# taz.de -- Meloni als starke Frau Europas: Die Madonna und der Autokrat
       
       > Giorgia Meloni kann gut mit Donald Trump, ist aber klar Pro-Ukraine.
       > Rettet ausgerechnet Italiens rechte Ministerpräsidentin jetzt den alten
       > Westen?
       
 (IMG) Bild: Ciaoi, ich bin auch noch da: Italiens Ministerpräsidentin am 17. Februar im Pariser Élysée-Palast
       
       Rom taz | Was waren das für schöne Zeiten: [1][Damals Mitte Juni 2024 auf
       dem G7-Gipfel im süditalienischen Apulien.] Als Weltenlenkerin konnte
       Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni dort erscheinen. Auf dem
       Gruppenfoto wurde sie eingerahmt von US-Präsident Joe Biden und Frankreichs
       Staatschef Emmanuel Macron, daneben stand der Brite Rishi Sunak,
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Kanzler Olaf Scholz, der
       Kanadier Justin Trudeau. Alle lächelten in die Kamera.
       
       Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste als Ehrengast an.
       Großes Lob gab es damals für Italiens Ministerpräsidentin von den USA für
       die „standhafte Unterstützung der Ukraine durch Italien“. Und Meloni
       durfte für sich bilanzieren, dass ihr die Quadratur des Kreises gelungen
       war, dass sie, die radikal rechte Politikerin, weltweite Anerkennung
       erfuhr.
       
       Gerade einmal neun Monate sind seit jenem Gipfel vergangen. Das Foto wirkt
       jetzt merkwürdig vergilbt. Vergilbt vor allem, weil seit dem 20. Januar
       2025 nicht mehr Joe Biden im Weißen Haus sitzt, sondern Donald Trump die
       Macht übernommen hat – und weil er in nur wenigen Wochen die Karten der
       Weltpolitik völlig neu gemischt hat.
       
       Dabei hatte Meloni seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 hart daran
       gearbeitet, sich den Ruf einer international zuverlässigen Politikerin zu
       erwerben. In der EU hatte Italien unter ihr nicht nur vertragstreu gewirkt,
       vor allem in der Fiskalpolitik, sondern Meloni war es auch gelungen, eine
       enge Beziehung zu EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zu pflegen.
       
       Mehrfach ging sie mit ihr auf Reisen, nach Tunis, nach Kairo, nach
       Lampedusa. Immer ging es um die Flüchtlingspolitik – und Meloni konnte die
       Kommissionspräsidentin als Verbündete [2][für den harten und restriktiven
       italienischen Migrationskurs] gewinnen. Der Einsatz zahlte sich aus. Als
       sich im November 2024 die neue EU-Kommission formierte, setzte Italien
       [3][Raffaele Fitto], Kandidat aus Melonis Partei Fratelli d’Italia, als
       Exekutiv-Vizepräsidenten durch.
       
       ## Kuss auf die Stirn
       
       Genauso rund lief es auch bei den transatlantischen Beziehungen. Nahezu
       ikonisch ist das Foto von Melonis Besuch im Weißen Haus im März 2024, als
       der Gastgeber der anscheinend glücklich lächelnden Meloni einen Kuss auf
       die Stirn drückt. Ihr Ansehen bei Joe Biden hatte sie sich vor allem
       dadurch erworben, dass sie in EU und Nato nicht die Störerin nach dem
       Vorbild Viktor Orbáns gab. Vielmehr war sie bei der Unterstützung der
       Ukraine, bei Sanktionen gegen Russland genauso wie bei Waffenlieferungen an
       Kyjiw, immer dabei.
       
       Doch das zählt heute nicht mehr. Die Ukraine? Für Donald Trump ein Land,
       das von einem Mann – Selenskyj – regiert wird, den er nirgends als
       Ehrengast sehen will, [4][sondern lieber hochkant aus dem Oval Office
       wirft.] Die Nato? Ein Verein, für den die USA nicht mehr zahlen wollen. Die
       EU? Ein Klub, der bloß gegründet wurde, um die USA übers Ohr zu hauen,
       „formed in order to screw the United States“, wie es Trump formulierte.
       
       Melonis Kunstgriff der Quadratur des Kreises hat sich damit wohl erledigt.
       Dabei kennt sich die rechte Politikerin doch bestens mit diesem
       Instrumentenkasten aus. Auch in den Jahren, in denen die Postfaschistin
       sich zur seriösen Staatsfrau aufbaute, galt immer zugleich die umgekehrte
       Übung. Es lag ihr viel daran, ihren alten Vorlieben, ihren alten
       Freundschaften treu zu bleiben.
       
       Meloni fuhr in den Jahren 2019 und 2022 zu den CPAC-Konferenzen in den USA,
       auf denen sich Trumps MAGA-Fans treffen. In den Jahren 2023 und 2024
       entsandte sie Delegationen ihrer Partei. An ihrer ideologischen Nähe zu
       Trump ließ sie nie auch nur einen Zweifel aufkommen, verkniff sich zum
       Beispiel am 6. Januar 2021, dem Tag des Sturms auf das Kapitol, jede Kritik
       an ihm. Vielmehr lobte sie Trump dafür, dass er sich für ein Ende der
       Gewalt eingesetzt hätte.
       
       ## „Gott, Vaterland, Familie“
       
       Schon im Februar 2020, als Gast auf dem National Prayer Breakfast, hatte
       sie unterstrichen, dass Trump „ein Modell“ sei. Er stehe genau wie sie für
       „Gott, Vaterland, Familie“, für die „Verteidigung der Identität, der
       Grenzen, der amerikanischen Familie“. Die Nähe zahlte sich bei Trumps
       Wiederwahl aus. Am 5. Januar 2025 kam sie zu einem Überraschungsbesuch
       nach Mar-a-Lago, Trumps luxuriösem Domizil. Dieser nannte sie ganz
       gönnerhaft eine „fantastische Frau“. Am 20. Januar war Meloni die einzige
       zu Trumps Amtseinführung nach Washington eingeladene europäische
       Regierungschefin.
       
