# taz.de -- Filmfestspiele in Cannes: Polizei ermittelt gegen Polizei
       
       > In Dominik Molls Beitrag „Dossier 137“ geht es um staatliche Gewalt
       > während der Gelbwesten. In „Sirât“ von Oliver Laxe tanzen Raver in der
       > Wüste.
       
 (IMG) Bild: Polizeigewalt: Léa Drucker als interne Ermittlerin in dem Film „Dossier 137“ von Dominik Moll
       
       Die Gelbwestenbewegung Frankreichs wirkt heute wie aus einer fernen
       Vergangenheit. Vielleicht weil sie so kurzlebig war, aber vielleicht auch
       weil so viele andere Konflikte und Krisen inzwischen die Welt beherrschen.
       Im Dezember 2018 dominierte sie jedoch die Berichte in und aus Frankreich.
       
       Dominik Moll hat sich für seinen Film „Dossier 137“, der in Cannes im
       Wettbewerb läuft, einen wahren Fall von damals vorgenommen, um von
       Polizeiarbeit, aber auch von Verschiebungen in der Gesellschaft zu
       erzählen. Ähnlich wie in seinem [1][Thriller „In der Nacht des 12.“ aus dem
       Jahr 2022], der die erfolglose Suche der Polizei nach einem Mörder
       schildert, wählt Moll wieder die Perspektive der Polizei, jedoch mit ganz
       anderem Dreh.
       
       Seine Protagonistin Stéphanie gehört zur Inspection Générale de la Police
       Nationale, bei der intern untersucht wird, ob Polizisten sich Fehlverhalten
       im Dienst haben zuschulden kommen lassen. Da wegen der Gelbwestenproteste
       praktisch die gesamte Polizei auf den Straßen von Paris mobilisiert ist und
       es oft zu Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei kommt, gehen bei
       Stéphanie regelmäßig Beschwerden von Bürgern ein, die der Polizei
       unverhältnismäßige Gewalt vorwerfen.
       
       ## Gummigeschosse der Polizei
       
       Stéphanie, mit souveräner Beherrschtheit von [2][Léa Drucke]r gespielt,
       vernimmt Zeugen, schreibt Anfragen an Behörden, prüft Beweismaterial, das
       Übliche eben. Moll inszeniert das mit demonstrativer Nüchternheit, zugleich
       aber mit einem stetigen Sog der Dringlichkeit, denn Stéphanies Team will,
       so gewissenhaft und unparteiisch wie möglich, die Wahrheit über die
       Vorwürfe gegen Kollegen prüfen, womit sie sich nicht unbedingt beliebt
       machen.
       
       In einem Fall beginnt Stéphanie plötzlich obsessiv zu werden. Ein junger
       Mann ist bei Protesten durch ein Gummigeschoss der Polizei schwer am Kopf
       verletzt worden, so sehr, dass er zunächst nicht einmal vernehmungsfähig
       ist. Die Mutter berichtet, sie seien aus Saint-Dizier nach Paris gefahren,
       weil das Krankenhaus am Ort, in dem sie selbst arbeitet, vor der Schließung
       stehe. Sie seien weder politisch radikalisiert, noch habe ihr Sohn sich an
       Vandalismus oder Angriffen gegen die Polizei beteiligt.
       
       Ohne allzu viel vorwegnehmen zu wollen: Der Fall gestaltet sich
       kompliziert. Dass Stéphanie der Familie des Opfers nicht mehr sagen kann
       als „Wir gehen der Sache nach“, hilft ebenfalls nicht. In diesen
       Begegnungen macht Moll deutlich, wie sehr Stéphanie zwischen den Fronten
       steht: als Denunziantin des eigenen Berufsstands einerseits und als
       Repräsentantin einer Exekutive andererseits, die mitunter ohne Grund gegen
       die Bürger vorgeht, die sie doch eigentlich schützen soll.
       
       Damit ist Moll ganz in der Gegenwart mit der von verschiedensten Seiten
       bedrängten Demokratie. Im Film gestaltet sich das leicht schematisch, auch
       weil die Figuren der Opferseite zu flach angelegt sind. Aber womöglich
       wollte Moll die Handlung nicht mit Fragen in Richtung des Rechtsextremismus
       überfrachten. Rassismus taucht als Problem der Polizei zumindest kurz auf.
       Als politische Intervention im Stil eines Thrillers hat das alles durchaus
       Hand und Fuß.
       
       ## Raven in der Wüste
       
       Von klaren Botschaften eher unbeeindruckt präsentiert sich stattdessen der
       Regisseur Oliver Laxe mit seinem Wettbewerbsbeitrag „Sirât“. Dafür bietet
       er Bilder, die seine mehr als dünne Geschichte allemal entschuldigen, und
       einige Einfälle, die man getrost als unerwartet bezeichnen kann. Gleich zu
       Beginn sieht man eine Gruppe von Leuten, die am Rand des Atlasgebirges in
       Marokko eine riesige Verstärkerwand für einen Rave im Freien aufbauen. Kurz
       darauf setzt reduzierter Techno ein, mit Drone-artigen Bässen und elegant
       verzahnten Rhythmuspatterns, für die der Produzent Kangding Ray
       verantwortlich zeichnet. Von ihm stammt der gesamte Soundtrack.
       
       Die Protagonisten sind Laiendarsteller, ihre Figuren tragen ihre echten
       Vornamen, viel Tätowierungen, einem fehlt ein Fuß, einem anderen eine Hand.
       Dazu gesellen sich Luis (Sergi López) und dessen Sohn Esteban, die dessen
       Schwester suchen. Was folgt, ist ein Trip. Viel [3][karge Wüste].
       Verwirrung. Toll.
       
       16 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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