# taz.de -- Nachruf auf Rosenstolz-Sängerin AnNa R.: Liebe war alles
       
       > Mit dem Duo Rosenstolz brachte sie den Sound der Nachwendezeit auf die
       > Bühnen als queere Band vor der Zeit. Nun ist AnNa R. mit 55 Jahren
       > gestorben.
       
 (IMG) Bild: Einst wichtigster Pop-Act im deutschsprachigen Bereich: Die Rosenstolz-Sängerin AnNa R
       
       Es musste der Eiserne Vorhang fallen, ehe dieser Act, diese Zweiergruppe
       zueinander finden konnte: Rosenstolz. Popkultur ist ein vergessliches Ding,
       was eben noch war, ist heute schon verschwunden: AnNa R., wie die Sängerin
       dieser Band hieß, war der Ton, der Sound von Rosenstolz. Sie lernte Peter
       Plate, den Mann an den Keyboards, in Berlin-Friedrichshain kennen, über
       Musik sich austauschend.
       
       Sie eine junge Frau, die in der DDR nicht zu einer Sangesausbildung
       zugelassen wurde, dafür Chemielaborantin wurde, sich als
       Musikalienhändlerin über Wasser hielt, die am liebsten Jazz oder raueren
       Folk singen wollte – Plate hingegen plädierte für ein Gemeinsames, er
       mochte ihre Stimme auf Anhieb, er sagte, mit Pop würden sie eventuell etwas
       schaffen können.
       
       Es war ein steiniger Weg, ehe sie zum wichtigsten Pop-Act im
       deutschsprachigen Bereich wurden, ausverkaufte Großhallenkonzerte, Goldenen
       Schallplatten noch und noch, Rosenstolz war für ihre Major Company,
       Universal, eine Cashcow, dass es nur so schepperte.
       
       ## Hier Buhrufe, da ein zweiter Platz
       
       Die ersten Gehversuche im Showbusiness allerdings endeten oft im
       Desaströsen. Hier ein bisschen Publikum, dort sogar ausgebuht, bei einer
       Art Clubkonzert [1][im Berliner SchwuZ] – sie mussten an sich glauben und
       sie taten: 1997 ein Auftritt in der ZDF-Hitparade, schließlich 1998 Teil
       des [2][Line-Ups des deutschen Vorentscheids zum Eurovision Song Contest],
       den zwar haushoch [3][Guildo Horn] gewann, aber Rosenstolz schafften einen
       zweiten Platz [4][mit dem Lied „Herzensschöner“], nach wie vor eine Perle
       deutschen Popschaffens.
       
       Mit dieser Performance waren sie das Zeugnis ihrer Zeit, wild wie die
       Nachwendejahre besonders in Berlin waren, immer auch ein wenig
       melancholisch, liebesbedürftig, unverstanden, ironisch in der Art. AnNa R.
       (das ist Anna Rosenbaum, später eheliche Anna Neuenhofen) war der geliebte
       Ausdruck dieser Zeit.
       
       ## Eine Sängerin mit innerem Volumen
       
       Ihre Stimme kraftvoll, immer auf den Ton, brüchig, wenn sie es wollte, in
       den traurigen Passagen. Man attestierte ihr die Fähigkeit einer
       Operettensängerin, aber das traf es nie so recht: AnNa R. war die
       Vokalistin, die ihre Chance im Leben mit Rosenstolz lebte, weil sie zuvor
       keine so recht bekam. Wirkte sie in Liedern wie „Die Schlampen sind müde“,
       „Liebe ist alles“ oder „Die Astronautin“ bisweilen kühl timbriert, aber
       selbstvertraut, so schildern sie FreundInnen als zweifelbereit, ja,
       keineswegs so triumphal in den fast expressionistisch anmutenden Gesten.
       Sie war keine Gewinnerin von irgendeinem Casting, sie war einfach eine
       Sängerin mit innerem Volumen: eine Liedinterpretin in eigener Sache.
       
       2012 gaben AnNa R. und Peter Plate bekannt, sich als Rosenstolz zwar nicht
       aufzulösen, aber ihr Projekt „in Würde auf Eis zu legen“ (AnNa R.). Es
       fehlte nach den 21 Jahren der Arbeit am Aufstieg zum Pophimmel an Kraft,
       einfach mit „more of the same“ weiterzumachen.
       
       AnNa R. wollte schon länger auch mal andere Sachen machen, Jazz, die Arbeit
       an freieren Vokalisen, [5][die Band Gleis 8 war ihr neues Ding]. Eigentlich
       wollte sie, die mit Plate eine Art queere Band vor der Zeit war, als sie
       dennoch mit Selbstbewusstsein für die Aidshilfe musizierten, politisch
       gegen den Irakkrieg sich verwendeten und im Übrigen für die Ehe für alle
       sich öffentlich aussprachen, in wenigen Monaten mit einem Soloprojekt auf
       Tour gehen, die Promotion hatte längst begonnen.
       
       AnNa R., die mit Peter Plate als Rosenstolz den wichtigsten Sound der
       zweiten Wendezeit auf die Bühnen brachte, die in Millionen jungen Gemütern
       den Glauben an die Liebe und das Überleben und gegen die Unmöglichkeit
       schlechthin entzündete und auf moderne Weise sagbar machte, ist Sonntag in
       Berlin tot aufgefunden worden.
       
       Sie wurde 55 Jahre jung, sie wird in den Erinnerungen als Herzensschöne
       noch viele Jahrzehnte weiterleben.
       
       18 Mar 2025
       
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