# taz.de -- Rückschau auf das tazlab 2025: Ein Safe Space gegen die Verdrießlichkeit
       
       > Das taz lab verzeichnet 2025 einen Publikumsrekord. Einig war man sich
       > darin: Machen statt Meckern ist auch für die Linke Trumpf.
       
 (IMG) Bild: Gut besucht: Blick auf eine Veranstaltung auf dem taz lab 2025
       
       Samstagfrüh um kurz nach acht Uhr ist bereits erstaunlich viel Leben am
       südlichen Ende der Friedrichstraße: Das taz-Haus ist fast schon voll, und
       dabei ist samstags doch gar kein Produktionstag für die Print- und
       Digitalausgabe der taz. Eine Schlange von erwartungsvoll gestimmten
       Menschen reicht aus dem Redaktionsgebäude bis in den sonnenbeschienenen
       Besselpark. Dort warten, bei morgens noch einstelligen Temperaturen, noch
       mehr Menschen auf Einlass. Passant*innen fragen neugierig, was hier los
       sei? Gibt es da wohl etwas umsonst?
       
       Nicht ganz, aber viel besser: Das taz lab 2025 öffnet seine Pforten. Auf
       insgesamt 13 Bühnen – einige im Besselpark sind tatsächlich auch kostenfrei
       für zufällig vorbeischlendernde Passant*innen – wird bis lange nach
       Einbruch der Dunkelheit diskutiert, gestritten, verstanden und nachgehakt.
       Der Leitsatz, der sich durch den Tag zieht: [1][„weiter machen – jenseits
       der Empörung“]. Und darin waren sich irgendwie alle einig: Mit
       apokalyptischem Denken kommt auch eine alternative Linke nicht weiter.
       
       Da spricht auf einer Bühne also Noch-Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt
       darüber, wie ihn der scheidende Kanzler Olaf Scholz inspiriert habe, und
       verteidigt ihn gegen den vermeintlichen Makel der Unscheinbarkeit. Auf
       einem anderen Podium diskutieren die Wissenschaftlerin Racha Kirakosian,
       der Jurist Murat Kayman und Zerrin Eren von der Universität Hamburg
       darüber, ob man sich eines zugeschriebenen „Migrationshintergrunds“
       eigentlich auch entledigen kann.
       
       taz lab, das war auch in diesem Jahr wieder ein linkes Politik- und
       Kulturfest, das von dem Publikum lebt, welches sich auf Fragen zur Zeit
       einlassen will: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und das
       pazifistische Erbe der deutschen Linken. Die Politik des israelischem
       Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der Krieg in Gaza. Der vor der
       Terrororganisation Hamas geflohene Hamza Howidy erzählte, wie sehr der
       Frieden in seiner Heimat von einem Ende der Hamas abhängt.
       
       Weiter machen – hierin war man sich einig. Warum gerade jetzt, auch das war
       vielen im Publikum klar: Manche verspürten „Angst vor einem Krieg“. Anderen
       ging es um aktivistische Impulse, etwa bei der Klimarettung. Manchen ging
       es auch um Persönliches: Noch-Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert
       Habeck von den Grünen sagte bei einer Veranstaltung in der taz Kantine über
       seine mögliche weitere berufliche Laufbahn nur, er halte sich an das Mantra
       des taz labs: „weiter machen“ also.
       
       Geopolitische Diskussionen führten vom Besselpark und aus dem taz-Haus die
       lab-Besucher*innen dann hinaus in die weite Welt: Der Politikexperte an der
       Universität der Bundeswehr in München, Carlo Masala, diskutierte mit seinem
       Kollegen von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Marc Saxer: Die Zeiten haben
       sich verändert, sagten beide. Aber das zu begreifen sei eine Einübung in
       andere Gefühle, demokratische Umsicht sei das Gebot der Stunde. Man sprach
       über die Tatsache, dass die militärische Schutzmacht USA sich womöglich
       zurückziehen könnte aus europäischen Konflikten – und wie das auch für ein
       Umdenken bei der Linken sorgen müsse. Denn wo Autokratien gewinnen, da
       werde eine zerstörte Linke zurückbleiben, sind sich beide einig, mit üblen
       Folgen für alle Anliegen, die besonders von ihr in die Politik getragen
       werden: Klimakrise, Demokratie, Solidarität.
       
