# taz.de -- Gothicfolktrio Tristwch Y Fenywod: Der Schmerz der Frauen pocht finster
       
       > Mysteriöser Fairytale-Noir: Das Gothicfolktrio Tristwch Y Fenywod aus
       > Wales kommt mit seinem Debütalbum erstmals nach Deutschland auf Tour.
       
 (IMG) Bild: Tristwch Y Fenywod streifen durch die Wälder, die Zither ist ihr wichtigstes Instrument
       
       Der laterale Frikativ ist das eine. Aber da gibt’s auch stimmlose
       Sonoranten. Und natürlich die Anlautmutationen. Ein ziemlicher Albtraum
       also, dieses Walisisch. Aber auch faszinierend in seinem keltischen
       Kratzen. Versuchen wir’s doch mal: Tristwch Y Fenywod.
       
       Hinter diesem herausfordernd auszusprechenden Bandnamen stehen drei in
       Leeds lebende Musikerinnen. Zwei von ihnen sind im Norden von Wales
       aufgewachsen und auf verschiedenen Wegen wieder zurück zur Regionalsprache
       ihrer alten Heimat gelangt. Gemeinsam haben sie auf dem schottischen
       Indielabel Night School vergangenes Jahr ihr schwarz-schillerndes Debüt
       veröffentlicht, eines der faszinierendsten Alben der Saison. Jetzt bringt
       das Trio seine Musik erstmals live nach Deutschland.
       
       Schon das Cover des Tristwch Y Fenywod-Debüts versprüht okkulte Düsternis:
       Drei Frauen stehen in bodenlangen, wallenden Kleidern in einem Birkenwald,
       gedruckt ist das grobkörnige Foto in Giftgrün auf Schwarz. Die Musik hält,
       was die Optik verspricht. Unter dem durchgehend walisischen Gesang setzt
       das industrielle Stampfen eines aufs Nötigste reduzierten elektronischen
       Schlagzeugs voller Hall und der auf die Tiefen beschränkte Bass den
       düsteren Grundton.
       
       Ein Sound aus der Nachbarschaft finster-atmosphärischer
       Gothic-Veröffentlichungen der frühen Achtziger. Das Debütalbum von Dead Can
       Dance sei der gemeinsame Nenner der drei Musikerinnen gewesen, heißt es.
       [1][Auch die schwärzesten Cure-Werke wie „17 Seconds“ und „Pornography“
       klingen an]. Doch das Hauptinstrument von Sängerin Gwretsien Ferch Lisbeth
       hebt Tristwch Y Fenywod von allen Vergleichen ab. Sie hat es selbst gebaut:
       zwei unterschiedlich gestimmte russische Zithern mit einem Kontaktmikrophon
       in der Mitte. Sie versetzen die Mid-Tempo-Stücke in ein metallisches
       Flirren, ein Pulsieren und Vibrieren. Zusammen fügt sich diese Kombination
       zu Songs, die direkt aus einem Steinkreis-Zeitloch entkommen scheinen. Aus
       einem Mittelalter, so finster, dass es in keinem Geschichtsbuch vorkommt.
       
       ## In der Tradition des freiheitsliebenden Außenseitertums
       
       [2][Druidischer Avant-Folk, hypnotische Trance, vorgetragen von drei
       queeren Künstlerinnen mit dezidiert antifaschistischer und feministischer
       Haltung.] Mit „Schmerz der Frauen“ lässt sich der Bandname übersetzen.
       Ferch Lisbeth leitet ihn von der inhärenten Melancholie ihrer weiblichen
       Erfahrung her und meint damit ein universelles feminines Leid, das sie erst
       zum Komponieren gebracht hat. Wales und seine eigenwillige Sprache spielen
       in den Songs von Tristwch Y Fenywod eine zentrale Rolle. [3][Schon in den
       1960ern stellten walisisch singende britische Musiker:innen eine
       Verbindung zur US-Protest-Follkszene her.] Während in New York und San
       Francisco seinerzeit für Bürgerrechte und Gleichberechtigung gesungen
       wurde, stritt man in Bangor und Caernarfon für die regionalen Rechte der
       Waliser:innen und ihre Sprache. Tristwch Y Fenywod sehen sich in einer
       Tradition des freiheitsliebenden Außenseitertums, dem Wales seit jeher eine
       Heimat gibt.
       
       Dass kaum jemand diese Songtexte versteht, steigert ihre Faszination nur.
       Das mysteriös Unverständliche birgt immer die Chance des Genialischen,
       während das Verständliche sich sofort gegen den Vorwurf des Banalen
       verteidigen muss. [4][„Light Breaks Where No Sun Shines“, beginnt ein
       Gedicht des walisischen Autors Dylan Thomas. Es passt in diesen
       landschaftlich spektakulären, wirtschaftlich und kulturell kargen Teil der
       britischen Inseln.] 
       
       Licht und Schatten liegen in seinen Tälern und an seinen
       wetterwechselhaften Küsten eng beieinander. Dylan Thomas fordert die
       Dunkelheit heraus und setzt ihr Erkenntnis und Schöpfung entgegen.
       
       Tristwch Y Fenywod tun mit ihrem dunkel-glühenden Gothicsound
       Vergleichbares. Ihre Klangsignatur hat etwas Altes, ohne dabei altertümlich
       zu klingen, etwas folkloristisches, ohne einen Hauch Folk zu spielen.
       Mysteriöser Fairytale-Noir. Ein Begräbnis-Marsch aus J.R.R. Tolkiens
       Songbook.
       
       10 May 2025
       
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