# taz.de -- Gipfel der EU-Staatschefs: Selenskyj liest der EU die Leviten
       
       > Die EU ist angesichts der baldigen Trump-Regierung abwartend. Die Hilfe
       > der EU sei jedoch nicht genug, sagt Wolodymyr Selenskyj und fordert die
       > Staatschefs auf, mehr zu tun.
       
 (IMG) Bild: Der ukrainische Präsident Selenskyi und EU-Ratspräsident Antonio Costa am Donnerstag in Brüssel
       
       Brüssel taz | Bei diesem Weihnachtsgipfel ist vieles anders als sonst. Zum
       Beispiel hat er pünktlich begonnen. Das sei nicht immer so, antwortet die
       EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola auf die Frage, ob der neue,
       portugiesische EU-Ratspräsident António Costa den Gipfel gut vorbereitet
       habe.
       
       [1][Costa] will die Treffen reformieren. Bereits vorab machte er in seiner
       Einladung klar, die Treffen der Staats- und Regierungschefs der 27
       Mitgliedstaaten effizienter gestalten zu wollen.
       
       Daher begrenzte er den Gipfel auf einen statt zwei Tage – trotz
       umfangreicher Tagesordnung. Russlands Krieg in der Ukraine, der
       Machtwechsel in Syrien, die anhaltenden Proteste in Georgien,
       Migrationspolitik und die kommende US-Regierung von Donald Trump sind
       Themen des Treffens.
       
       Der Gipfel muss, knapp einen Monat vor der Amtseinführung Donald Trumps,
       mit einer ungewissen Zukunft planen. Wie und in welchem Umfang werden die
       USA die Ukraine weiter unterstützen? Wird Trump mit seinen Strafzöllen
       ernst machen? Und werden diese irgendwann auch Europa treffen? Die EU
       bereitet sich auf unterschiedliche Szenarien vor – und ist gleichzeitig im
       Wartemodus gefangen.
       
       ## Abendessen mit Selenskyj
       
       Währenddessen [2][spitzt sich die Situation in der Ukraine] weiter zu.
       Gegenüber der französischen Zeitung Le Parisien räumte Wolodymyr Selenskyj
       ein, dass das ukrainische Militär die Krim und den Donbass nicht
       eigenständig zurückerobern könne.
       
       Bereits am Mittwochabend, vor dem Beginn des Gipfels, lud Nato-Chef Mark
       Rutte Selenskyj zum Abendessen ein. Neben Selenskyj nahmen auch
       Bundeskanzler Olaf Scholz und die Staats- und Regierungschefs von Polen,
       Italien, Dänemark und den Niederlanden daran teil.
       
       Frankreichs Präsident Emmanuel Macron blieb Brüssel indes fern. Er reiste
       [3][zu Opfern des Zyklons auf der Insel Mayotte]. Scholz vertritt ihn auf
       dem Gipfel. Greifbare Ergebnisse brachte das vertrauliche Treffen in
       Brüssel offenbar nicht.
       
       ## EU und USA müssen Ukraine unterstützen
       
       Beim EU-Gipfel am Donnerstag hat Selenskyj den Europäern dann die Leviten
       gelesen. Die EU leiste nicht genug Waffenhilfe, auch bei der Ausbildung
       ukrainischer Soldaten hinke sie hinterher, sagte er nach einer
       mehrstündigen Aussprache mit den Staats- und Regierungschefs. Der
       Vorschlag, einen möglichen Waffenstillstand mit Russland mit europäischen
       Friedenstruppen zu sichern, reiche nicht aus.
       
       „Ich glaube nicht, dass europäische Garantien ausreichen werden“, sagte
       Selenskyj. Um den Krieg zu beenden und Frieden zu sichern, müssten auch die
       USA mitziehen. „Nur zusammen können die USA und Europa Putin tatsächlich
       stoppen und die Ukraine retten“, sage Selenskyj mit Blick auf Kremlchef
       Wladimir Putin. Die Europäer müssten daher das Gespräch mit dem künftigen
       US-Präsidenten Donald Trump suchen.
       
       ## Europäer wollen von Trump nichts wissen
       
       Das dürfte manch einem EU-Chef peinlich sein – denn bisher wollten die
       Europäer von Gesprächen mit Trump nichts wissen. Der ungarische
       Ratspräsident Viktor Orban hat zwar angeboten, seine guten Kontakte zu
       Trump spielen zu lassen, doch die EU schlug dieses Angebot aus. Nun läuft
       sie der Entwicklung hinterher. Im Entwurf für den Gipfelbeschluß kommt der
       Name Trump nicht einmal vor.
       
       Ohne Hilfe aus Washington sei es „sehr schwierig, die Ukraine zu
       unterstützen“, betonte Selenskyj. Auch dies ist unangenehm für die EU. Die
       Union bemüht sich seit Wochen, die EU-Hilfe aufzustocken, um so einen
       möglichen Ausfall der amerikanischen Unterstützung zu kompensieren. Es
       fehle an Luftabwehr, an Waffen und an Geld, betonte Selenskyj nun in
       Brüssel. Die EU müsse mehr liefern.
       
       Nur Frankreich und Deutschland hätten bisher je eine ukrainische Brigade
       ausgebildet – dabei habe man mehr als ein Dutzend Brigaden versprochen.
       Wegen des Mangels an Waffen müssten einige ukrainische Brigaden ohne
       Ausrüstung in den Krieg ziehen. Das Militär brauche mindestens 19 weitere
       Anti-Raketen-System, um russische Angriffe auf die Energieversorgung
       abzuwehren.
       
       ## Scholz fordert mehr militärische Hilfe
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz forderte die EU-Partner indes auf, ihre
       militärische Hilfe für die Ukraine aufzustocken. Deutschland sei „mit
       großem, großem Abstand der größte Unterstützer der Ukraine“. Zugleich
       warnte Scholz davor, jetzt schon darüber zu „diskutieren, was als dritter
       und vierter Schritt folgen sollte.“ Für Diskussionen über Friedenstruppen
       sei es noch viel zu früh.
       
       Vor dem Gipfel hatte Scholz betont, dass man „keine Entscheidung über die
       Köpfe der Ukrainer und Ukrainerinnen hinweg“ treffen werde. Es dürfe keine
       Eskalation geben, die zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato führen,
       warnte Scholz.
       
       ## Kallas warnt vor überstürztem Deal
       
       Derweil warnte die neue EU-Außenbeauftragte [4][Kaja Kallas] vor
       vorzeitigen Verhandlungen der Ukraine [5][mit Russland] vor dem Beginn
       ihres ersten EU-Gipfels.
       
       Die ehemalige estnische Ministerpräsidentin bleibt in Brüssel weiterhin
       ihrem harten Kurs gegenüber Russland treu. Während die Stimmen für baldige
       Friedensverhandlungen lauter werden, warnt sie vor einem „schlechten Deal“
       für Kyjiw.
       
       „Syrien habe gezeigt, dass Russland nicht unbesiegbar ist und daher sollten
       wir unsere eigene Kraft nicht unterschätzen“, sagt sie, mit Blick auf dem
       Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das vom Kreml unterstützt worden war.
       Bereits [6][zu Beginn der Woche schickte die EU einen Diplomaten], um
       Kontakte zur neuen Führung aufzunehmen.
       
       19 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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