       Was bei diesem – noch nie so zahlreich beim taz lab erschienenen – Publikum
       auffiel, war jedoch, dass ihnen allen Bitterkeit abging. Zumindest an
       diesem Samstag war keine Verdrießlichkeit im Atmosphärischen auszumachen.
       Die Fragen und Statements waren konstruktiv, es wurde sogar, nicht gerade
       die Kernkompetenz von Linken, viel gelacht und geschmunzelt. Mit anderen
       Worten, und etwas aus der Ferne des Festivalgeländes rund ums taz-Haus
       betrachtet: Man hatte hier, für einen kurzen Tag lang, so etwas wie einen
       Safe Space geschaffen. Niemand, so sagte es eine Besucherin aus dem
       Rheinland, werde hier blöde belehrt oder, so ein junger Mann aus dem
       brandenburgischen Jüterbog, als „Mensch aus dem Osten bemitleidet“.
       
       Apropos: Bei einem der sogenannten „Küchentisch-Gespräche“ zum Thema „Ost“
       kamen ProtagonistInnen des zivilgesellschaftlichen Engagements in den
       östlichen Bundesländern zu Wort. Dort, wo die AfD ihre
       Wähler*innen-Hochburgen hat. Es war somit auch ein Rückblick auf die von
       der taz Panter Stiftung ermöglichte Tournee der taz im vergangenen Jahr vor
       den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
       
       Die Erzählungen am taz-lab-„Küchentisch“ klangen mitunter nicht unbedingt
       wie Werbung dafür, sich im Osten niederzulassen. Aber, so die eindrückliche
       Botschaft etwa des sächsischen Autors Jakob Springfeld, Sachsen: Man möge
       sie dort im Osten bitte nicht allein lassen. Es gehe um Verantwortung,
       besonders für jene Menschen, die mit der AfD nichts zu tun haben wollen.
       
       Auffällig war an diesem Tag auch, dass nicht nur die Stars wie Robert
       Habeck, Co-SPD-Chefin Saskia Esken oder die Ex-Grünen-Vorsitzende Ricarda
       Lang Aufmerksamkeit erhielten. Auch die Panels der debütierenden
       Journalistin Yelizaveta Landenberger, der Schornsteinfegerin Celine
       Scharniel oder des Autoren Ole Nymoen waren gut besucht. Altbewährte
       Publikumslieblinge wie Harald Welzer, Soziologe und Herausgeber von
       taz.futurzwei, sowie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer waren sowieso eine
       Bank: Ihre Impulse zählen zum Rückgrat dieses Events seit vielen Jahren.
       
       Last but not least: Es war das erste taz lab, bei dem verstärkt
       Sicherheitskräfte präsent waren. Sie waren ausdrücklich als sichtbar
       erwünscht. Besonderen Schutz erhielt der taz-Kollege Nicholas Potter,
       steckbriefartig wird in Berlin zur Gewalt gegen ihn aufgerufen. Er konnte
       so an drei Panels teilnehmen. Er sagte bei der letzten Runde zum Thema
       „weiter machen. Aber wie?“: Es könne eine Linke nicht denkbar sein, die den
       Terrorangriff der Hamas auf in Israel lebende Bürger verteidigt, keine, die
       Putin, und sei es verdeckt, gutheißt. Es müssten für Linke alle Fragen
       zusammengedacht werden, die Engagierten dürften sich nicht auf ihren
       Fragefeldern verzetteln: Eine Perspektive müsse her, eine gemeinsame.
       Weiter machen eben.
       
       27 Apr 2025
       
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