# taz.de -- Export von verbotener Agrarchemikalie: Für EU-Bauern zu gefährlich, für Südafrika reicht's
       
       > Bei der Alzchem-Hauptversammlung soll gegen den Export einer
       > Agrarchemikalie protestiert werden. Sie ist so giftig, dass die EU sie
       > verboten hat.
       
 (IMG) Bild: Dormex steigere zum Beispiel Traubenernte in Regionen mit milden Wintern, behauptet Alzchem
       
       Berlin taz | Dem bayerischen Hersteller Alzchem drohen neue Proteste, weil
       er eine in der EU wegen ihrer Giftigkeit verbotene Agrarchemikalie
       exportiert. Der Dachverband der [1][Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre]
       hat beantragt, dem Vorstand des Unternehmens bei der Hauptversammlung am
       Donnerstag „die Entlastung zu verweigern“. Denn Alzchem verkaufe immer noch
       das Mittel „Dormex“, dessen Wirkstoff Cyanamid 2008 in der EU „wegen extrem
       hoher Gesundheitsrisiken“ verboten worden sei.
       
       Tatsächlich steht die Substanz laut der [2][EU-Chemikalienbehörde Echa] in
       Verdacht, Krebs und Störungen der Fortpflanzungsfähigkeit und Entwicklung
       von Embryonen zu verursachen. Der Stoff kann demnach auch zu schweren
       Verätzungen der Haut und gravierenden Augenschäden führen. Die
       EU-Kommission stellte in ihrer Verbotsbegründung „eindeutige Hinweise“
       darauf fest, dass die Anwender einer größeren Menge des Mittels ausgesetzt
       würden als als sicher angesehen wird. Doch dieses grundsätzliche Verbot
       bezog sich nur auf den Einsatz in der EU – die Produktion für den Export
       ist bis heute erlaubt. Ein Ausfuhrverbot für solche Chemikalien konnte der
       Bundesagrarminister der Ampelkoalition, Cem Özdemir (Grüne), nicht
       durchsetzen. Eine EU-Regelung lässt auf sich warten.
       
       Deshalb verkauft Alzchem sein Cyanamid-haltiges Produkt Dormex immer noch
       als „Wachstumsregler“, der bei Wein- und Obstgehölzen die Winterruhe der
       Pflanzen breche. Ohne das Mittel würden sich in Klimaregionen mit milden
       Wintern und somit wenigen kalten Stunden zu wenige Knospen rechtzeitig
       öffnen. Dormex steigere die Ernten, so das Unternehmen mit Sitz in
       Trostberg.
       
       Doch die [3][Kritischen Aktionäre schreiben:] „Bäuerinnen und
       zivilgesellschaftliche Organisationen aus Südafrika berichten über
       Anwendungen ohne ausreichende Schulung, mangelnde Schutzausrüstung und in
       Konsequenz von Gesundheitsschäden, die klare Verstöße gegen
       Arbeitsschutzvorschriften zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren und
       Arbeitsunfällen darstellen.“ Dafür seien zwar die Arbeitgeber vor Ort
       verantwortlich, aber Alzchem mache sich mitschuldig, denn: „Bei derart
       schädlichen Produkten wie Dormex ist es auch unter Einhaltung höchster
       Sicherheitsmaßnahmen nicht möglich, eine Gesundheits- und Umweltgefährdung
       auszuschließen“.
       
       ## Lunge geschädigt, Job verloren
       
       Für die Kritiker ist auch nicht nachvollziehbar, „ob und wie Alzchem prüft
       und offenlegt, wie, wann und mit wem Schulungen zur sicheren Anwendung von
       Dormex in Exportländern durchgeführt werden.“ Es gebe zudem keinen Plan,
       aus dem Export von in der EU wegen Gesundheits- und Umweltrisiken
       verbotenen Chemikalien auszusteigen. Fazit: Der Vorstand verstoße gegen die
       UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, zu denen sich Alzchem
       explizit bekenne.
       
