# taz.de -- Rechtsextremismus in Deutschland: Opferberatung: Rechte Gewalt ist „Massenphänomen“
       
       > Mehrere Bundesländer erleben einen Anstieg rechter Gewalt. Etwa
       > Thüringen. So viele Angriffe gab es nach Auskunft der Opferberatung Ezra
       > noch nie.
       
 (IMG) Bild: Kaputte Fensterscheibe nach einem rechten Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft in Stahnsdorf im März
       
       Leipzig taz | Morddrohungen, Brandanschläge, körperliche Angriffe: Im
       vergangenen Jahr registrierte Ezra, die Beratungsstelle für Betroffene
       rechter Gewalt in Thüringen, insgesamt 206 Gewalttaten, bei denen ein
       rechtes Tatmotiv erkennbar war. So viele wie noch nie, berichtete Franz
       Zobel, Projektleiter von Ezra, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.
       Rechte Gewalt sei nun ein „Massenphänomen“.
       
       Rassismus sei bei mehr als der Hälfte aller Fälle in Thüringen das Motiv
       gewesen. In 47 Fällen richtete sich die Gewalt gegen politische
       Gegner:innen. Auch antisemitische Angriffe bewegten sich laut Zobel weiter
       auf einem hohen Niveau. Verglichen mit den Vorjahren kam es häufiger zu
       Gewalttaten im öffentlichen Raum, zeigt die Statistik der Beratungsstelle.
       
       Allerdings weist auch die polizeiliche Kriminalstatistik des Freistaats
       einen Anstieg rechter Gewaltkriminalität aus. Erhielt die Polizei im Jahr
       2023 Kenntnis von 93 Fällen, so registrierte sie im Jahr darauf schon 133
       Fälle. Dieser Anstieg zeigt sich nicht nur in Thüringen.
       
       Im Februar ergab eine Kleine Anfrage der damaligen Bundestagsabgeordneten
       Petra Pau (Linke), dass die Zahl rechtsextremer Straftaten 2024 in
       Deutschland laut Bundesinnenministerium einen neuen Höchststand erreicht
       hat. Demnach verzeichnete die Polizei bundesweit 41.406 Delikte als
       politisch rechts motiviert – und das sind nur die vorläufigen Zahlen. Bei
       der im Mai erwarteten Statistik des Bundeskriminalamts dürften noch weitere
       Fälle bekannt werden.
       
       ## Zeitlicher Zusammenhang zu Wahlkämpfen
       
       Für das Jahr 2023 hatte das BKA insgesamt 28.945 angezeigte Straftaten
       registriert. Auch das war bereits ein Höchststand und BKA-Präsident Holger
       Münch warnte bei der Präsentation vor einer Radikalisierung von Teilen der
       Gesellschaft. Laut Innenministerium liege der Anstieg im Jahr 2024 auch
       daran, dass mehr ermittelt werde.
       
       Neben der Beratungsstelle Ezra in Thüringen, berichten auch Institutionen
       in anderen Bundesländern von ähnlichen Entwicklungen. So etwa die
       Beratungsstelle Support des Vereins RAA in Sachsen. Die veröffentlicht ihre
       Analyse zwar erst Mitte April, aber der taz sagte Geschäftsführerin Andrea
       Hübler schon vorab: 2024 registrierten sie 328 Fälle rechter Gewalt, ein
       Anstieg um 32 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Zum ersten Mal seit 2018,
       als es in Chemnitz zu rechten Ausschreitungen kam, verzeichnete die
       Beratungsstelle mehr als 300 Fälle.
       
       In Brandenburg berichtet die Beratungsstelle Opferperspektive von 273
       Fällen im vergangenen Jahr, in den meisten war Rassismus das häufigste
       Motiv. Genauso alarmierend sei aber auch die „drastische Zunahme“ von
       Angriffen auf politische Gegner:innen: „Im Vergleich zum Vorjahr hat sich
       diese Zahl nahezu verdoppelt“, heißt es im aktuellen Bericht der
       Beratungsstelle.
       
       Demnach stehe [1][die Entwicklung im Zusammenhang mit den Wahlkämpfen für
       die Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen.] So erfasste Opferperspektive
       etwa im September, dem Monat der Landtagswahl, 37 rechte Gewalttaten.
       „Damit sticht dieser Monat aus dem Jahresverlauf deutlich heraus.“
       
       ## Konsequentes Handeln wirkt
       
       Die Landtagswahlen könnten auch zu den hohen Fallzahlen in Thüringen und
       Sachsen beigetragen haben. Allerdings verzeichnete auch die Mobile
       Opferberatung in Sachsen-Anhalt einen Anstieg an Gewalttaten, wie sie am
       Donnerstag öffentlich machte. 281 Fälle waren es demnach 2024, im Jahr
       zuvor zählte die Beratung 241 Fälle. Antje Arndt, Projektleiterin der
       Mobilen Opferberatung, erklärte dazu, der Anstieg sei nur vor dem
       „Hintergrund einer fortschreitenden Normalisierung extrem rechter,
       minderheiten- und demokratiefeindlicher Positionen erklärbar.“
       
       Um dem Trend entgegenzuwirken, fordert Arndt unter anderem, die
       Beratungsstrukturen für Betroffene finanziell besser abzusichern. Außerdem
       sollten Strafverfolgungsbehörden auf „diese Eskalation rechter und
       rassistischer Gewalt reagieren.“
       
       In Thüringen hat auch Ezra-Leiter Zobel dafür einen konkreten Vorschlag.
       Nachdem die Staatsanwaltschaft in Eisenach gegen die [2][rechtsextreme
       Kampfsportgruppe „Knockout 51“] vorgegangen sei, verzeichne Ezra weniger
       rechte Gewalttaten in der Stadt. Konsequentes Handeln zeige Wirkung,
       schließt Zobel daraus. Er fordere deshalb eine
       „Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hasskriminalität“ in Thüringen, die speziell
       solche Taten verfolge.
       
       4 Apr 2025
       
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 (DIR) David Muschenich
       
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