# taz.de -- SPD Berlin in der Krise: Testballon-Fahrten mit Raed Saleh
       
       > Die Berliner SPD-Führung will von Spekulationen um die Spitzenkandidatur
       > für die Wahl 2026 nichts wissen. Dabei ist die Diskussion längst
       > entbrannt.
       
 (IMG) Bild: Das Berliner Saleh-O-Meter: Aufs und Abs einer Karriere
       
       Berlin taz | Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Kandidat: Das ist die offizielle
       Linie der Berliner SPD zur Frage, mit welcher Spitzenkraft die Partei im
       Herbst 2026 in die Abgeordnetenhauswahl ziehen will. Zunächst soll bis
       September der nach den vergangenen Wahlniederlagen gestartete
       [1][„inhaltliche Prozess der Neuaufstellung“ der Hauptstadt-SPD]
       abgeschlossen werden.
       
       Erst „anschließend wird die Partei eine Spitzenkandidatur festlegen, die
       zum Programm und zu Berlin passt“, teilen die Parteivorsitzenden Martin
       Hikel und Nicola Böcker-Giannini auf Nachfrage mit. Und im Übrigen
       beteilige sich die SPD-Führung nicht an Spekulationen.
       
       An genau diesen Spekulationen mangelt es freilich nicht. Etliche Namen für
       potenzielle Spitzenkandidat:innen schweben seit Längerem durch den
       sozialdemokratischen Gerüchtekosmos. Der bislang eher blasse Parteichef
       Hikel gehört unter anderem dazu, ebenso die häufig als zu leise kritisierte
       Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe.
       
       Auch die gewesene Spitzenkandidatin bei den Wahlen 2021 und 2023,
       zwischenzeitliche Regierende Bürgermeisterin und derzeitige
       Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey werden entsprechende Ambitionen
       nachgesagt. Viele in der Partei meinen allerdings, eine nochmalige
       Kandidatur gehe gar nicht.
       
       ## Salehs „Großer Sprung nach vorn“?
       
       Für Unruhe in Teilen der Partei sorgt nun ein weiterer Name auf der Liste
       der Womöglich-Kandidat:innen: Raed Saleh, seit 2011 SPD-Fraktionschef im
       Landesparlament, zwischen 2020 und 2024 zusätzlich Parteivorsitzender.
       „Saleh als SPD-Spitzenkandidat im Gespräch“, verkündete jedenfalls der
       Tagesspiegel in der vergangenen Woche.
       
       Bei wem der 47-Jährige im Gespräch ist, lässt der Beitrag offen. Bei der
       SPD-Linken jedenfalls nicht. Eine prominente Parteilinke sagt zur taz: „Die
       Meldung hat einige doch überrascht. Schließlich ist das Eis, auf dem Raed
       Saleh steht, seit letztem Jahr sehr viel dünner geworden.“
       
       Tatsächlich ist es genau ein Jahr her, dass der bisherige Parteichef Saleh
       beim Mitgliederentscheid der SPD-Basis zur künftigen Landesspitze [2][mit
       kläglichen 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen auf dem letzten Platz
       landete] und von den eigenen Genoss:innen gedemütigt wurde. Es war der
       absolute Tiefpunkt in seiner Parteikarriere. Im Anschluss hieß es
       allerorten, der Spandauer sei politisch erledigt, die Machtmaschine habe
       ausgedient, Ende einer Dienstfahrt.
       
       Die Niederlage machte Saleh zu schaffen. Aber nicht allzu lange.
       [3][Immerhin war ihm der Fraktionsvorsitz geblieben.] Recht bald war er
       wieder omnipräsent, als sei nie etwas gewesen. Gut gelaunt, umtriebig,
       süchtig nach Öffentlichkeit. Kaum eine Woche vergeht inzwischen, in der
       sich der Fraktionschef nicht wenigstens einmal politisch zu allen möglichen
       Themen zu Wort meldet – mehr als jede:r andere in der Berliner SPD.
       