       Bei der Hauptversammlung will die Landarbeiterin Dina Ndleleni den
       Aktionären sagen, dass sie im Juli 2022 während der Arbeit bei einem
       südafrikanischen Tafeltraubenproduzenten mit Dormex vergiftet worden sei.
       „Meine Lunge wurde so geschädigt, dass ich meinen Arbeitsplatz und mein
       Einkommen verlor, weil ich arbeitsunfähig war“, so die Südafrikanerin. „In
       den sieben Jahren, in denen ich auf der Farm gearbeitet habe, habe ich
       weder eine persönliche Schutzausrüstung noch eine Schulung oder
       Informationen über die verwendeten Pestizide erhalten.“ Sie verlangt von
       Alzchem Hilfe bei ihrem Kampf um eine Entschädigung durch die Farm.
       
       ## Hersteller weist Vorwürfe zurück
       
       Der Vorstand argumentiert [4][in seiner Stellungnahme] zu dem Antrag damit,
       dass Dormex die Produktion von Früchten und Nüssen in Regionen wie
       Kalifornien oder Südafrika ermögliche, in denen sie „klimatisch nur schwer
       oder unter großem wirtschaftlichen Risiko möglich wäre“. So leiste das
       Mittel „einen wichtigen Beitrag zur gesunden Ernährung einer wachsenden
       Weltbevölkerung.“ Weder weniger gefährliche Produkte noch andere Techniken
       könnten Landwirten beim Problem mit der ausbleibenden Winterkälte helfen.
       
       Wenn Alzchem kein Cyanamid mehr produzieren würde, würden die Kunden „von
       anderen, oft weniger zuverlässigen Lieferanten bedient.“ Die Händler des
       deutschen Unternehmens dagegen klärten die Anwender in Schulungen über
       potenzielle Gefahren auf. „Landwirte und Anwender werden persönlich
       unterrichtet, wie man das Produkt sicher einsetzt.“ Es werde auch darauf
       geachtet, dass es vor Ort ausreichend persönliche Schutzausrüstung gebe. In
       manchen Ländern habe das Unternehmen selbst zum Beispiel Handschuhe
       kostenlos zur Verfügung gestellt.
       
       Für die Verbraucher sieht Alzchem sowieso keine Gefahr: Da Cyanamid schon
       Wochen vor dem Austrieb eingesetzt werde, sei ausgeschlossen, dass zum
       Erntetermin in den Trauben oder Äpfeln noch Spuren der Chemikalie zu finden
       sind.
       
       Doch Peter Clausing, Toxikologe der Umweltorganisation
       Pestizid-Aktionsnetzwerk, weist die Verteidigung des Konzerns zurück: „Die
       Behauptung von Alzchem, Dormex sei sicher in der Anwendung, ist völlig
       inakzeptabel. Nach Angaben der europäischen Behörden wird der zulässige
       Grenzwert für den Anwender selbst mit persönlicher Schutzausrüstung um mehr
       als das 60-fache überschritten.“ Clausing verweist auf ein [5][Gutachten
       der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit] zu Cyanamid.
       
       „Dormex wird aus wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit eingesetzt – nicht aus der
       Not heraus“, ergänzt Silke Bollmohr, Referentin der
       Entwicklungsorganisation Inkota. Viele Weinbaubetriebe in den betroffenen
       Regionen würden erfolgreich ohne Dormex arbeiten – „zum Beispiel durch den
       Anbau von Rebsorten, die von Natur aus an milde Winter angepasst sind.“
       
       7 May 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kritische-Aktionaere/!t5316080
 (DIR) [2] https://echa.europa.eu/information-on-chemicals/cl-inventory-database/-/discli/details/124450
 (DIR) [3] https://www.alzchem.com/fileadmin/Investor_Relations/Hauptversammlung/2025/KA_Gegenantrag_Alzchem_HV_2025.pdf
 (DIR) [4] https://www.alzchem.com/fileadmin/Investor_Relations/Hauptversammlung/2025/20250424_Dormex_HV.pdf
 (DIR) [5] https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1873
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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