich rede. Ich erlebe das nicht, dass mir jemand sagt: Woher
       willst du denn das wissen?
       
       taz: Die Angst, aufgrund der Herkunft als weniger schlau enttarnt zu
       werden, scheint jedenfalls nicht Ihr Thema zu sein. 
       
       Lauterbach: Ich kenne viele, die das erleben, aber nein, das ist bei mir
       wahrscheinlich nicht so stark ausgeprägt. Zum Schluss kochen wir alle mit
       Wasser und daher glaube ich nicht, dass mir da durch meine Herkunft
       irgendetwas fehlt. Ich habe auch nicht die Annahme, dass ärmere Menschen
       oder Menschen mit Bildungsnachteilen dümmer sind. Ich kenne sehr viele
       intelligente Menschen, deren Intelligenz nie richtig gefördert wurde. Und
       wenn sie gefördert worden wäre, dann wären diese Leute sehr weit gekommen.
       
       taz: Würden Sie sagen, Ihr Leben ist ein erfolgreiches? 
       
       Lauterbach: Mit der Frage beschäftige ich mich im Moment wirklich nicht.
       Ich habe sowieso wenig Zeit.
       
       taz: Sollte man das mit über 60 nicht langsam mal machen? 
       
       Lauterbach: Es ist mir ehrlich gesagt wichtiger, dass ich für andere etwas
       erreiche, als dass ich darüber philosophiere, was mein eigener Lebenserfolg
       wäre.
       
       taz: Es heißt, Sie arbeiten sehr viel und schlafen sehr wenig. 
       
       Lauterbach: Ich arbeite gerne hart und ich arbeite auch gerne sehr viele
       Stunden. Das macht mir nichts aus, weil mich die Dinge, die ich im Amt
       gemacht habe und auch jetzt mache, einfach sehr stark interessieren. Ich
       bin also, wenn man so will, ein Workaholic und muss mit dieser Last leben.
       
       taz: Es gibt Spitzenpolitiker*innen, die sagen, diesen Job kann man nicht
       viele Jahre machen. 
       
       Lauterbach: Das würde ich nicht sagen. Das ist zwar eine Arbeit, die auch
       verschleißt. Aber ich sehe es eben so: Wenn man etwas erreichen will, auch
       für andere, dann darf man sich selbst nicht im Schongang bewegen.
       
       taz: Muss man als Spitzenpolitiker ein Workaholic sein? 
       
       Lauterbach: Das weiß ich nicht, in dieser Frage bin ich nicht so stark
       eingelesen. Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Ich kenne jedenfalls
       meinen eigenen Arbeitsstil gut und gedenke nicht, etwas zu verändern.
       
       taz: Bevor Sie Minister wurden, waren Sie einer der beliebtesten Politiker
       Deutschlands. Dann, im Amt, wurde diese Bewertung, sagen wir mal,
       ambivalenter. Spielt das eine Rolle für Sie? 
       
       Lauterbach: Natürlich ist man lieber beliebt als unbeliebt. Aber wir müssen
       uns daran messen, was wir erreicht haben. Ich habe Beliebtheitsverluste
       immer auch sehenden Auges in Kauf genommen, um die Sache voranzubringen.
       Und es gab wenige, selbst bei meinen ärgsten Feinden, die gesagt haben, der
       ist inkompetent oder faul.
       
       taz: Das ist aber schon so ein Gradmesser für Erfolg bei Ihnen, oder? Wie
       schlau und fleißig jemand ist … 
       
       Lauterbach: Wie gesagt, über ein gelungenes Leben mache ich mir keine
       Gedanken, aber als Minister darf man sich nicht schonen.
       
       taz: Vor allem in den Medien wird ja immer wieder behauptet, die Jüngeren
       würden weniger arbeiten. 
       
       Lauterbach: Das ist nichts, womit ich mich beschäftige. Generation Z oder
       was weiß ich. Ehrlich, ich habe definitiv keine Idee, was ein erfolgreiches
       Leben ist. Das ist wirklich nichts, wo ich was Schlaues zu sagen könnte.
       Und persönlich kenne ich viele junge Leute, die hart arbeitende Idealisten
       und Idealistinnen sind.
       
       taz: Trauern Sie der Gestaltungsmacht als Gesundheitsminister nach? 
       
       Lauterbach: Es muss weitergehen. Jetzt kümmere ich mich im Ausschuss für
       wirtschaftliche Zusammenarbeit um globale Gesundheit und um den Bereich
       Klima und Gesundheit, da sind die Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich
       noch viel größer als im deutschen Gesundheitssystem. Außerdem kann ich
       hoffentlich im Forschungsausschuss vorantreiben, dass künstliche
       Intelligenz mehr genutzt wird für die Erforschung von Krankheiten, für die
       Vorbeugemedizin.
       
       taz: Gibt es auch etwas, auf das Sie gerne verzichten, seit Sie nicht mehr
       Minister sind? 
       
       Lauterbach: Ich habe hart damit zu kämpfen, dass es in der Gesellschaft
       eine kleine Gruppe gibt, die mich angreift, verachtet und bedroht. Das ist
       entstanden [5][in der Coronazeit] aus den Kreisen der Querdenker, rechten
       Gruppen, Verschwörungstheoretiker. Dieser Hass hat viele getroffen, auch
       mich sehr intensiv und das ist durch die Funktion als Gesundheitsminister
       noch mal schlimmer geworden. Darauf könnte ich definitiv gut verzichten.
       
       taz: Aber das würde Sie nicht davon abhalten, präsent zu bleiben? 
       
       Lauterbach: Wenn ich meine eigene Sicherheitslage verbessern könnte, indem
       ich die Arbeit nicht mehr mache, die mir wichtig ist? Nein, diese Frage
       stellt sich nicht.
       
       28 Jun 2025
       
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