# taz.de -- Radikalisierung durch Gaza: Der globalisierte Hass
       
       > In Boulder, Colorado, griff ein Mann eine Demo für die Freilassung der
       > israelischen Geiseln an. Es ist die Konsequenz einer gewaltvollen
       > Rhetorik.
       
 (IMG) Bild: Trauer im Boulder Jewish Community Center nach dem Anschlag, 2. Juni 2025
       
       Den Anschlag soll der Täter ein Jahr lang geplant haben: Am 1. Juni warf
       Mohamed Sabry Soliman Molotowcocktails auf Demonstrierende in [1][Boulder,]
       Colorado. Medienberichten zufolge setzte der Mann, ursprünglich aus
       Ägypten, auch einen Flammenwerfer ein. Dabei soll er „Free Palestine“
       geschrien haben. [2][Laut FBI sagte er], er wolle „alle zionistischen
       Menschen töten“.
       
       Die Menschen, die Soliman angriff, hatten sich versammelt, um die
       Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza zu fordern, die die
       islamistische Terrororganisation Hamas am 7. Oktober verschleppte und seit
       mehr als 600 Tagen gefangen hält, [3][foltert, verhungern lässt] und
       [4][sexuell missbraucht]. Getroffen hat seine Gewalt friedliche Personen,
       deren Protestform nichts anderes war als ein Solidaritätsspaziergang, ein
       „Lauf für ihr Leben“, wie sie es in Bezug auf die Entführten nannten. Der
       Attentäter verletzte zwölf Menschen, acht von ihnen mussten im Krankenhaus
       wegen Verbrennungen behandelt werden. Eines der Opfer war eine 88-jährige
       Holocaustüberlebende.
       
       Der Anschlag in Boulder ist der jüngste in einer erschreckenden Chronik des
       internationalen Terrors seit dem 7. Oktober 2023, der Tag, an dem die Hamas
       und weitere palästinensische Terrororganisationen Israel überfielen. Der
       darauffolgende Krieg in Gaza, der den Küstenstreifen in Trümmern
       hinterlassen und Zehntausende Menschenleben gekostet hat,
       [5][emotionalisiert] – zu Recht. Er radikalisiert auch.
       
       Zehn Tage vor dem Anschlag in Boulder ermordete Elias Rodriguez [6][zwei
       Mitarbeiter*innen der israelischen Botschaft] in Washington, D.C., als
       sie eine Veranstaltung des American Jewish Committee im Jüdischen Museum
       verließen: Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim. Die beiden waren ein Paar,
       Lischinsky hatte einen Verlobungsring gekauft und wollte eine Woche später
       in Jerusalem einen Heiratsantrag stellen. Die Veranstaltung, die sie
       besuchten, hatte zum Ziel, Brücken in Nahost zu bauen. Rodriguez schoss die
       beiden in den Rücken. Als sie zu Boden fielen, schoss der Täter weiter,
       auch als Milgrim versuchte, verletzt wegzukriechen. Rodriguez betrat dann
       das Jüdische Museum. Er konnte keine weiteren Menschen ermorden, weil die
       Polizei ihn kurze Zeit danach festnahm. Dabei rief auch er: „Free, free
       Palestine!“
       
       ## „Exterminate Zionists!“
       
       Einen Beitrag auf der Social-Media-Plattform X titelte Rodriguez
       „Eskalation für Gaza, bringt den Krieg nach Hause“. Darin rechtfertigte er
       „bewaffnete Aktionen“. Der Täter war bis 2017 für eine kurze Zeit in der
       Party for Socialism and Liberation, die sich prompt vom Anschlag
       distanzierte. So weit entfernt sind die Morde von ihrer Ideologie
       allerdings nicht. Auf einem Aufkleber der Partei, der [7][2023 im Internet
       kursierte], steht: „Exterminate Zionists!“ – Zionisten ausrotten.
       
       Es gibt bereits Kampagnen von linken und propalästinensischen Gruppen, den
       Washington-Attentäter Rodriguez freizulassen. Die Morde bezeichnen sie als
       „legitimen Akt des Widerstands“. Ein amerikanischer Tiktoker mit mehr als
       drei Millionen Followern ruft in einem Video zur Unterstützung von
       Rodriguez auf und bezeichnet ihn als „Widerstandskämpfer“. In der
       unmittelbaren Nähe der Berliner Humboldt-Universität [8][tauchten Plakate
       auf], mit roten Dreiecken – das Symbol, mit dem die Hamas Ziele markiert –,
       einem Foto von Yaron Lischinsky und die Worte: „Make Zionists Afraid“.
       
