# taz.de -- Sprachverbote auf Palästina-Demos: Deeskalation sieht anders aus
       
       > Im Umgang mit Palästina-Demos haben die Berliner Behörden jedes Maß
       > verloren. Sprachverbote sorgen nicht für eine Befriedung der Lage – im
       > Gegenteil.
       
 (IMG) Bild: Nach einer Stunde aufgelöst: Palästina-Demo am Samstagnachmittag in Berlin-Schöneberg
       
       Es kam, wie es kommen musste: Nach nur einer Stunde erklärte die Polizei am
       Samstagnachmittag eine propalästinensische Kundgebung auf dem
       Wittenbergplatz für beendet und schubste und zerrte verharrende
       Teilnehmer*innen weg. Was war passiert? Ein Redner hatte Hebräisch
       gesprochen, Demonstrant*innen hatten palästinensische – also
       arabischsprachige – Musik abgespielt sowie Sprechchöre auf Arabisch
       angestimmt. Das klingt unspektakulär, war aber verboten.
       
       Denn die Versammlungsbehörde hatte im Vorfeld strenge Auflagen erlassen.
       Alle Sprachen außer Deutsch und Englisch waren für Reden, Parolen und Musik
       tabu. Die Demonstration durfte nicht laufen, sondern musste an einem festen
       Ort stattfinden. Außerdem gab es eine Trommelquote: Pro hundert
       Teilnehmer*innen war nur ein Perkussionsinstrument erlaubt.
       
       Begründet wurden die Einschränkungen mit einer „Vielzahl an Straftaten bei
       solchen Versammlungen in der Vergangenheit“, Anlass dürfte aber vor allem
       Kritik an der Polizei nach einer ähnlichen Demo vor rund einer Woche
       gewesen sein. Dort war Medienberichten zufolge auf Arabisch zum Mord an
       Juden aufgerufen worden, doch die Beamt*innen vor Ort bemerkten das
       offenbar nicht. Erst im Nachhinein wurden Ermittlungen aufgenommen.
       
       Nun hat die Polizei es sich also leicht gemacht. Des Arabischen nicht
       mächtig? Einfach verbieten! Als die Demonstrierenden dann am Samstag diese
       Auflage missachteten, trat durch das gesprochene arabische Wort eine
       „unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ ein, wie es im
       Polizeijargon heißt. Die Polizei sah sich „gezwungen“, die Versammlung
       aufzulösen.
       
       ## Die Polizei dreht an der Eskalationsspirale
       
       Doch das ist der völlig falsche Weg. Es ist ohnehin schon fragwürdig, warum
       die Berliner Polizei nicht in der Lage ist, genügend sprachkundige
       Beamt*innen oder Dolmetscher*innen einzusetzen, um Äußerungen in
       weit verbreiteten Fremdsprachen zu übersetzen. Doch dann als Reaktion auf
       einzelne mutmaßlich strafbare Äußerungen kurzerhand ein pauschales
       Sprachverbot zu verhängen, zeigt erneut, dass die Behörden im Umgang mit
       Palästina-Demos jegliches Maß verloren haben.
       
       Mehr noch: Mit den überharten Auflagen dreht die Polizei selbst kräftig an
       der Eskalationsspirale. Denn [1][die Eingriffsschwelle der Beamt*innen
       ist niedrig], nahezu jeder Regelbruch führt sofort zu einer Maßnahme. Die
       Verbote sorgen dadurch nicht für eine Befriedung der Lage, im Gegenteil. Es
       gibt [2][mehr Zwischenfälle, mehr Gewalt].
       
       Es steht zu befürchten, dass die Kundgebung am Samstag nicht die einzige
       bleibt, die so schnell beendet wird. Eine Polizeisprecherin hat bereits
       angekündigt, dass die Sprachverbote „bis auf Weiteres“ auch für künftige
       Palästina-Demos gelten sollen. Ein fatales Signal. Trauer und Wut werden
       dadurch auch weiterhin unter Generalverdacht gestellt – eine [3][Erfahrung,
       die palästinensische Menschen in Deutschland seit Jahrzehnten machen].
       
       9 Feb 2025
       
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