# taz.de -- Ferat Koçak über Wahlerfolg in Neukölln: „Wir haben hier eine Bewegung aufgebaut“
       
       > Auch nach der Wahl will Linken-Politiker Ferat Koçak die Haustürgespräche
       > in Neukölln fortsetzen. Ziel sei, die Menschen an seinem Mandat zu
       > beteiligen.
       
 (IMG) Bild: Hat das Vertrauen der Neuköllner*innen: Linke-Politiker Ferat Koçak
       
       taz: Herr Koçak, es war eine der Überraschungen des Wahlabends: Mit 30
       Prozent der Erststimmen haben Sie für die Linke das Direktmandat im
       Wahlkreis Neukölln gewonnen. Wie haben Sie das geschafft? 
       
       Ferat Koçak: Wir haben den Menschen zugehört und ihre realen Probleme und
       Sorgen ins Zentrum unserer Wahlkampagne gerückt. Dafür haben wir [1][an
       139.000 Haustüren geklingelt und mehr als 50.000 Gespräche geführt]. Auf
       diese Weise haben wir viele Menschen erreicht, die sich von der Politik
       abgehängt fühlen – und dann erlebt haben: Da gibt es Leute, die sich für
       mich interessieren und dafür kämpfen, dass sich meine Lebensumstände
       verbessern.
       
       taz: Das war möglich durch die Unterstützung von Hunderten, meist jungen
       Menschen, die für Sie geworben haben. Woher kam diese bemerkenswerte
       Mobilisierung? 
       
       Koçak: Ich habe immer ganz klar gesagt, ich will Politik anders machen:
       nicht von oben, sondern mit den Menschen. Und für diese Vision können sich
       viele Menschen begeistern, die bisher mit der Linkspartei oder Parteien
       insgesamt nicht viel anfangen konnten. Außerdem bin ich verwurzelt in
       Neukölln, die Solidarität ist stark. Die Leute kennen mich von
       Demonstrationen und [2][als Überlebenden eines rechten Brandanschlags].
       Auch das Vertrauen in meine Person hat dazu geführt, dass ich viel
       Unterstützung bekommen habe.
       
       taz: Was machen Sie nach der Wahl aus diesem Momentum? 
       
       Koçak: Es geht direkt weiter: Wir setzen die Haustürgespräche fort, am 16.
       März ist der nächste Termin. Wir haben ja noch nicht an allen Türen von
       Neukölln geklingelt! Für uns ging es nie nur darum, Wahlkampf zu machen.
       Wir haben hier eine Bewegung aufgebaut, und diese Arbeit geht jetzt weiter.
       Auch indem wir Stadtteilversammlungen organisieren und so dauerhaft Räume
       schaffen, in denen die Menschen in Neukölln politisch aktiv sein können.
       
       taz: Jetzt sitzen Sie bald im Bundestag. Für welche Themen wollen Sie sich
       dort besonders einsetzen? 
       
       Koçak: Meine Anliegen sind die Anliegen der Neuköllner. Ich verstehe mein
       Mandat als kollektives Mandat, deshalb entscheiden wir gemeinsam. Aber
       klar, hinter vielen Themen, die hier im Bezirk drängen – Mieten,
       Nahverkehr, Müllentsorgung –, steht eigentlich die Frage nach Umverteilung.
       Da will ich den Druck hoch halten. Und natürlich kämpfe ich weiter für die
       Dinge, die ich auch im Berliner Abgeordnetenhaus und auf der Straße
       vertrete: Antirassismus, Antifaschismus und Klimagerechtigkeit.
       
       taz: Wie sieht dieses kollektive Mandat aus? 
       
       Koçak: Wichtig dafür sind die Stadtteilversammlungen, wo gemeinsam
       entschieden wird. Außerdem spreche ich mich mit dem Neuköllner
       Bezirksverband ab. Letztlich geht es darum, dass die Menschen vor Ort in
       gewisser Weise über mein Mandat mit verfügen können. Aber es funktioniert
       auch umgekehrt. Ich will Aktivist*innen in ihren Kämpfen unterstützen,
       zum Beispiel jetzt [3][die Mieterinitiative aus der Weißen Siedlung], die
       ich zum Gesundheitsamt begleite. Mein Mandat verleiht dem mehr Nachdruck.
       Auch so kann man das Mandat gemeinsam nutzen.
       
       taz: Schon viele Politiker*innen sind mit großen Versprechen in den
       Bundestag eingezogen und haben dann ihre Wähler*innen enttäuscht. Wie
       sehen Sie diese Gefahr? Schließlich wird die Linke als kleinste
       Oppositionsfraktion kaum etwas ändern können. 
       
       Koçak: Ich knicke nicht ein. Wir haben von Anfang an gesagt: Alle anderen
       Parteien versprechen vor der Wahl die tollsten Dinge. Wir nicht, außer dass
       wir mit aller Macht für die Themen der Neuköllner kämpfen und unsere
       Ressourcen im Bundestag für die hart arbeitenden Menschen einsetzen.
       Enttäuschend wäre, wenn ich nichts machen würde. Aber die Menschen können
       sich darauf verlassen, dass ich für sie streite und mich mit ihnen
       rückkopple. Und ich habe schon immer mein Gehalt auf 2.500 Euro gedeckelt,
       das werde ich im Bundestag weiter so machen. Das ist die Versicherung für
       die Leute, dass ich unverkäuflich bin und mir und den Neuköllnern treu
       bleibe.
       
       24 Feb 2025
       
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