# taz.de -- Strafverfolgung einer Protestaktion: Papierflieger landet vor Gericht
       
       > Eine Klimaaktivistin hat bei einer Blockade in Bremen einen Papierflieger
       > geworfen und musste dafür vor Gericht. Das Ergebnis: Freispruch.
       
 (IMG) Bild: Wenn er nicht gefangen wird, ist er zu ahndender Müll: Papierflieger, in diesem Fall auf einem Fußballplatz in Rostock
       
       Bremen taz | Kurzen Prozess machte am Donnerstag eine Bremer Amtsrichterin.
       Um 10.43 Uhr, keine halbe Stunde nachdem der Prozess gegen eine 22-jährige
       Klimaaktivistin begonnen hatte, sprach sie diese auch schon frei.
       
       [1][Angeklagt] war die junge Frau, weil sie sich geweigert hatte, ein
       Bußgeld in Höhe von 20 Euro für das Werfen eines Papierfliegers zu zahlen.
       Das ist laut Bußgeldkatalog zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich
       des Umweltschutzes in Bremen der fällige Betrag für das unsachgemäße
       Entsorgen von Papiermüll und Taschentüchern.
       
       Gefaltet und geworfen hatte sie einen Platzverweis, den sie und weitere 43
       Personen bekommen hatten, weil sie am 20. Juli vergangenen Jahres die
       Hochstraße vor dem Hauptbahnhof blockierten. Die Zahl steht [2][in einer
       Senatsantwort an die Bremer CDU]. Die Blockade war Teil einer groß
       angelegten, nicht angemeldeten [3][Protestaktion der Letzten Generation]
       mit rund 400 Teilnehmer:innen, die über mehrere Stunden an drei Stellen
       Straßen in der Bremer Innenstadt besetzten.
       
       Die Richterin hört der jungen Frau aufmerksam zu, als diese ausführt, dass
       es sich bei dem Papierflieger um einen künstlerischen Ausdruck gehandelt
       habe. 2024 sei das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen
       gewesen, mit verheerenden Hitzewellen. Erstmals habe die globale
       Durchschnittstemperatur [4][mehr als 1,5 Grad] gegenüber der
       vorindustriellen Zeit gelegen.
       
       In „sengender Hitze“ hätten sie auf der Hochstraße gestanden: „Mit unserer
       friedlichen Versammlung wollten wir darauf aufmerksam machen und vor dem
       warnen, was passiert, wenn wir das Klima weiter nicht angemessen schützen“,
       liest sie von ihrem Laptop ab. Die Reaktion der Polizei darauf mit dem
       Einsatz von Wasserwerfern und Schmerzgriffen an den Protestierenden sei
       angesichts der Klimakrise „absurd“ gewesen. „Deshalb habe ich auf
       künstlerische Weise ausgedrückt, dass ich auf der Hochstraße bleiben muss.“
       
       Zudem habe sie nichts weggeworfen, sagt die Frau im grünen Hoodie, die an
       der Universität Kassel Ökologische Landwirtschaft studiert. Unter der
       Hochstraße hätten sich weitere Protestierende befunden, die ihren und
       weitere Papierflieger in Empfang nahmen und ordnungsgemäß entsorgten.
       
       Das ist dann auch der Grund, warum die Richterin sie freispricht: „Ein
       Papierflieger fliegt besser als ein zusammengeknülltes Papier, Sie konnten
       davon ausgehen, dass er aufgefangen wird.“ Insofern habe sie nicht gegen
       den [5][Paragrafen 28 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes] verstoßen, der
       vorschreibt, Abfälle „nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder
       Einrichtungen“ zu beseitigen.
       
       Das Urteil – die Kosten trägt die Staatskasse – hört dann auch der einzige
       Zeuge, ein Polizist, der nach seiner Aussage im Saal geblieben ist,
       zwischen rund 20 Unterstützer:innen der Angeklagten. Der 41-jährige
       schildert die Ereignisse am 20. Juli 2024 um 15.34 Uhr aus seiner Sicht: Er
       sei in der Beweissicherungseinheit eingesetzt gewesen, deren Mitglieder
       laut Senatsantwort von 169 Personen die Personalien überprüften und 66 in
       Gewahrsam nahmen.
       
       „Es ist ja ein edler Gedanke, sich für das Klima einzusetzen“, sagt der
       durchtrainierte Polizist, aber es „erschließe“ sich ihm nicht, warum man
       Platzverweise wegwerfe. „Das passt doch nicht zusammen.“ Die Angeklagte,
       die allein ohne Anwalt oder Anwältin gekommen ist, will von ihm wissen, ob
       er den Flieger als Müll wahrgenommen habe oder ob er denke, dass sie diesen
       für Müll gehalten habe. „Für mich war das Müll, in Ihren Kopf kann ich
       nicht gucken“, entgegnet er sehr freundlich.
       
       ## Identifizierung anhand von Videoaufzeichnungen
       
       Später sagt der Polizist der taz, die Angeklagte, die auffällig hellblonde
       Haare hat, sei die einzige der Papierflieger-Werfer:innen gewesen, die man
       anhand der Videoaufzeichnungen habe identifizieren können. Ob er selbst die
       Anzeige gestellt habe, will er nicht verraten. „Die Polizei“ habe dies
       getan.
       
       Damit nahm die Sache ihren Lauf. Die Umweltbehörde, bei der die Anzeige
       einging, verwarnte die Studentin zunächst und gab ihr die Möglichkeit, den
       Vorfall zu erklären. Nachdem sie dies nicht getan hatte, bekam sie einen
       Bußgeld-Bescheid, gegen den sie laut Umweltbehörde ebenfalls ohne Erklärung
       Einspruch einlegte. Daraufhin ging der Vorgang wie immer in solchen Fällen
       an die Staatsanwaltschaft über.
       
       Die hätte das Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
       allerdings einstellen können, genauso wie das Amtsgericht – immerhin
       beklagen die Justizbehörden eine Arbeitsbelastung, die eine zügige
       Bearbeitung aller Verfahren erschwere.
       
       Die Bremer CDU hatte sich im August vom Innensenator die Kosten des
       Polizeieinsatzes vorrechnen lassen. 129.907,82 Euro hatte der demnach
       gekostet, für den Einsatz von 344 Polizist:innen aus Bremen, Hamburg
       und Schleswig-Holstein. Darin waren aber noch nicht alle Rechnungen
       enthalten, etwa die für die Dixi-Klos und die Wasserwerfer. Und auch keine
       Kostenaufstellung für die Verfolgung des Papierflieger-Vergehens.
       
       4 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZcU-N0__L3a9btM0vPk964T06OCJuEeaQm9wyjHcZSmh/Teil_B_Letze_Generation_Ausschuesse-Deputationen_VL_21-2539.pdf
 (DIR) [3] /Letzte-Generation-orientiert-sich-um/!6070128
 (DIR) [4] /Erderhitzung-von-152-Grad/!5988579
 (DIR) [5] https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/__28.html
       
       ## AUTOREN
       
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