# taz.de -- Comic über Filmdreh im Zweiten Weltkrieg: Bomben über Bardowick
       
       > In ihrem Comic-Roman „Die letzte Einstellung“ erzählt Isabel Kreitz von
       > Dreharbeiten in der Lüneburger Heide während der letzten Tage des Zweiten
       > Weltkriegs.
       
 (IMG) Bild: Comic „Die letzte Einstellung“: Gedreht wurde in Bardowick noch bis die britischen Bomben fielen
       
       Im Jahr 1944 sitzt ein verliebtes Paar in einem vollbesetzten Kino bei der
       Premiere des [1][Heinz-Rühmann-Films „Die Feuerzangenbowle“.] Danach laufen
       sie durch die Trümmer des zerbombten Berlins. Angesichts der aktuellen
       Bilder von zerstörten Häusern in Israel, Iran und Gaza haben diese
       Zeichnungen heute einen erschreckend aktuellen Resonanzraum. Und mit dieser
       Bilderfolge in ihrem Comic „Die letzte Einstellung“ bringt die Hamburger
       Comic-Künstlerin Isabel Kreitz die beiden Themen ihrer Geschichte auf den
       Punkt: Film und Krieg.
       
       Das Paar Erika Harms und Heinz Hoffmann hat sie erfunden, der Rest basiert
       auf Fakten. Kreitz erzählt von dem letzten Propagandafilm des „Dritten
       Reichs“, der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch in der
       Lüneburger Heide gedreht wurde – bis die britische Armee den Drehort, das
       Heidedorf Bardowick, einnahm. „Das Leben geht weiter“ sollte ein
       Durchhaltefilm werden, inspiriert durch das Motto einer Rede von Joseph
       Goebbels, der wahrscheinlich anonym auch das erste Drehbuch verfasst hatte.
       
       Die absurde Geschichte wurde vom Filmkritiker und späteren Regisseur
       Hans-Christoph Blumenberg recherchiert und 1993 in einer Buchdokumentation
       veröffentlicht, die dann im Doku-Drama,,Das Leben geht weiter“ adaptiert
       wurde. Das gewann 2003 in New York den International Emmy Award als bester
       Dokumentarfilm. [2][Auf Youtube kann man den Film gratis ansehen].
       
       Aber Isabel Kreitz wollte neben dieser Geschichte vom Untergang einer
       faschistischen Filmproduktion auch von Erich Kästner erzählen, der als von
       den Nazis verbotener Autor unter falschem Namen an den Drehbüchern von
       großen Produktionen der verstaatlichten Produktionsfirma Ufa wie
       „Münchhausen“ arbeitete. Er verbrachte die letzten Tage des Krieges bei den
       Dreharbeiten zu einem Film mit dem Titel „Das gestohlene Gesicht“ im
       Zillertal, bei denen „die Filmkassette in der Kamera leer war“, schreibt
       Kästner in seinem Tagebuch.
       
       ## Letzte Aufnahmen in der Heide
       
       Beide Filmgeschichten fügen sich gut zusammen, und Kreitz kann mit diesem
       Kunstgriff noch einen weiteren Bogen schlagen, wenn sie ihre Geschichte
       schon im Jahr 1933 anfangen lässt, in der ihre Kästner-Figur Heinz das
       Fräulein Erika kennenlernt. Der linke Autor und Zeitungsredakteur verliert
       nach der Machtübernahme seine Arbeit und seine Bücher werden verbrannt,
       während die kinobegeisterte junge Frau Produktionsassistentin bei der Ufa
       wird.
       
       Bei ihrer Arbeit begleitet sie die Produktion des Prestigefilms „Das Leben
       geht weiter“ von den Arbeiten an verschiedenen Drehbuchfassungen bis zu den
       letzten Aufnahmen im Heidedorf Bardowick. Dadurch gelingt es Kreitz, die
       Balance zwischen der fiktiven Geschichte von Erika und Heinz und möglichst
       vielen der erstaunlichen Details über die Filmproduktion zu halten.
       
       So erzählt sie etwa davon, wie Goebbels dem Filmteam als anzustrebendes
       Vorbild William Wylers „Mrs. Miniver“ aus Hollywood zeigte, den er (nicht
       zu Unrecht) für einen perfekten Propagandafilm hielt. Man erfährt viel von
       den Machtspielen bei der Ufa – davon, wie sich Künstler wie der Regisseur
       des Films, Wolfgang Liebeneiner, und der „Reichsfilmintendant“ Hans Hinkel
       dem System andienten und wie der Pressechef der Ufa, Richard Düwell, wegen
       eines Witzes denunziert und zum Tode verurteilt wurde.
       
       Die in Hamburg lebende Isabel Kreitz machte sich 1996 mit ihrer
       Comic-Adaption des Romans „Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe Timm
       einen Namen. Ihre [3][Vorliebe für Erich Kästner] zeigte sich, als sie
       Comics für Kinder nach dessen Romanen „Der 35. Mai“, „Emil und die
       Detektive“ und „Das doppelte Lottchen“ zeichnete. Und historische
       Geschehnisse bearbeitete sie auch schon in den Comics „Haarman“ und „Die
       Sache mit Sorge – Stalins Spion in Tokio“.
       
       ## Wie eine gute Filmemacherin
       
       In ihrem neuen Buch erzählt sie sehr filmisch. So gibt es große Totalen von
       Kinopalästen, Berliner Trümmerlandschaften und einer [4][gigantischen
       Filmkulisse des in Babelsberg] nachgebauten Stettiner Bahnhofs, in der
       Hunderte von Zwangsarbeiter*innen als Statisten zusammengepfercht
       wurden. Und sie arbeitet wie bei Nahaufnahmen mit den Gesichtern der
       Menschen, die Isabel Kreitz so ausdrucksstark gestaltet hat, dass die
       Geschichte dadurch erstaunlich emotional erzählt wird.
       
       Eine Bildfindung ist ihr dabei besonders gut gelungen: Da hängen in einem
       Filmstudio die Attrappen von Bomben an Seilen von der Decke. Und darunter
       stehen Erika und Heinz, die mit gebanntem Blick zu ihnen hinaufschauen. Mit
       solchen Zeichnungen zeigt Isabel Kreitz, dass sie wie alle guten
       Filmemacher*innen einfallsreich und vielschichtig in Bildern erzählen
       kann.
       
       28 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wintermarkt-mit-Die-Feuerzangenbowle/!6052736
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=Ta8obir2NwA
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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