       Als harmonisch dürfen auch Melonis Beziehungen zu Elon Musk gelten. Der war
       schon im Juni 2023 bei ihr in Rom im Amtssitz des Ministerpräsidenten zu
       Gast. Beide plauderten über künstliche Intelligenz und sinkende
       Geburtenraten. Musk kam im Dezember 2023 zur Mammutkonferenz „Atreju“ der
       postfaschistischen Fratelli, um dort den Klimawandel kleinzureden.
       
       Und es war Musk, der im September 2024 eine Rede auf Meloni hielt, als sie
       in New York den Global Citizen Award erhielt. Er sparte nicht an
       Komplimenten: Die Ministerpräsidentin erfuhr, dass Musk sie „bewundert“,
       dass sie „authentisch, ehrlich, wahrhaftig“, dass sie „im Inneren noch
       schöner als äußerlich“ sei.
       
       Ihren hervorragenden Kontakt zum Trump-Lager konnte Meloni auch über die
       Biden-Jahre retten. Doch was macht sie jetzt damit? Jetzt, da es nicht mehr
       um sie selbst in der EU, in der Nato, gegenüber den USA geht, sondern um
       Trump, Europa, den bröckelnden Nordatlantikpakt und die plötzlich
       aufgerissenen tiefen Gräben?
       
       ## Sie scheint ein Schweigegelübde abgelegt zu haben
       
       Einen ersten Eindruck lieferte Melonis Reaktion auf den Eklat im Oval
       Office, als Trump und J. D. Vance den „undankbaren“ Selenskyj vor die Tür
       setzten. Von der Leyen, Macron, Scholz, Keir Starmer überschlugen sich mit
       Solidaritätserklärungen für den ukrainischen Präsidenten. Von Meloni
       dagegen waren ähnliche Worte nicht zu hören. Weiterhin beharrte Meloni,
       ohne Selenskyj überhaupt zu erwähnen, [5][auf einem „dauerhaften und
       gerechten Frieden“, auf der „Stärkung der Position der Ukraine“.] Dann
       legte sie nach: „Jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer.“
       
       Als sie in den Folgetagen nach ihrer Position zum Eklat zwischen Trump und
       Selenskyj gefragt wurde, fügte sie nur hinzu, eine solche Frage sei
       „selbstzweckhafte Polemik“. Überhaupt sei es „in dieser Phase unnütz, sich
       als Fans aufzuführen“.
       
       [6][„Dringend“ sei deshalb ein EU-USA-Gipfel nötig.] Das meint zumindest
       Meloni. Doch von einem solchen Gipfel redet außer ihr gegenwärtig niemand
       auf beiden Seiten des Atlantiks. Dringend würde sie auch gerne im Weißen
       Haus vorsprechen. Doch dort setzt niemand auf die von ihr ersehnte Rolle
       als Vermittlerin. Ein Termin ist nicht in Sicht, vielleicht gehe etwas
       „Ende März“, sickert aus italienischen Regierungskreisen durch.
       
       Jubelnde Fanauftritte – sei es für Trump, sei es für den früher ihrerseits
       hochgelobten Selenskyj – bietet Meloni gegenwärtig nicht. Stattdessen
       scheint sie ein Schweigegelübde abgelegt zu haben. In diesen Wochen sagt
       sie entweder nichts öffentlich, oder sie meldet sich mit nichtssagenden
       Äußerungen zu Wort. Ein Beispiel: Sie verlangte, „mit kühlem Kopf, ohne
       sich von Emotionen mitreißen zu lassen, und mit einem strategisch
       ausgerichteten Nachdenken“ die „sich weiterhin wandelnde Welt“ zu
       analysieren. Angeblich telefoniert Meloni regelmäßig mit Trump, so auch
       einen Tag nach dem Showdown im Oval Office. Was die beiden einander bei den
       Telefonaten sagen, bleibt bisher geheim.
       
       ## Zwischen allen Stühlen
       
       Überliefert ist dagegen, dass Meloni einerseits mit dem Auftritt des
       US-Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sehr
       einverstanden war. Die Aufregung quer durch Europa konnte sie nicht
       verstehen. „Vance hat Tieferes geäußert, Identität, Demokratie, freie
       Rede“, analysiert Meloni. Und ganz auf dieser Linie weiß sie auch, „dass
       Europa auf dem Altar der Wokeness, der Bürokratie, des Merkantilismus
       geopfert wurde“.
       
       Andererseits rührt sie weiterhin die Trommel für jene alte Welt, die Trump
       gerade einreißt. Sie lobt die Ukrainer als „stolzes Volk, das kämpft“, will
       den Erhalt der Nato genauso wie „Artikel 5-Garantien“ für die Ukraine,
       sprich die Beistandszusage der Nato. Italienische Friedenstruppen in der
       Ukraine kann sie sich aber nur mit einem UN-Mandat vorstellen. „All das,
       was ich für den Erhalt eines geeinten Westens tun kann, werde ich tun“,
       lautet Melonis Fazit.
       
       Ihr Angebot steht – doch wie es scheint, gibt es keine Nachfrage. Bisher
       haben weder Macron noch Starmer, noch Trump ihr Vermittlungsangebot auch
       nur ansatzweise angenommen. Sie lassen Giorgia Meloni damit einen
       unbequemen Platz: zwischen allen Stühlen.
       
       16 Mar 2025
       
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