# taz.de -- „Geh scheißen!“: Warum die Unesco die Wiener Würstelstände schützt
       
       > Die Lebensqualität sinkt, der Nahverkehr nervt. Aber immerhin eine gute
       > Nachricht gibt es in Österreichs Kapitale.
       
 (IMG) Bild: Goldene Zukunft für die Wiener Würstelstände
       
       In Wien lebt es sich recht gut. Die Mieten sind noch leistbar, das
       Schnitzel schmeckt, Bier, Spritzer und nun auch Punsch fließen trotz
       Rekordpreisen in Strömen.
       
       Doch das Leben wird auch hier beschwerlicher. Die einst hochgelobten
       öffentlichen Verkehrsmittel lassen zunehmend zu wünschen übrig. Von fünf
       U-Bahn-Linien waren zuletzt vier gleichzeitig gestört. Zwei U-Bahn-Wagen
       fingen kürzlich gar Feuer. Sie waren nicht in Betrieb, doch sechs
       Mitarbeitende wurden verletzt. Die Ursache? „Ein technisches Gebrechen im
       elektrischen System“, teilte das Wiener Landeskriminalamt mit. Beruhigend.
       
       Immerhin: „Comeback des Jahres“ prangte am Nikolaustag von den digitalen
       Anzeigen, als die U2 nach über zweieinhalb Jahren Bauarbeiten wieder den
       Normalbetrieb aufnahm, wenn auch weiterhin von Betriebsstörungen geplagt.
       
       Doch auch auf den anderen Linien muss man froh sein, wenn überhaupt etwas
       fährt. Die Intervalle sind gefühlt noch länger als zu Pandemiehochzeiten.
       Zusteigen ist oft unmöglich, häufig ist man zu Fuß schneller. Das liegt
       nicht nur an der quirligen Adventszeit, sondern auch am schlechtem
       Management: Bis 2019 habe es keine „langfristige und nachhaltige“
       Personalstrategie bei den Wiener Linien gegeben, berichtete der Wiener
       Stadtrechnungshof.
       
       ## „Geh scheißen!“
       
       Bis 2031 braucht es 7.000 neue Mitarbeiter:innen, das sind 80 Prozent des
       aktuellen Personalstands. Das Unternehmen sieht keine eigenen Fehler,
       vielmehr „äußere Faktoren“ als Grund für die Engpässe. Die anstehenden
       Pensionierungen freilich sind seit Jahren bekannt.
       
       Eine weitere Hiobsbotschaft: Wien hat nicht nur den vom
       [1][Beratungsunternehmen Mercer vergebenen Titel der „lebenswertesten
       Stadt“ der Welt verloren]. Sie ist auch nicht länger die „unfreundlichste
       Stadt“, jedenfalls wenn es nach dem Ranking des Expat Insiders geht.
       Mehrere Jahre hatte Wien beide Titel für sich abonniert. Bei der
       Lebensqualität liegt nun aber Zürich vor Österreichs Hauptstadt. Noch
       unfreundlicher als die Wiener sind nur mehr Münchner und Berliner.
       
       Ein Viertel der befragten Expats fühlt sich demnach in Wien nicht
       willkommen und hat Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Nur ein Drittel
       findet es einfach, bargeldlos zu zahlen. Und für satte 56 Prozent ist die
       Sprachbarriere ein Problem. Sie sollten den „kleinen Wappler“ lesen – das
       96 Seiten starke Schimpfwörterbuch, Crashkurs ins Österreichische. Dann
       verstünden sie womöglich, dass auch ein herzhaftes „Geh scheißen!“ eine
       Liebeserklärung sein kann.
       
       Immerhin, es gibt auch gute Nachrichten: Der Würstelstand wurde nun ins
       immaterielle Kulturerbe der Unesco aufgenommen. Damit steht diese Wiener
       Institution jetzt neben so illustren Einträgen wie der ostfriesischen
       Teekultur, der Schachtradition in Ströbeck oder dem österreichischen
       Maultrommelspiel. Auch die Wiener Kaffeehauskultur, die Wiener
       Heurigenkultur und der Wiener Walzer werden schon als Kulturerbe gelistet.
       
       Die [2][Wiener Würstelstände haben rund 300 Jahre Geschichte] und seien
       „nicht nur für das Stadtbild, sondern auch als Orte der sozialen
       Zusammenkunft und für den Sprachgebrauch in Wien prägend“, heißt es in der
       Unesco-Begründung. Die Auszeichnung kommt zur rechten Zeit. Denn gab es vor
       15 Jahren noch knapp 500 Würstelstände, sind es heute nur mehr rund 120.
       Seit wenigen Jahren gibt es aber ein kleines Revival, so ein
       Würstel-Festival und mehrere Neueröffnungen. Würstel werden wieder hipp,
       ein bisschen zumindest.
       
       „Die Wiener Würstelstandkultur ist so viel mehr als der schnelle Verzehr
       eines Imbisses“, hieß es schon in der Bewerbung des Würstelstand-Vereins.
       „Sie ist eine Art Lebensgefühl, eine Art Kultur, die einen tiefen Blick in
       die Seele der Stadt erlaubt.“ So ist es. Mögen noch viele Burenhäutl
       (Klobassen), Eitrige (Käsekrainer) und Orschpfeiferl (scharfe Pfefferoni)
       über die Budel (Verkaufsfläche) gehen und als nächtliche Retter dienen.
       Prost Mahlzeit!
       
       16 Dec 2024
       
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 (DIR) [1] https://www.wien.info/de/lebenswertes-wien/lebenswerteste-stadt-350746
 (DIR) [2] https://www.wien.gv.at/kultur-freizeit/unesco-wiener-wuerstelstand.html
       
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