# taz.de -- Pressefreiheit in Turkmenistan: Mehr oder weniger für'n Arsch
       
       > Für turkmenische Beamte ist ein Abo von Staatspropagandablättern Pflicht.
       > Nun dürfen sie diese zudem nicht „zweckentfremden“ – zum Beispiel als
       > Klopapier.
       
 (IMG) Bild: Manspreading auf dem goldenen Sessel: Der turkmenische Präsident Serdar Berdimuhamedow traktiert die Bevölkerung
       
       Stellen Sie sich folgendes vor: Sie leben in einem Land, in dem es
       ausschließlich staatliche Medien gibt. Und diese, immer noch gedruckt
       natürlich, sind so gut wie nachrichtenfrei (das toppt sogar die Prawda zu
       Sowjetzeiten), huldigen dafür jedoch in allen nur erdenklichen Facetten der
       herrschenden Familiendynastie. Die Rede ist von [1][Turkmenistan] – einer
       ehemaligen Sowjetrepublik mit rund sieben Millionen Einwohner*innen und
       einem der abgeschottetsten Staaten weltweit.
       
       Tagtäglich werden die Menschen mit den neuesten Heldentaten des aktuellen
       Staatschefs Serdar Berdimuhamedow traktiert, der von seinem Vater
       Gurbanguly 2022 die Amtsgeschäfte übernahm. Berdimuhamedow senior bestimmt
       jedoch nach wie vor die Politik und zelebriert einen [2][Personenkult, der
       immer absurdere Formen annimmt].
       
       Das kommt auch in einem Erlass zum Ausdruck, wie Staatsbedienstete seit
       vergangenem Januar mit gedruckten Presseerzeugnissen umzugehen haben. Die
       Staatsdiener – sie sind genauso wie übrigens auch Student*innen
       gezwungen, die gehaltvollen Medien zu abonnieren – müssen eine Erklärung
       unterschreiben. Darin verpflichten sie sich, Zeitungen und Zeitschriften
       mit Fotos der „Familie“ zu Hause aufzubewahren, nicht „zu verschmutzen“ und
       nicht zweckentfremdet zu verwenden.
       
       ## Jetzt geht Angst um
       
       Die Behörden denken gerade darüber nach, die entsprechenden Seiten mit
       QR-Codes zu versehen, die es Angehörigen der Sicherheitsdienste ermöglichen
       soll, etwaige Sünder dingfest zu machen. Das berichtet der turkmenische
       Dienst von Radio freies Europa: Radio Ozodlik.
       
       Damit wird den Turkmen*innen noch das letzte Quäntchen Pressefreiheit
       genommen. Denn die Staatspresse erfreute sich durchaus einiger Beliebtheit,
       da vielfältig anderweitig verwendbar. In den Regenmonaten diente sie
       beispielsweise dazu, Schuhe auszukleiden. Auch der Einsatz als
       Toilettenpapier und um ein Feuer anzuzünden waren gängige Praxis.
       
       Doch mit einem derart kreativen Umgang, der häufig auch der weit verbreiten
       Armut der zu großen Teilen mangelernährten Bevölkerung geschuldet ist,
       dürfte es vorbei sein. Noch dazu geht jetzt Angst um.
       
       ## Schlimmer geht’s nimmer – doch!
       
       „Wir fürchten uns, die Kinder zu Hause die Zeitungen anfassen zu lassen.
       Wenn ein Kind versehentlich ein Foto des Präsidenten zerreißt oder
       wegwirft, könnte uns das unseren Job kosten“, zitiert Radio Ozodlik einen
       Angestellten aus der westturkmenischen Region Balkan welaýaty, der aus
       Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen möchte.
       
       Die [3][Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF)] führt
       Turkmenistan in ihrem Index für Pressefreiheit von 2024 auf Rang 175 von
       180 möglichen Plätzen. Das Ranking ist seit Jahren stabil. Daran hat sich
       auch mit dem Amtsantritt von Serdar Berdimuhamedow nichts geändert, ja mehr
       noch: Der Druck auf Journalist*innen wurde weiter verstärkt. Medien
       sind gehalten, staatliche Propaganda sowie ein möglichst positives Bild von
       Turkmenistan zu verbreiten. Dabei verbietet ein Gesetz von 2013
       ausdrücklich Zensur.
       
       Kritische Medienmacher*innen – einige sind ins Exil gegangen –, die
       sich dem Diktat versuch(t)en zu widersetzen, waren und sind von Verfolgung,
       Inhaftierung und Folter, ja mitunter vom Tod bedroht. Wie heißt es so
       schön: Schlimmer geht’s nimmer. Der Fall Turkmenistan zeigt: Von wegen, das
       geht.
       
       3 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Abtreibungen-in-Turkmenistan/!6033314
 (DIR) [2] /Personenkult-in-Turkmenistan/!6004576
 (DIR) [3] /Jahresbilanz-von-Reporter-ohne-Grenzen/!6054294
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) Turkmenistan
 (DIR) Propaganda
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Kolumne 90 Zeilen Herz
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Schwerpunkt Abtreibung
 (DIR) Turkmenistan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kontrollinstanz Journalismus: Investigativ – von Wallraff bis Correctiv
       
       Machtmissbrauch, Korruption, Steuerskandale – es gibt viel aufzudecken in
       Deutschland. Wie gut, dass dies auch geschieht.
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Auf die Probe gestellt
       
       Das Festival „Future Now“ zeigt Filme aus Kasachstan, Kirgisistan,
       Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Es geht um Kindheiten und
       Freundschaft.
       
 (DIR) Abtreibungen in Turkmenistan: Kinder kriegen um jeden Preis
       
       Ärzt*innen, die Schwangerschaftsbrüche durchführen, werden jetzt vom Staat
       massiv unter Druck gesetzt. Ihnen droht der Entzug ihrer Approbation.
       
 (DIR) Personenkult in Turkmenistan: Mit dem Präsidenten am Puls der Zeit
       
       Staatsbedienstete müssen sich eine besondere Armbanduhr kaufen. Darauf sind
       der aktuelle Staatschef und dessen Vater abgebildet. Das Accessoire kostet.