       Die Anschläge in Boulder und Washington sind nur zwei prominente Beispiele,
       die für ein großes Medienecho sorgten. Viele Vorfälle bekommen kaum
       Aufmerksamkeit. Häufig trifft diese Gewalt israelische Institutionen im
       Ausland: [9][In Mexiko-Stadt] und [10][Bukarest] warfen Täter
       Molotowcocktails vor den dortigen Botschaften. [11][In München] eröffnete
       ein Mann das Feuer auf das Generalkonsulat. [12][In Kopenhagen]
       explodierten Granaten vor der Botschaft. [13][In Belgrad] griff ein Mann
       die Botschaft mit einer Armbrust an. [14][Und in Stockholm] versuchten zwei
       Teenager, mutmaßlich im Auftrag Irans, die Botschaft mit Schusswaffen zu
       attackieren.
       
       Die Gewalt trifft auch jüdische Einrichtungen weltweit: Die ADL, eine
       amerikanische NGO, die Antisemitismus bekämpft, [15][verzeichnet dort 2.000
       Vorfälle an Institutionen] wie Synagogen seit dem 7. Oktober, mehr als die
       Hälfte davon Bombendrohungen. [16][In Brooklyn] plante ein Mann eine
       Massenschießerei in einem jüdischen Zentrum. [17][In Pennsylvania] setzte
       ein Mann das Haus des jüdischen Gouverneurs Josh Shapiro in Flammen.
       [18][In Berlin] warfen zwei vermummte Männer Molotowcocktails auf die
       Synagoge in der Brunnenstraße. [19][Und in Rouen] zündete ein Mann eine
       Synagoge an.
       
       ## Von Brooklyn bis Berlin
       
       Terroristische Anschläge wie diese sind die Konsequenz einer gewaltvollen
       Rhetorik, der in den sozialen Medien und auf der Straße kaum widersprochen
       wird, geschweige denn, dass sie verurteilt würde. Eine Rhetorik, die dazu
       aufruft, Feinde zu eliminieren und den jüdischen Staat Israel auszulöschen.
       Von Brooklyn bis Berlin skandieren Aktivist*innen, sie wollen „die Intifada
       globalisieren“. In Boulder und Washington sieht man das Ergebnis.
       
       Nun sind alle gefragt, die Folgen dieser Radikalisierung einzudämmen:
       Politik, Justiz, Zivilgesellschaft. Aber vor allem die Palästina-Bewegung
       selbst, die den Resonanzraum geschaffen hat, in dem Menschen zu Gewalt
       animiert werden und Täter zur Tat schreiten. Denn selbst nach Ende des
       Gaza-Kriegs, [20][das nicht schnell genug kommen kann,] werden Fragmente
       dieser autoritären Ideologie zurückbleiben. Ist das das, wofür ihr steht?
       Und wenn nicht: Was werdet ihr dagegen tun?
       
       7 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Angriff-auf-Demo-Juedische-US-Amerikaner-in-Angst/!6092041
 (DIR) [2] https://www.justice.gov/opa/media/1402301/dl
 (DIR) [3] https://www.tagesspiegel.de/internationales/hunger-folter-verhore-so-litten-die-geiseln-der-hamas-in-gefangenschaft-13212634.html
 (DIR) [4] https://www.nytimes.com/2024/03/26/world/middleeast/hamas-hostage-sexual-assault.html
 (DIR) [5] /11-jaehrige-Influencerin-in-Gaza-getoetet/!6090912
 (DIR) [6] /Toedliche-Schuesse-in-USA/!6086185
 (DIR) [7] https://x.com/StopAntisemites/status/1626797922472919040
 (DIR) [8] /Berliner-Staatsschutz-ermittelt/!6090490
 (DIR) [9] https://www.jpost.com/breaking-news/article-804112
 (DIR) [10] https://www.reuters.com/world/suspect-detained-romania-after-throwing-petrol-bomb-outside-israeli-embassy-2024-06-03/
 (DIR) [11] https://www.tagesschau.de/inland/anschlag-muenchen-israel-100.html
 (DIR) [12] https://www.theguardian.com/weather/2024/oct/02/hand-grenades-thrown-near-israeli-embassy-in-copenhagen
 (DIR) [13] https://www.bbc.com/news/articles/cd1xrekp9k5o
 (DIR) [14] https://www.timesofisrael.com/iran-directed-teens-who-attacked-israels-embassy-in-stockholm-last-may-police-says/
 (DIR) [15] https://www.adl.org/resources/press-release/over-10000-antisemitic-incidents-recorded-us-oct-7-2023-according-adl
 (DIR) [16] https://www.npr.org/2024/09/06/g-s1-21357/muhammad-shahzeb-khan-plot-shooting-jewish-center-new-york
 (DIR) [17] https://www.theguardian.com/us-news/2025/apr/16/arson-charge-josh-shapiro-pennsylvania-governor-mansion
 (DIR) [18] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/10/berlin-mitte-juedische-einrichtung-angriffe-polizei.html
 (DIR) [19] https://www.zeit.de/news/2024-05/17/mann-will-synagoge-anzuenden-polizei-erschiesst-ihn
 (DIR) [20] /Haftbefehl-gegen-Netanjahu/!6048843
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicholas Potter
       
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