# taz.de -- Schreibwettbewerb für Geflüchtete: Eine Behausung in Worten
       
       > Fluchterfahrung eint die Gewinner:innentexte des Schreibwettbewerbs
       > „Heimat suchen, Heimat finden“. Die Lesung fand im Berliner Ensemble
       > statt.
       
 (IMG) Bild: Über 30 Finalist:innen stehen gemeinsam auf der Bühne. Sie setzen ein Zeichen für Solidarität und die Kraft der Worte
       
       In der Ukraine habe Liza Bekhalo gerne Geschichten geschrieben, nach der
       Flucht nach Berlin nicht mehr. Wahrscheinlich weil sie keine Kraft hatte,
       sagt die 23-Jährige schulterzuckend. Als sie es für den Schreibwettbewerb
       für Geflüchtete „Heimat suchen, Heimat finden“ wieder versuchte, sei alles
       auf einmal aus ihr herausgekommen.
       
       Das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten stellte die Frage
       „Was bedeutet Heimat für dich?“ Nach einer halben Stunde war ihr Text
       fertig, der nun den ersten Preis in der Kategorie „Amateure“ gewonnen hat.
       Er handelt von einem einsamen Spaziergang spätabends in Berlin,
       beobachtend, den Erfahrungen an der Grenze erinnernd, mit Energydrink und
       einer Ratte, aber ohne Heimat: „Du bist sehr müde, aber nicht körperlich,
       sondern geistig.“
       
       Das Gefühl von Heimatentriss findet in der Lesung der
       Gewinner:innentexte im Berliner Ensemble (BE) eine Behausung in
       Worten. Aus über 100 Einreichungen und 30 Finalist:innen wurden jeweils
       drei Preisträger:innen in den Kategorien „Jugendliche“, „Amateure“, den
       beruflich schreibenden „Profis“ und einer in der Sonderkategorie „Gedichte“
       gekürt.
       
       ## Eine Erinnerung an die Empathiefähigkeit
       
       Furchtlos nah an den Erinnerungen an Krieg, Hoffnungslosigkeit und
       Verzweiflung klingen die Texte, die Schauspieler:innen des BEs auf
       Deutsch vortragen. Sie gehen so nah, wie die realen Geschichten dahinter
       immer gehen sollten, aber es nicht immer tun. Nach dem ersten Text ist man
       erinnert: Worte und Kunst helfen.
       
       Die zwölfjährige Sofiia Myshko versetzt in „Erinnerungen an den Krieg“ in
       klarer, bildgewaltiger Sprache in einen Schulkeller in Tschernihiw,
       Ukraine, wo sie mit vielen anderen tagelang ohne Toilette, Strom, und ihren
       gelben Teddybären ausharren musste.
       
       Der 17-jährige Mohamad Ahmed hingegen fragt sich: „Ist Heimat ein Ort oder
       ein Gefühl?“ – und erinnert sich an seine warme, trubelige Kindheit mit
       langen Frühstücken in Aleppo zurück. Nach dem Schreibprozess habe er sich
       entschieden, seinen „wenig deutsch klingenden“ Vornamen zu behalten.
       
       Unfreiwillig zum Geflüchteten wurde B. M. Ngare. In „Der Fall“ erzählt er
       von dem unerwarteten Anruf, er könne nicht mehr aus Berlin zurück nach
       Tansania. Dort würden ihm für seine Homosexualität 30 Jahre Haft drohen.
       
       ## Sehnsucht nach einem Zimmer
       
       Jede Geschichte ist fundamental anders. Doch die Erfahrung von Flucht eint
       sie. Immer wieder fallen Raketen in den Texten. Von Trümmern ist die Rede,
       in Damaskus, Kabul, Irpin, von einengenden Unterkünften in
       [1][Berlin-Tegel], vom Warten und Schweigen. Sie handeln von der Sehnsucht
       nach einem Zimmer, einem Bett, vertrauter Sprache, Menschen.
       
       Scheinbar alltägliche Dinge wie eine eigene Wohnung werden zu Orten der
       Hoffnung. „Diese Wände waren wie die Umarmung, die uns die Sicherheit
       gaben, uns der Zukunft zu stellen“, schreibt der in Syrien geborene Ahmed
       al-Mohammed, der mit seiner Frau eine beliebte Bäckerei in Berlin eröffnet
       hat.
       
       Nicht alle Texte erzählen Erfolgsgeschichten. Aber alle tragen ein
       Stückchen Hoffnung. B. M. Ngare hat in Berlin Leute gefunden, die ihn
       verstehen. Für Sofiia Myshko ist Schreiben ein neues Hobby geworden. Auch
       Liza Bekhalo gehe es mittlerweile besser. Das Schreiben helfe ihr,
       Emotionen zu verarbeiten.
       
       Draußen vor dem Berliner Ensemble demonstriert eine kleine Menschenmenge
       gegen Faschismus und Rechtsextremismus. Eine von vielen [2][Demos vor der
       Wahl]. Drinnen, im dunklen Saal, bedankt sich Mohamad Ahmed dafür, im
       Wettbewerb nicht nur der Inhalt von Reden gewesen zu sein, sondern eine
       eigene Stimme. Im Zuhören begreift man, dass das Bedürfnis nach Heimat
       menschlich ist.
       
       25 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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