# taz.de -- Wolfsburg zeigt Gary Hill: Der Video-Sezierer
       
       > Gary Hill hat das Video radikal verändert, Gesprochenes zerlegt und
       > Farben manipuliert. Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet ihm eine
       > Retrospektive.
       
 (IMG) Bild: Verwirrte Worte: „The Psychedelic Gedankenexperiment“
       
       Braunschweig taz | Zu seinem aktuellen 30-jährigen Jubiläum hat das
       [1][Kunstmuseum Wolfsburg] bereits mehrfach seine Sammlung befragt. Nach
       einer Einzelausstellung zu Firelei Báez, die sich geschichtskritisch mit
       Darstellungen kolonialer Thematik befasste, und einer großen
       Querschnittsschau durch die eigenen Bestände folgt nun zum Abschluss eine
       monografische Präsentation ausgewählter Arbeiten von Gary Hill.
       
       Mit 46 Werken aus fünf Jahrzehnten besitzt das Kunstmuseum Wolfsburg den
       größten Sammlungsbestand dieses US-amerikanischen „Videopioniers“ in
       Deutschland. Dieses Attribut hört Gary Hill allerdigns nicht gerne. Er füge
       den Blick von außen per Video und die Qualität des Mittendrinseins mit
       Hilfe einer installativen Anordnung zusammen, beschreibt er selber die
       charakteristische Kombinatorik seiner Arbeit.
       
       Dafür wurde der studierte Bildhauer Hill bereits mehrfach international
       ausgezeichnet: zum Beispiel 1995 mit dem Goldenen Löwen für Skulptur der
       Biennale in Venedig und im Jahr 2000 mit dem KurtSchwitters-Preis des
       Sprengel Museums Hannover.
       
       Nach einer ersten großen Werksschau im Jahr 2002 zeigt das Kunstmuseum
       Wolfsburg nun 15 Produktionen Hills, die alle Schaffensphasen
       repräsentieren. Den Beginn des Wolfsburger Parcours markiert die
       programmatische Arbeit „Resolution“ von 1980.
       
       ## Hill moduliert Erfahrungen
       
       Auf schwarzem Hintergrund lässt Hill zwei parallele helle Linien um ihren
       Mittelpunkt im Zentrum des Bildschirms rotieren. Erreichen sie die
       Horizontale, dehnen sich die Bildschirmpunkte aus, die Linien zerreißen.
       Weiterdrehend fügt sich alles wieder zusammen.
       
       Diese Spezifika dienen also ausschließlich ihrer Selbstdarstellung: Während
       90 Sekunden Dauer werden die 525 Zeilen des Monitors in ihrer bildgebenden
       Auflösung durchdekliniert– nichts anderes bedeutet ja „Resolution“ im
       technischen Kontext.
       
       Gary Hill, 1951 in Santa Monica geboren und heute in Seattle lebend, will
       also keine Bildgeschichten erzählen, keine Scheinwelten aufbauen, ganz im
       Gegenteil. Er war vielmehr einer der ersten Künstler sein – insofern ist er
       dann doch ein unbestrittener Pionier –, die das Medium Videoaufzeichnung
       radikal modifizierten. Die Sprache wird seziert, Farben werden manipuliert,
       elektronische Klänge oder Halleffekte integriert.
       
       Mittels solch technischer Möglichkeiten orchestriert, moduliere und
       inszeniere Hill Erfahrungen oder phänomenologische Erscheinungen, heißt es
       in Wolfsburg. Und weiter: Über eine reine Bild- und Medienkritik hinaus
       veranlassten seine Arbeiten dazu, gewohnte Wahrnehmungsmuster, aber auch
       das Urteilsvermögen infrage zu stellen.
       
       Aber so konzeptuell verkopft und didaktisch sind die [2][Arbeiten Gary
       Hills] dann doch nicht, sie sind auch sinnliche, ästhetische und
       partizipative Angebote. In „The Psychedelic [3][Gedankenexperiment]“ etwa,
       einer Installation von 2011, wurde ein Text zur bewusstseinserweiternden
       Kunsterfahrung durch LSD rückwärts eingesprochen und dann vorwärts laufend
       abgespielt: eine akustische Kakophonie, nur bedingt dem Verständnis einer
       Aussage dienend.
       
       Dazu operiert ein verwirrter Wissenschaftler an frei im Raum schwebenden
       Molekülen, auch das ohne plausible Effizienz, während die
       Zuschauer:innen auf kippelnden, ultraleichten Styroporhockern verharren
       dürfen. Ein unterhaltsam narrativer, ja fast ein [4][Slapstick]-Charakter
       scheint dem Setting dann doch eigen.
       
       Und zur ganzkörperlichen Herausforderung wird es, wenn Stroboskoplicht
       eingesetzt wird wie in der Raumarbeit „Reflex Chamber“ von 1996. Schnelle
       Bildfolgen werden auf eine Tischfläche gespiegelt, gesprochene
       Textfragmente in kurzer Taktung durch Lichtblitze unterbrochen. Auge und
       Gehirn werden so stimuliert, konstant Nachbilder zu produzieren, also von
       den Betrachtenden physiologisch selbst generierte Sinneseindrücke.
       
       23 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Leandro-Erlich-Ausstellung-in-Wolfsburg/!6043398
 (DIR) [2] https://www.kunstmuseum.de/ausstellung/gary-hill-eine-frage-der-wahrnehmung/
 (DIR) [3] /Spielfilm-ueber-Sigmund-Freud/!6055392
 (DIR) [4] /Nonsens-Komoedie-Hundreds-of-Beavers/!6065284
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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