# taz.de -- Nach Grazer Amoklauf: Österreich will liberale Waffengesetze prüfen
       
       > Ein 21-Jähriger tötete mit legal erworbenen Waffen elf Menschen in einem
       > Gymnasium. Österreich gehört zu den am stärksten bewaffneten Ländern
       > Europas.
       
 (IMG) Bild: Menschen in Graz gedenken der Opfer eines Amoklaufs in einer Schule
       
       Wien taz | Eine Glock-Pistole und eine abgesägte Schrotflinte, beide
       problemlos gekauft und legal besessen. Damit beendete ein 21-Jähriger das
       Leben von neun Schülern, einer Lehrerin und am Ende sein eigenes. [1][Der
       Amoklauf, letzten Dienstag in einem Grazer Gymnasium begangen,] war die
       schlimmste Bluttat Österreichs seit 1945. Sie ereignete sich nur wenige
       Wochen vor den großen Sommerferien.
       
       Es dauerte nicht lang, bis eine breite Debatte entbrannte, nicht nur in den
       sozialen Medien: Bei einer Gedenkveranstaltung am Tag nach der Tat sagte
       Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass die Waffengesetze überprüft
       werden sollten. Tags darauf diskutierte der Nationale Sicherheitsrat,
       darunter mehrere Minister und hochrangige Beamte, wie sich solche Fälle
       künftig vermeiden lassen können.
       
       Eine der drängendsten Fragen betrifft den Waffenzugang. Laut „Small Arms
       Survey“ (2018) ist die österreichische Bevölkerung eine der
       meistbewaffneten in Europa. Demnach gibt es in Österreich durchschnittlich
       30 Schusswaffen pro 100 Personen – ein Spitzenwert, übertroffen in der EU
       nur von Zypern (34) und Finnland (32). Die rund 374.000 erfassten
       Waffenbesitzer verfügen über insgesamt mehr als 1,5 Millionen Waffen.
       Tendenz stark steigend.
       
       Das [2][deutsche Waffengesetz gilt im internationalen Vergleich als
       restriktiv.] Nicht so das österreichische. „Bei der Führung von Waffen im
       öffentlichen Raum ist der österreichische Gesetzgeber vergleichsweise
       streng, nicht aber beim Besitz und Erwerb. Und der Zugang ist ja das
       eigentliche Problem“, sagt Stefan Storr, Professor für Verwaltungsrecht an
       der Universität Graz. Er sieht durchaus Reformbedarf. Besonders kritisch
       bewertet er die Bestimmungen für sogenannte Kategorie-C-Waffen – Flinten
       und Büchsen, die bereits ab 18 Jahren mit bloßer Registrierung, aber ohne
       spezielle Prüfung erworben werden können. „Das ist auffallend
       niederschwellig“, so der Jurist.
       
       ## Gutachten sei leicht zu manipulieren
       
       Anders verhält es sich bei Kategorie-B-Waffen wie Pistolen und Revolver:
       Hier müssen zwar Käufer mindestens 21 Jahre alt sein, wenn sie erstmals
       Waffen erwerben, ein psychologisches Gutachten vorlegen, einen
       Rechtfertigungsgrund angeben und grundlegende Kenntnisse im Waffenumgang
       nachweisen. „Die entscheidende Frage ist aber, wie diese
       Verlässlichkeitsprüfung konkret vollzogen wird und wie man eine
       Verlässlichkeit überhaupt feststellen kann“, sagt Storr.
       
       Das nötige waffenpsychologische Gutachten kostet etwa 300 Euro. Das
       Verfahren besteht aus einem Gespräch über Drogenkonsum, Depression,
       Medikamenteneinnahme und Stressbewältigung sowie einem computergestützten
       Test. Kritiker bemängeln jedoch, dass dieser auf Selbstangaben beruht und
       daher leicht manipulierbar sei. Gefordert werden mehrstufige Verfahren mit
       multiprofessionellen Teams statt Einzelentscheidungen von Psychologen.
       
       Besonders brisant: Wie nun bekannt wurde, wurde der Täter von Graz als
       „psychisch untauglich“ für den Wehrdienst beim Bundesheer ausgemustert.
       Dennoch konnte er später problemlos die Waffen erwerben. Einen
       Datenaustausch gab es bisher nicht, wegen datenschutzrechtlicher Bedenken.
       Eine Reform wird nun geprüft, die beiden betroffenen Ministerien – Inneres
       und Verteidigung – zeigen sich aufgeschlossen.
       
       Von einem generellen Waffenverbot, wie es aktuell von verschiedenen Seiten
       gefordert wird, hält Storr wenig. Der Verwaltungsrechtler verweist auf
       legitime Interessen von Sportschützen, Jägern und Personen mit besonderen
       Sicherheitsbedürfnissen. Zudem befänden sich bereits rund 1,5 Millionen
       Schusswaffen in Österreich, viele davon illegal – insbesondere Waffen aus
       den Jugoslawien-Kriegen.
       
       ## Nicht zu eilig verschärfen
       
       Bevor es zu Verschärfungen kommt, braucht es laut Storr eine grundsätzliche
       Debatte im Nationalrat über die Frage, welche Maßnahmen wirklich
       erforderlich und sinnvoll sind. Darin müsse es außerdem um die
       Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung und Prävention speziell bei jungen
       Menschen gehen.
       
       Auch in Deutschland kam es zu mehreren Amokläufen. Nach den besonders
       schweren Fällen von Erfurt (2002) und Winnenden (2009) wurden sowohl das
       Waffenrecht verschärft als auch Präventionsmaßnahmen an Schulen und bei der
       Polizei verbessert. Die letzte große Reform der Waffengesetze kam 2020 als
       Reaktion auf rechtsextreme Gewalttaten. Seitdem gibt es etwa bei
       Zuverlässigkeitsprüfungen eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz, auch
       müssen Besitzwechsel konsequenter gemeldet werden. Dennoch bleibt die
       Kontrolle eine Herausforderung.
       
       Diese Debatten werden Österreich nicht erspart bleiben. Die Toten von Graz
       lassen sich nicht mehr zurückholen. Aber vielleicht lassen sich künftige
       Tote vermeiden.
       
       13 Jun 2025
       
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