# taz.de -- Parlamentswahlen in Singapur: Opposition spürt leichten Aufwind
       
       > Bei den am Samstag anstehenden Wahlen in Singapur steht der Sieg der
       > Regierungspartei fest. Vielfalt wird vorgetäuscht. Die junge Generation
       > verlangt Reformen.
       
 (IMG) Bild: Parteivorsitzende Sylvia Lim bei einer Wahlkampfveranstaltung der Workers Party
       
       Berlin taz | Nach dem nur sehr kurzen Wahlkampf, dessen zehntägige Dauer
       stets die ewig regierende People’s Action Party (PAP) bevorteilt, wählt
       Singapur am 3. Mai ein neues Parlament. Das einzige Wahlkampfwochenende
       wurde in der gelenkten Demokratie des Stadtstaates trotzdem turbulent.
       Erstmals seit 2015 waren wieder öffentliche Wahlkampfkundgebungen möglich.
       Vor fünf Jahren mussten sie noch wegen der Coronapandemie ausfallen.
       
       Für Aufregung und eine über parteipolitische Grenzen seltene Einheit sorgte
       jetzt der islamistische Prediger Noor Deros. Die oppositionelle Workers
       Party (WP), so der [1][im benachbarten Malaysia] lebende Noor Deros, habe
       seine Forderungen nach mehr Rechten für Muslime und einer antiisraelischen
       Politik akzeptiert. Die malaiisch-muslimischen Wähler forderte der
       Hardliner und Gründer der homophoben Wear White-Bewegung im multiethnischen
       Singapur auf, streng nach religiösen Kriterien zu wählen.
       
       Premierminister Lawrence Wong erklärte am Sonntag auf X: „Wir alle müssen
       Identitätspolitik ablehnen und dürfen Rasse und Religion nie mit Politik
       vermischen.“ Die Demokratieaktivistin Kirsten Han kommentierte in ihrem
       Blog Wir, die Bürger: „Singapur ist unsere Angelegenheit und von niemandem
       sonst.“ Die WP wies die Behauptung des Predigers entschieden zurück, dessen
       Forderungen zu teilen.
       
       Religion ist im multireligiösen Singapur ein sensibles Thema und wie alles
       andere streng reguliert. Das betrifft auch Wahlen. Dank eines raffinierten
       Systems erscheinen sie als sehr demokratisch. In den Wahlkreisen treten
       sowohl Einzelkandidaten an als auch Kandidatengruppen, in denen mindestens
       ein Bewerber einer ethnischen Minderheit angehören muss.
       
       ## Junge Generation will Reformen
       
       Politische Vielfalt wird auch durch das System der Parlamentarier ohne
       Wahlkreis vorgetäuscht. Wegen des von den Briten geerbten
       Mehrheitswahlrechts kam es schon vor, dass die Opposition kein einziges
       Mandat bekam, auch wenn sie 30 Prozent der Stimmen erzielte. Um das System
       dennoch glaubwürdig erscheinen zu lassen, bekommen Spitzenreiter unter den
       Wahlverlierern trotzdem Mandate.
       
       Nutznießer mit zwei Sitzen war 2020 die von einem früheren PAP-Politiker
       gegründete Fortschrittspartei (PSP), die sonst kein Mandat gewonnen hätte.
       Han nennt dieses System gegenüber der taz unfair, undemokratisch und
       manipulativ: „Es ist darauf angelegt, die Fähigkeit der Singapurer zu
       beeinträchtigen, ein offenes und demokratisches System zu schaffen.“
       
       Auch wenn an einem Sieg der PAP kein Zweifel besteht, schließlich tritt die
       Opposition nur in einem Teil der Wahlkreise überhaupt an, darf man auf das
       Wahlergebnis gespannt sein. Die Formel des verstorbenen [2][autokratischen
       Staatsgründers Lee Kuan Yew] „Ich mache euch wohlhabend, dafür haltet ihr
       die Klappe“ funktioniert nicht mehr reibungslos. Bei der letzten Wahl
       verlor die PAP fast neun Prozent. Das tut der dauerregierenden Partei weh,
       auch wenn sie 2020 immer noch auf gut 61 Prozent kam. Die WP hingegen
       feierte mit 10 Mandaten, was einem Zehntel der Sitze entspricht, einen
       historischen Erfolg.
       
       Die junge Generation will soziale und demokratische Reformen. Regierung und
       PAP beobachten argwöhnisch den von Bangladesch über Myanmar und Thailand
       gewachsenen Einfluss der demokratisch gesinnten jungen Generation. Jetzt
       geht es in Singapur um [3][Fragen des Lebensunterhalts], aber auch darum,
       ob die PAP auf lange Sicht Singapur am besten durch Krisen und
       Handelskriege führen kann. Das ist auch eine Vertrauensabstimmung über
       Premier Wong, der erst seit Mai 2024 im Amt ist.
       
       30 Apr 2025
       
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