# taz.de -- Psychotherapeutin über Migrant*innen: „Ich will diese Menschen sichtbar machen“
       
       > Saher Khanaqa-Kükelhahn hört als Psychotherapeutin viele Geschichten von
       > Migration. 28 von ihnen schildert sie in ihrem Buch „Mein Ich – mein
       > Zuhause“.
       
 (IMG) Bild: Viele Lebensgeschichten: Migranten helfen beim Befüllen von Sandsäcken gegen das drohende Hochwasser an der Oder im September 2024
       
       taz: Frau Khanaqa-Kükelhahn, die 28 kurzen Erzählungen Ihres Buchs
       schildern die Lebenserfahrungen von Migrant*Innen in Deutschland. Sind
       diese literarischen Texte aus Ihrer Arbeit als Psychotherapeutin erwachsen? 
       
       Saher Khanaqa-Kükelhahn: Seit 31 Jahren habe ich eine Praxis als
       Psychotherapeutin und da habe ich viele Geschichten von der [1][Migration]
       und [2][Integration] gehört, die sich ähneln. Und meine Erzählungen sind
       angelehnt an viele dieser wahren Begebenheiten.
       
       taz: Geschichten aus dieser Perspektive gehören ja so gut wie gar nicht zum
       kollektiven Bewusstsein dieses Landes. War das ein Grund dafür, warum Sie
       dieses Buch geschrieben haben? 
       
       Khanaqa-Kükelhahn: Geflüchtete und Menschen im Migrationsprozess werden
       fast immer als eine homogene Gruppe wahrgenommen, die in einer grauen Zone
       lebt. Aber sie sind alle individuelle Menschen mit ihren eigenen Stärken,
       Kompetenzen, Schwächen und kulturellen Zwängen. Ich will diese Menschen
       sichtbar machen und deshalb war es mir wichtig, Geschichten zu erzählen, in
       denen etwas Positives aus dem erwächst, was diese Menschen in sich tragen.
       
       taz: Auch wenn Sie zum Beispiel in einer der Geschichten eine junge Frau
       aus Ghana von der brutalen Gewalt erzählen lassen, die ihr angetan wurde,
       haben tatsächlich alle Ihre Geschichten ein optimistisches Ende. Ist das
       realistisch oder nicht doch Wunschdenken? 
       
       Khanaqa-Kükelhahn: Ich kann ganz frech aus meiner eigenen Erfahrung
       behaupten, dass 90 Prozent der Menschen mit traumatischen Erfahrungen dann,
       wenn man schafft, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sie nicht als Opfer
       zu sehen, in ihrem Leben eine neue Wendung mit einer neuen Basis und einem
       neuen Zuhause finden. Das ist mein tägliches Brot.
       
       taz: Sie schreiben Ihre Geschichten als Rollenprosa, also aus dem
       Blickpunkt und in dem Idiom der Protagonist*innen. Das ist auch literarisch
       interessant, weil Sie den Ton immer überzeugend treffen. Haben Sie dieses
       gute Ohr für die Sprache auch in Ihrem Beruf entwickelt? 
       
       Khanaqa-Kükelhahn: Ich kann die Menschen ja nur behandeln und ihnen
       weiterhelfen, wenn ich sie verstehe. Und das bedeutet ja immer auch, in
       ihre Welt und ihre Sprache einzutauchen. Ich kann mich gut in die Menschen
       hineinversetzen und bei meinen Texten ist es dann ein Stilmittel, um von
       ihrem Fokus aus die Welt zu sehen.
       
       taz: Sie erzählen von Migrationserfahrungen von Menschen aus der
       [3][Ukraine], aus [4][Syrien], [5][Ghana] und auch aus der ehemaligen DDR.
       In einer Geschichte lassen Sie sogar einen Hund in sehr kultiviertem
       Deutsch von seinen türkischen Herrchen erzählen. Wie sind Sie denn auf
       diese witzige Idee gekommen? 
       
       Khanaqa-Kükelhahn: Ich haben mal auf einem Campingplatz beobachtet, wie ein
       Hund von einer türkischen Familie behandelt wird und als ich dann fragte,
       wo der Hund hergekommen ist, hat ein Jugendlicher protzig geantwortet: „Das
       war der Hund von einem Professor.“ Und dann habe ich darüber nachgedacht,
       dass der Hund von diesem deutschen Bildungsbürger ganz anders behandelt
       wurde als es in unseren Kulturen üblich ist. Das ist ja ganz ähnlich wie
       bei Menschen in einem Flüchtlingsheim, die in ihren Heimatländern einen
       hohen Status hatten, von dem in Deutschland nichts mehr übrig geblieben
       ist.
       
       11 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Migration/!t5007824
 (DIR) [2] /Integration/!t5010246
 (DIR) [3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
 (DIR) [4] /Syrische-Fluechtlinge/!t5013529
 (DIR) [5] /Ghana/!t5020936
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bremen
 (DIR) Migration
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Psychotherapie
 (DIR) Buch
 (DIR) Kurzgeschichte
 (DIR) Integration
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Psychische Erkrankungen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Situation von Geflüchteten in Berlin: „Manche trauen sich abends nicht auf die Straße“
       
       Die aktuelle Migrationsdebatte schaffe ein Klima der Angst, kritisieren
       Geflüchtete in Berlin. Mit Doppelstandards bei der Behandlung müsse Schluss
       sein.
       
 (DIR) Rassismuskritische Psychotherapie: Rassismus macht krank
       
       Zu oft werden Diskriminierungserfahrungen vernachlässigt.
       Therapeut:innen müssen sich fragen: Durch welche Brille schaue ich denn
       selbst?
       
 (DIR) Psychosoziales Netzwerk: „Nadelöhr in Versorgung erweitern“
       
       Simone Penka von TransVer unterstützt Geflüchtete, Menschen mit
       Migrationsgeschichte und Fachkräfte auf der Suche nach Hilfe bei
       psychischen Problemen.