# taz.de -- Abtreibungen in Turkmenistan: Kinder kriegen um jeden Preis
       
       > Ärzt*innen, die Schwangerschaftsbrüche durchführen, werden jetzt vom
       > Staat massiv unter Druck gesetzt. Ihnen droht der Entzug ihrer
       > Approbation.
       
 (IMG) Bild: Gefangen in der Tradition des Patriarchats: Frauen in Turkmenistan
       
       Berlin taz | In Turkmenistan könnte Frauen der Weg zu einer legalen
       Abtreibung schon bald vollständig versperrt sein. In den vergangenen Wochen
       hätten Regierungsbeamte landesweit medizinische Einrichtungen besucht und
       Ärzt*innen gedroht, ihnen ihre Diplome zu entziehen, sollten sie einen
       Schwangerschaftsabbruch durchführen.
       
       Von derartigen Vorfällen berichten Korrespondenten von Radio Asatlyk – des
       turkmenischen Dienstes vom US-finanzierten Radio Freies Europa – aus
       mehreren Regionen des zentralasiatischen Staates.
       
       Offensichtlich haben diese drastischen Warnungen in dem
       Sieben-Millionen-Einwohner*innen-Staat – 90 Prozent der Bevölkerung sind
       Muslim*innen – bereits den gewünschten Effekt. Frauen, die Ärzte wegen
       einer Abtreibung konsultieren wollten, würden überhaupt nicht mehr
       vorgelassen, heißt es. Ohnehin dürfen Mediziner schon jetzt eine
       Schwangerschaft nur dann abbrechen, wenn der Fötus aufgehört hat zu wachsen
       oder kein Herzschlag mehr zu hören ist.
       
       2022 und damit sieben Jahre nach der Verabschiedung trat in der ehemaligen
       Sowjetrepublik ein Gesetz in Kraft, wonach Abtreibungen nur noch in den
       ersten fünf Wochen vorgenommen werden dürfen, wenngleich ohne medizinische
       Indikation. Gleichzeitig ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 22. Woche
       aus „sozialen“ oder „medizinischen Gründen“ möglich. Dafür braucht es
       jedoch das Gutachten einer Expert*innenkommission.
       
       Von all dem ist jetzt offensichtlich keine Rede mehr. Ärzt*innen sind
       alarmiert. Vor allem junge Frauen (die Anzahl ungewollter
       Teenagerschwangerschaften steigt) greifen bereits zu gefährlichen Methoden.
       So würden sie sich in mit Wasser versetztes Kaliumpermanganat setzen oder
       Medikamente konsumieren, die eine Monatsblutung auslösen. Spezielle
       Abtreibungstabletten (Stückpreis umgerechnet um die 120 Euro) sind kaum
       aufzutreiben, überdies müssen die Ärzte deren Vergabe akribisch
       dokumentieren. Einige von ihnen führen Schwangerschaftsabbrüche weiter
       heimlich durch. Kosten je nach Stadium: Zwischen umgerechnet 450 und 900
       Euro – enorme Summen, die viele Turkmen*innen nicht aufbringen können.
       
       ## Thema bei den UNO
       
       Die jüngsten Verschärfungen werden einige korrupte Ärzt*innen reicher,
       die Situation vieler Frauen hingegen noch unerträglicher machen. Und es
       könnte sein, dass sich zeitnah auch die UNO erneut mit diesem Problem
       befasst.
       
       Nichtregierungsorganisationen hatten bei einem Briefing vor dem UN-Komittee
       zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen im Januar 2024 Turkmenistan
       aufgefordert, für Schwangere den Zugang zu Abtreibungen gemäß
       internationalen Standards sicher zu stellen. Turkmenistan hatte sich der
       gleichnamigen Konvention der UNO 1997 angeschlossen. Doch offensichtlich
       scheint das die Staatsführung nicht mehr zu interessieren.
       
       Druck auf Frauen wird in Turkmenistan, eines der abgeschottesten Länder
       weltweit, auch noch auf andere Art und Weise ausgeübt.Ebenfalls 2022, nur
       kurz nach der Inthronisierung von [1][Serdar Berdimuhamedow als
       Staatspräsident] (er löste seinen Vater nach 15jähriger Herrschaft ab)
       wurden Regeln für das äußere Erscheinungsbild von Frauen erlassen. Zur
       Begründung hieß es, dadurch solle ausländischen Trends begegnet werden, die
       turkmenischen Werten zuwider liefen.
       
       So wurden Kosmetik – und Schönheitsbehandlungen, wie beispielsweise
       Wimpern- und Nagelverlängerungen, Haare färben, Maniküre sowie Lippenfüller
       verboten. Bei Razzien auf öffentlichen Plätzen wurden beispielsweise Frauen
       wegen „falscher“ Wimpern festgenommen und mit Geldstrafen von umgerechnet
       130 Euro belegt.
       
       ## Jeans tragen verboten
       
       Dutzende Schönheitssalons mussten schließen, weil ihre Besitzer weder
       Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 250 Euro oder wahlweise 15 Tage Haft
       riskieren wollten. Auch das Tragen „eng anliegender“ Kleidung, wie Jeans,
       steht unter Strafe.
       
       Mitarbeiterinnen von Regierungsbehörden oder Betrieben müssen eine
       Verpflichtungserklärung unterzeichnen. „Wenn ich über das Unternehmen, für
       das ich arbeite, durch meine Kleidung oder mein Verhalten Schande bringe,
       indem ich bei der Arbeit oder außerhalb des Büros gegen Regeln verstoße,
       erkläre ich mich damit einverstanden, von meinem Posten entfernt zu
       werden“, heißt es dort.
       
       30 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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