       Es wäre nur folgerichtig, wenn seine Unterstützer:innen jetzt die Zeit
       gekommen sehen für Salehs persönlichen „Großen Sprung nach vorn“. Er selbst
       [4][erklärte bereits im vergangenen Herbst]: „Ich habe in Berlin noch eine
       Menge vor.“
       
       ## Gescheiterter Versuch vor zehn Jahren
       
       Zur Erinnerung: Raed Saleh wollte schon einmal Regierender Bürgermeister
       werden. 2014 bewarb er sich parteiintern um die Nachfolge von Senatschef
       Klaus Wowereit. Auch damals scheiterte er krachend. Weniger als ein Fünftel
       der Genoss:innen machten ihr Kreuz bei Saleh, den
       SPD-Mitgliederentscheid gewann der seinerzeitige Stadtentwicklungssenator
       Michael Müller, der Berlin dann auch bis 2021 regierte.
       
       Damals galt das für Saleh noch als verkraftbar. Der Fraktionschef war ja
       noch jung. Seither sind über zehn Jahre vergangen. Und es ist unklar, ob es
       sich bei den aktuellen Gerüchten nur um einen von Saleh-Unterstützer:innen
       lancierten Testballon handelt. Wie viel Zustimmung gibt es? Wie viel
       Protest? Saleh schweigt sich öffentlich aus.
       
       Wie die Landesvorsitzenden will auch er „Personalspekulationen“ nicht
       kommentieren. Mit Blick auf einen Zeitplan bei der
       Kandidat:innenfindung bleibt er gleich ganz im Ungefähren: „Diese
       ernsthaften Entscheidungen werden wir gemeinsam und zu gegebener Zeit
       treffen.“
       
       ## „Für viele nicht mehr relevant“
       
       Das Auf-Zeit-Spielen der Parteigranden in der Kandidat:innenfrage
       sorgt in der SPD zunehmend für Kopfschütteln. Schließlich liegt der Laden
       in der Gunst der Berliner:innen am Boden. Bei der Bundestagswahl
       [5][reichte es in der Hauptstadt gerade noch für 15,1 Prozent] und Platz 5.
       „Dass wir für viele nicht mehr relevant sind, das nehmen ja auch wir wahr“,
       [6][gab jüngst Parteichef Hikel zu Protokoll].
       
       Umso wichtiger sei es, nicht erst ab September ein:e Kandidat:in
       aufzubauen, die die SPD aus dem Tal der Tränen und im besten Fall 2026 ins
       Rote Rathaus führen kann, fordert die Vertreterin der Parteilinken. Denn:
       „Jetzt geht es los, nicht im Herbst. Jetzt müssen wir uns um eine
       Spitzenkandidatin kümmern.“
       
       Es reiche auch nicht, dass sich die SPD ihre Schwäche nur eingestehe. Sie
       müsse versuchen, daraus eine Stärke zu machen – „und zwar, indem sie eine
       starke Kandidatin sucht und findet, auch außerhalb des Landesverbands“.
       
       Das Problem: Externe dürften nicht eben Schlange stehen. Immer mal wieder
       ins Spiel gebracht wird zwar der ehemalige SPD-Generalsekretär Kevin
       Kühnert. Nur: Kühnert hatte im Oktober 2024 aus gesundheitlichen Gründen
       [7][seinen Rückzug aus dem Politbetrieb erklärt].
       
       Es wäre einigermaßen unverständlich, dass er davon abrückt, um sich
       ausgerechnet in der auch in der Bundespartei als „atmosphärisch schwierig“
       geltenden Berliner SPD aufzureiben.
       
       Das letzte Wort in dieser Frage hat ohnehin die Partei. Aus dem
       Landesvorstand heißt es: Sollten zu viele Kandidat:innen auf der Matte
       stehen, könnte es dabei erneut zu einem Mitgliederentscheid kommen. Raed
       Saleh hat damit Erfahrung.
       
       23 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Rutz
       
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